[91] 6. smṛiteē ca
auch wegen der Smṛiti.

[91] Auch die Smṛiti lehrt die Verschiedenheit des verkörperten und des höchsten Ātman, wenn sie sagt (Bhag. G. 18, 61):


»Im Herzen aller Wesen wohnet Gott,

Wie Wurfgeschosse künstlich sie regierend.«


– ›Aber‹, so könnte man fragen, ›wer ist denn diese verkörperte Seele, welche von der höchsten Seele verschieden sein soll und mit den Worten »wegen Unzutreffendheit hingegen nicht die verkörperte« (Sūtram 1, 2, 3) hier ausgeschlossen wird? Lehrt nicht die Schrift, wenn sie sagt »nicht giebt es ausser ihm einen Sehenden, nicht giebt es ausser ihm einen Hörenden« (Bṛih. 3, 7, 23), dass es eine von der höchsten Seele verschiedene Seele gar nicht giebt? Und auch die Smṛiti sagt: »Als Leibeskenner wisse mich in allen Leibern, Bhārata!« (Bhag. G. 13, 2.)‹ – Hierauf ist zu antworten: allerdings ist es wahr, dass es nur die höchste Seele ist, welche, durch die Upādhi's von Leib, Sinnesorganen, Manas und Buddhi abgegrenzt, von Unwissenden als die verkörperte Seele aufgefasst wird, ähnlich wie wenn der Raum, obgleich er ohne Grenzen ist, doch vermöge der Upādhi's von Töpfen, Krügen u.s.w. erscheint, als wäre er [durch dieselben] abgegrenzt. Und in Anbetracht dessen ist eine Befassung mit der Zweiheit von Thatobjekt und Thäter nicht unzulässig, so lange noch nicht | durch die Worte »das bist du« (Chānd. 6, 8, 7) die Lehre von der Einheit der Seele begriffen ist. Ist aber die Einheit der Seele begriffen worden, so tritt allerdings für alle Thätigkeit des Bindens, Lösens u.s.w. ein völliges Aufhören ein.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 91-92.
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