Sechstes Brâhmaṇam.

[406] Die drei objektiven Weltfaktoren: Name, Gestalt, Werk, haben ihr uktham (Rigveda), ihr sâman (Sâmaveda), ihr brahman (Yajurveda), d.h. ihr Prinzip, aus dem sie entspringen (denn der Veda ist das Prinzip der Welt; sie ist aus dem Veda entsprungen), in den drei subjektiven Faktoren: Rede, Auge und Leib (âtman). Somit geht jene Dreiheit (Name, Gestalt, Werk) zurück (auf Rede, Auge, Leib, und durch sie) auf den Âtman oder Prâṇa. Er ist das Unsterbliche (amṛitam), jene Dreiheit bildet die (empirische) Realität (satyam); ihre Namen und Gestalten sind somit das Unsterbliche, verhüllt durch die Realität (amṛitam satyena channam). Man vergleiche zu diesem tiefsinnigen Gedanken namentlich Çatap. Br. 11,2,3 (Gesch. d. Phil. I, 259-260) und Chând. 8,3,1-2 (oben S. 191); und so schon das prathamachad, Ṛigv. 10,81,1 (Gesch. d. Phil. I, 136).


1. Dreifach, fürwahr, ist diese Welt: Name, Gestalt und Werk.

Was unter ihnen die Namen betrifft, so ist das, was man die Rede nennt, ihr Preislied (uktham), denn aus ihr entstehen (ut-sthâ) alle Namen, ihr Gesang (sâman), denn sie ist bei allen Namen gleich (sama), ihr Gebet (brahman), denn sie trägt (bibharti) alle Namen.

2. Aber für die Gestalten ist das, was man das Auge nennt, ihr Preislied, denn aus ihm entstehen alle Gestalten, ihr Gesang, denn es ist bei allen Gestalten gleich, ihr Gebet, denn es trägt alle Gestalten.[406]

3. Aber für die Werke ist das, was man den Leib (âtman) nennt, ihr Preislied, denn aus ihm entstehen alle Werke, ihr Gesang, denn es ist bei allen Werken gleich, ihr Gebet, denn es trägt alle Werke.

Dieses, wiewohl es dreifach ist, ist eines, nämlich der Âtman, und der Âtman wiederum, wiewohl er einer ist, ist jenes Dreifache. Dasselbige ist das Unsterbliche, verhüllt durch die Realität (amṛitam, satyena channam); der Prâṇa nämlich ist das Unsterbliche, Name und Gestalt sind die Realität; durch diese ist jener Prâṇa verhüllt.

Fußnoten

1 Vgl. Chând. 1,6. Talav. Up. Br. 1,53,5.


2 sve = âtmani. Sehr annehmbar ist Böhtlingk's Vorschlag, svas als Verbum finitum zu lesen: »darum sind wir beiden so gleichsam eine Halbscheid«, – wiewohl es sich bei dem Akzentuationssystem des Çatapatha-brâhmaṇam nicht sicher feststellen lässt; wie es denn auch gerade dem Yâjñavalkya weniger anstehen würde, im Dual zu reden, da er zwei Weiber hatte.


3 Dieser Absatz, welcher hier den Zusammenhang störend unterbricht, ist am Ende von 5 oder von 6 anzuschliessen.


4 Vgl. Kaush. 4,20, oben S. 58. In diesen Stellen begegnen wir zuerst dem im spätern Vedânta typisch gewordenen Vergleiche: Brahman ist in den Erscheinungen latent, wie das Feuer im Brennholze, Brahmasûtra p. 787,11.


5 Als der Gott Agni; oder (Ça k).: im Feuer opfernd.


6 Als Erläuterung kann Chând. 8,2 (oben S. 190) dienen.


7 Über die fünf täglich zu bringenden Mahâyajña's, welche hier zu einem Opfer an den Âtman umgedeutet werden, vgl. Manu 3,69 fg.


8 Wer den Âtman kennt, besitzt in ihm bereits die fünf Ziele menschlichen Strebens.


9 Erste Spur der Lehre vom Prâṇâgnihotram, über welches Weiteres oben S. 146 fg. und in den Atharva-Upanishad's.


10 Nämlich (nach der spätern Theorie) die Väterwelt auf dem Wege des Pitṛiyâna, die Götterwelt auf dem des Devayâna.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 406-407.
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