Vergleichung des Schellingschen Prinzips
der Philosophie mit dem Fichteschen

[94] Als Grundcharakter des Fichteschen Prinzips ist aufgezeigt worden, daß Subjekt = Objekt aus dieser Identität heraustritt und sich zu derselben nicht mehr wiederherzustellen vermag, weil das Differente ins Kausalitätsverhältnis versetzt wurde. Das Prinzip der Identität wird nicht Prinzip des Systems; sowie das System sich zu bilden anfängt, wird die Identität aufgegeben. Das System selbst ist eine konsequente verständige Menge von Endlichkeiten, welche die ursprüngliche Identität nicht in den Fokus der Totalität, zur absoluten Selbstanschauung zusammenzugreifen vermag. Das Subjekt = Objekt macht sich daher zu einem subjektiven, und es gelingt ihm nicht, diese Subjektivität aufzuheben und sich objektiv zu setzen.

Das Prinzip der Identität ist absolutes Prinzip des ganzen Schellingschen Systems; Philosophie und System fallen zusammen; die Identität verliert sich nicht in den Teilen, noch weniger im Resultate.

Daß absolute Identität das Prinzip eines ganzen Systems sei, dazu ist notwendig, daß das Subjekt und Objekt beide als Subjekt-Objekt gesetzt werden. Die Identität hat sich im Fichteschen System nur zu einem subjektiven Subjekt-Objekt konstituiert. Dies bedarf zu seiner Ergänzung eines objektiven Subjekt-Objekts, so daß das Absolute sich in jedem der beiden darstellt, vollständig sich nur in beiden zusammen findet, als höchste Synthese in der Vernichtung beider, insofern sie entgegengesetzt sind, als ihr absoluter Indifferenzpunkt beide in sich schließt, beide gebiert und sich aus beiden gebiert.

Wenn die Aufhebung der Entzweiung als formale Aufgabe der Philosophie gesetzt wird, so kann die Vernunft die[94] Lösung der Aufgabe auf die Art versuchen, daß sie eins der Entgegengesetzten vernichtet und das andere zu einem Unendlichen steigert. Dies ist der Sache nach im Fichteschen System geschehen; allein die Entgegensetzung bleibt auf diese Art, denn dasjenige, was als Absolutes gesetzt wird, ist durchs andere bedingt, und so wie es besteht, besteht auch das andere. Um die Entzweiung aufzuheben, müssen beide Entgegengesetzte, Subjekt und Objekt aufgehoben werden; sie werden als Subjekt und Objekt aufgehoben, indem sie identisch gesetzt sind. In der absoluten Identität ist Subjekt und Objekt aufeinander bezogen und damit vernichtet; insofern ist für die Reflexion und das Wissen nichts vorhanden. So weit geht das Philosophieren überhaupt, das nicht zu einem System gelangen kann; es ist mit der negativen Seite befriedigt, die alles Endliche im Unendlichen versenkt; es könnte wohl auch wieder zum Wissen herauskommen, und es ist eine subjektive Zufälligkeit, ob das Bedürfnis eines Systems damit verbunden ist oder nicht. Ist aber diese negative Seite selbst Prinzip, so soll nicht zum Wissen herausgegangen werden, weil jedes Wissen von einer Seite zugleich in die Sphäre der Endlichkeit tritt. An diesem Anschauen des farblosen Lichts hält die Schwärmerei fest; eine Mannigfaltigkeit ist in ihr nur dadurch, daß sie das Mannigfaltige bekämpft. Der Schwärmerei fehlt das Bewußtsein über sich selbst, daß ihre Kontraktion bedingt ist durch eine Expansion; sie ist einseitig, weil sie selbst an einem Entgegengesetzten festhält und die absolute Identität zu einem Entgegengesetzten macht. In der absoluten Identität ist Subjekt und Objekt aufgehoben; aber weil sie in der absoluten Identität sind, bestehen sie zugleich, und dies Bestehen derselben ist es, was ein Wissen möglich macht, denn im Wissen ist zum Teil die Trennung beider gesetzt. Die trennende Tätigkeit ist das Reflektieren; sie hebt die Identität und das Absolute auf, insofern sie für sich betrachtet wird, und jede Erkenntnis würde schlechthin ein Irrtum sein, weil in ihr ein Trennen ist. Diese Seite, von welcher das Erkennen ein[95] Trennen und ihr Produkt ein Endliches ist, macht jedes Wissen zu einem Beschränkten und damit zu einer Falschheit; aber insofern jedes Wissen zugleich eine Identität ist, insofern gibt es keinen absoluten Irrtum. – So gut die Identität geltend gemacht wird, so gut muß die Trennung geltend gemacht werden. Insofern die Identität und die Trennung einander entgegengesetzt werden, sind beide absolut; und wenn die Identität dadurch festgehalten werden soll, daß die Entzweiung vernichtet wird, bleiben sie einander entgegengesetzt. Die Philosophie muß dem Trennen in Subjekt und Objekt sein Recht widerfahren lassen; aber indem sie es gleich absolut setzt mit der der Trennung entgegengesetzten Identität, hat sie es nur bedingt gesetzt, so wie eine solche Identität – die durch Vernichten der Entgegengesetzten bedingt ist – auch nur relativ ist. Das Absolute selbst aber ist darum die Identität der Identität und der Nichtidentität; Entgegensetzen und Einssein ist zugleich in ihm.

