|
[680] 306
Wer Falsches aussagt steigt hinab zur Hölle,
Und wer getan als ungetan verleugnet;
Sie beide sind gleichwertig nach dem Tode,
Elende Menschen werden sie im neuen Dasein.
307
Gar mancher trägt das Mönchgewand
Und ist ein Schurke, ist ein Lump;
Die Schlechten steigen selbst hinab
Durch schlechtes Tun zu schlechtem Sein.
308
Weit besser eine Stahlkugel
Verschlingen, die rotglühend ist,
Denn milde Speisung nehmen an
Als schlechter, sittenloser Mönch.
Vier Dingen fällt anheim ein Weiberjäger,
Der Frauen andrer zu verführen trachtet:
Unrechtem Tuen, unerquicktem Schlafe,
Dem Tadel und zuletzt dem Höllenwege.
Unrecht begeht man und man mehrt die Sündenlast,
Des ängstlich still versteckten Paares Lust ist kurz,
Der König läßt verhängen schwere Strafe;
So jage denn ein Mann nicht Weiber andrer.
[681] 311
Gleichwie durch scharfes Rispengras
Die blöde Hand zerschnitten wird,
So zerrt zum Höllenweg hinab
Mißleitetes Asketentum.
312
Was taugen Taten, lässig, lau,
Gelübde, listig abgelegt?
Asketentum in Säumigkeit
Hat karge Süße, kargen Lohn.
313
Die Pflicht erfülle, unverzagt
Vollbringe, was der Orden heischt;
Ein listig schlau-verschlagner Mönch
Bestäubt sich immer mehr und mehr.
314
Nicht auszuführen böse Tat
Ist besser: später reut es uns;
Wohl auszuführen gute Tat
Ist besser: denn sie reuet nicht.
315
Wie steile Burg im Grenzgebiet
Bewacht wird innen, außen stets,
So hüte du dein eignes Herz
Beharrlich jeden Augenblick:
Wer oft nur einen Augenblick
Verpaßt, erholt sich Höllenpein.
316
Die Menschen, die Schamfreies schämt
Und nicht beschämt, was schamvoll ist,
Verkehrter Lehre zugetan
Beschreiten sie den schlechten Weg.
[682] 317
Die Menschen, die Furchtloses schreckt
Und Fürchterliches nicht ergreift,
Verkehrter Lehre zugetan
Beschreiten sie den schlechten Weg.
Die Tadelloses tadlig sehn
Und Tadliges untadelig,
Verkehrter Lehre zugetan
Beschreiten sie den schlechten Weg.
Die Tadliges als Tadel sehn
Und Untadliges tadelfrei,
Der rechten Lehre zugetan
Beschreiten sie den guten Weg.
Buchempfehlung
In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.
38 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro