[122] 26. çâbda-âdibhyo, 'ntaḥpratishṭhânân na, iti cen? na! tathâ dṛishṭi-upadeçâd, asambhavât, purusham api ca enam adhîyate
wegen des Wortes u.s.w. und wegen der Einwohnung nicht, meint ihr? O nein! weil so Aufzeigung in der Anschauung, und weil sonst Unmöglichkeit; ja, sie lesen ja auch von ihm als einem Menschen.

Man könnte sagen: ›der Vaiçvânara kann doch nicht der höchste Gott sein; warum? »wegen des Wortes u.s.w. und wegen der Einwohnung.« Was zunächst das Wort angeht, so ist das Wort Vaiçvânara auf den höchsten Gott nicht passend, weil es von einer anderen Sache gebräuchlich ist; und dasselbe gilt von dem [in der zu Chând. 5, 11-18 parallelen Stelle des Agnirahasyam vorkommenden] Worte »Feuer«, wenn es heisst: »dieses ist das Feuer Vaiçvânara« (Çatap. br. 10, 6, 1, 11.) Der Zusatz »u.s.w.« [im Sûtram] bezieht sich auf die Ausdeutung der drei Opferfeuer, des Gârhapatyafeuers als des Herzens u.s.w. [des Vaiçvânara, siehe Chând. 5, 18, 2], so wie auch auf die [nicht dem höchsten Âtman, sondern] dem Leben darzubringenden Spenden, wie sie von den Worten an: »das Erste, Beste, was gegessen wird, das ist gleich als ein Opfer« (Chând. 5, 19, 1) das Thema[122] der Stelle bilden. Aus diesen Gründen also muss man unter dem Vaiçvânara das Verdauungsfeuer verstehen; und hierzu kommt noch die »Einwohnung«, deren die Schrift gedenkt, wenn sie sagt: »wer es als dem Menschen einwohnend weiss« (Çatap. br. 10, 6, 1, 11); auch diese passt zu der Annahme, dass das Verdauungsfeuer | gemeint sei. Wenn aber behauptet wurde, dass wegen der Bestimmung »sein Haupt ist Wohlkräftigkeit«, der Vaiçvânara der höchste Âtman sein müsse, so fragen wir, woher die Zuversicht der Forschung stammt, mit der man, wo doch Merkmale für beide Annahmen vorliegen, nur an dasjenige Merkmal sich hält, welches für den höchsten Gott, und nicht an dasjenige, welches für das Verdauungsfeuer spricht? – Oder auch, es könnte hier eine Bezeichnung des ausserhalb und innerhalb [des Menschen, vgl. Chând. 6, 7, 6] bestehenden Elementes des Feuers vorliegen; denn auch von ihm lässt sich die Verbindung mit der Himmelswelt u.s.w. begreifen nach dem Verse (Ṛigv. 10, 88, 3):


»Der durch sein Glänzen ausgebreitet hat

Die Erde drunten und den Himmel droben,

Die beiden Ufer und was zwischen ihnen.«


– Oder auch, man kann annehmen, dass die Bezeichnung der Himmelswelt u.s.w. als die Glieder auf die Gottheit [Agni] sich bezieht, welche dieselben vermöge ihrer Gottherrlichkeit zum Leibe hat. Somit ist unter dem Vaiçvânara nicht der höchste Gott zu verstehen.‹

Darauf antworten wir: »O nein! weil so Aufzeigung in der Anschauung«; d.h.: es geht nicht an, aus den angeführten Gründen, »wegen des Wortes« u.s.w., den höchsten Gott hier abzulehnen; warum? »weil so«, d.h. indem man das Verdauungsfeuer als [zunächst] gemeint gelten lässt, »Aufzeigung in der Anschauung« stattfindet; nämlich der höchste Gott wird hier in der Anschauung [symbolisch] als das Verdauungsfeuer Vaiçvânara aufgezeigt, ähnlich wie in der Stelle (Chând. 3, 18, 1) »das Manas soll man verehren als das Brahman« [Manas u.s.w. Symbole des Brahman sind]. Oder auch man kann annehmen, dass der Upâdhi des Verdauungsfeuers Vaiçvânara hier dem höchsten Gotte zu seiner Veranschaulichung beigelegt wird; ähnlich wie es [sich nicht um Symbole sondern um Upâdhi's des Brahman handelt, wenn es] z.B. heisst: »Manas ist sein Stoff, Odem sein Leib, Licht seine Gestalt« (Chând. 3, 14, 2.) | Hierzu kommt weiter, dass »sonst«, d.h. wenn hier der höchste Gott nicht gemeint wäre, mithin das Verdauungsfeuer schlechtweg verstanden werden müsste, in der Bestimmung »sein Haupt ist Wohlkräftigkeit« u.s.w. eine »Unmöglichkeit« liegen würde. Dass übrigens diese Bestimmung ebensowenig mit der Annahme, dass hier die Gottheit [Agni] oder[123] das Element des Feuers gemeint sei, sich in Einklang bringen lässt, das werden wir im nächsten Sûtram zeigen. Endlich könnte, wenn das blosse Verdauungsfeuer gemeint wäre, von demselben nur gesagt werden, dass es dem Menschen einwohne, nicht aber, dass es selbst Mensch (purusha) sei. Nun aber »lesen sie ja von ihm als einem Menschen«; nämlich die Schule der Vâjasaneyin's liest [an der parallelen Stelle des Çatapatha-brâhmaṇam]: »dieses Feuer Vaiçvânara ist das, was der Mensch ist; wer also dieses Feuer Vaiçvânara als Menschen, als menschenartig dem Menschen innerlich einwohnend weiss« u.s.w. (Çatap. br. 10, 6, 1, 11.) Dies passt nicht auf das Verdauungsfeuer. Auf den höchsten Gott aber passt, weil er die Seele von allem ist, beides, dass er Mensch sei, und dass er dem Menschen einwohne. – Diejenigen hingegen, welche in unserm Sûtram die Lesart haben: purushavidham api ca enam adhîyate, »ja, sie lesen ja auch von ihm als einem Menschenartigen«, müssen dies folgendermassen erklären. Wenn man das blosse Verdauungsfeuer versteht, so könnte nur von ihm gesagt sein, dass es dem Menschen einwohne, nicht aber, dass es selber menschenartig sei. Nun aber lesen die Vâjasaneyin's ja auch von ihm als einem Menschenartigen, denn es heisst, wer es, »als menschenartig dem Menschen innerlich einwohnend weiss« (Çatap. br. 10, 6, 1, 11.) Dass der Vaiçvânara aber »menschenartig« heisst, beruht auf dem Vorhergehenden, wo er geschildert wird in kosmologischer Hinsicht von dem Himmel als seinem Haupte an bis herab zu der Erde als dem, wodurch er steht (Çatap. br. 10, 6, 1, 4-9), und in psychologischer Hinsicht von dem gewöhnlichen [Kopfe] als seinem Haupte an [lies: prasiddha-mûrdhatva-âdi] bis herab zu dem Kinne als dem, wodurch er steht (Çatap. br. 10, 6, 1, 11.) Dieses wird [in seiner Bezeichnung als »menschenartig«] zusammengefasst.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 122-124.
Lizenz:
Kategorien: