[555] Die Mutter:
O daß du, Vaḍḍho, nimmer doch
Verlangen kenntest, weltbetört,
O daß du nimmer, teures Kind,
Erkürtest Leid um Leiden dir!
205
Gar süß, o Vaḍḍho, weilen sie,
Die Weisen, selig unbewegt:
Sie wanken nimmer, dürsten nicht,
Geduldig, sicher, wahnversiegt.
206
Den Weg, den sie gegangen sind
Um glaues Glück, die Seher dort:
Um alles Weh' zu tilgen aus,
O Vaḍḍho, wähle jenen Gang!
Vaḍḍho:
Erfahren bist du, redest recht,
O Mutter, die mir also rät!
Ich merk' es wohl, o Teure du:
Du kennst Verlangen nimmermehr.
[556] Die Mutter:
208
Was irgend icht erscheinen mag
Als böse, gut, als mittelbar:
Auch noch so winzig, noch so fein
Erkenn' ich kein Verlangen mehr.
209
Versiegt ist was da Wähnen war
In ernstem Eifer, zäher Zucht,
Errungen dreifach Wissen rein,
Vollendet was der Meister will.
210
Erhaben, herrlich mahnte sie,
Gab Anstoß einst, die Mutter mein,
Zum höchsten Heile weisend hin
Den Sohn, aus Mitleid, Mitgefühl!
211
Ihr Wort, ich hab' es wohl gehört,
Was mir die Holde mild gesagt:
Beseligt von der Wahrheit Macht
Gewinnen mocht' ich sichern Hort.
212
Und unermüdlich mutbegabt,
Und kühn beharrlich Tag um Tag,
Von ihr entlassen, früh belehrt,
Erforscht' ich höchsten Friedenspfad.
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