Indem die Philosophie trennt, kann sie die Getrennten nicht setzen, ohne sie im Absoluten zu setzen; denn sonst sind es rein Entgegengesetzte, die keinen anderen Charakter haben, als daß das eine nicht ist, insofern das andere ist. Diese Beziehung auf das Absolute ist nicht wieder ein Aufheben beider, denn somit wäre nicht getrennt, sondern sie sollen als Getrennte bleiben und diesen Charakter nicht verlieren, insofern sie im Absoluten oder das Absolute in ihnen gesetzt ist. Und zwar müssen beide im Absoluten gesetzt werden – welches Recht käme dem einen vor dem anderen zu? Nicht nur das gleiche Recht, sondern die gleiche Notwendigkeit findet bei beiden statt; denn würde nur eines aufs Absolute bezogen, das andere nicht, so wäre ihr Wesen ungleich gesetzt und die Vereinigung beider, also die Aufgabe der Philosophie, die Entzweiung aufzuheben, unmöglich. Fichte hat nur eins der Entgegengesetzten ins Absolute oder es als das Absolute gesetzt; das Recht und die Notwendigkeit liegt ihm im Selbstbewußtsein, denn nur dies ist ein Sich-selbst-Setzen, ein Subjekt = Objekt, und dies Selbstbewußtsein wird nicht[96] erst auf das Absolute als ein Höheres bezogen, sondern es ist selbst das Absolute, die absolute Identität. Sein höheres Recht, als das Absolute gesetzt zu werden, besteht eben darin, daß es sich selbst setzt, das Objekt hingegen nicht, welches allein durchs Bewußtsein gesetzt ist. Daß aber diese Stellung des Objekts nur eine zufällige ist, erhellt aus der Zufälligkeit des Subjekt-Objekts, insofern es als Selbstbewußtsein gesetzt ist; denn dies Subjekt-Objekt ist selbst ein Bedingtes. Sein Standpunkt ist darum nicht der höchste; es ist die Vernunft in einer beschränkten Form gesetzt, und nur vom Standpunkt dieser beschränkten Form aus erscheint das Objekt als ein nicht Sich-selbst-Bestimmendes, als ein absolut Bestimmtes. Es müssen daher beide in das Absolute oder das Absolute in beiden Formen gesetzt werden und zugleich beide als Getrennte bestehen; das Subjekt ist hiermit subjektives Subjekt-Objekt, – das Objekt objektives Subjekt-Objekt. Und weil nunmehr, da eine Zweiheit gesetzt ist, jedes der Entgegengesetzten ein sich selbst Entgegengesetztes ist und die Teilung ins Unendliche geht, so ist jeder Teil des Subjekts und jeder Teil des Objekts selbst im Absoluten, eine Identität des Subjekts und Objekts, – jedes Erkennen eine Wahrheit, so wie jeder Staub eine Organisation.

Nur indem das Objekt selbst ein Subjekt-Objekt ist, ist Ich = Ich das Absolute. Ich = Ich verwandelt sich nur dann nicht in: Ich soll gleich Ich sein, wenn das Objektive Ich selbst Subjekt = Objekt ist.

Indem das Subjekt sowohl als das Objekt ein Subjekt-Objekt sind, ist die Entgegensetzung des Subjekts und Objekts eine reelle Entgegensetzung; denn beide sind im Absoluten gesetzt und haben dadurch Realität. Die Realität Entgegengesetzter und reelle Entgegensetzung findet allein durch die Identität beider statt.2 Ist Objekt ein absolutes Objekt, so ist es ein[97] bloß Ideelles sowie die Entgegensetzung eine bloß ideelle. Dadurch, daß das Objekt nur ein ideales und nicht im Absoluten ist, wird auch das Subjekt ein bloß ideelles, und solche ideale Faktoren sind Ich als Sich-selbst-Setzen und Nicht-Ich als sich Entgegensetzen. Es hilft nichts, daß Ich lauter Leben und Agilität, das Tun und Handeln selbst ist, das Allerrealste, Unmittelbarste im Bewußtsein eines jeden; sowie es dem Objekt absolut entgegengesetzt wird, ist es kein Reales, sondern ein nur Gedachtes, ein reines Produkt der Reflexion, eine bloße Form des Erkennens. Und aus bloßen Reflexionsprodukten kann sich die Identität nicht als Totalität konstruieren, denn sie entstehen durch Abstraktion von der absoluten Identität, die sich gegen sie unmittelbar nur vernichtend, nicht konstruierend verhalten kann. Eben solche Reflexionsprodukte sind Unendlichkeit und Endlichkeit, Unbestimmtheit und Bestimmtheit usw. Vom Unendlichen gibt es keinen Übergang zum Endlichen, vom Unbestimmten keinen Übergang zum Bestimmten. Der Übergang, als die Synthese, wird eine Antinomie; eine Synthese des Endlichen und Unendlichen, des Bestimmten und Unbestimmten aber kann die Reflexion, das absolute Trennen, nicht zustande kommen lassen, und sie ist es, die hier das Gesetz gibt; sie hat das Recht, nur eine formale Einheit geltend zu machen, weil die Entzweiung in Unendliches und Endliches, welche ihr Werk ist, verstattet und aufgenommen wurde; die Vernunft aber synthesiert sie in der Antinomie und vernichtet sie dadurch. Wenn eine ideelle Entgegensetzung Werk der Reflexion ist, die von der absoluten Identität ganz abstrahiert, so ist dagegen eine reelle Entgegensetzung Werk der Vernunft, welche die Entgegengesetzten nicht bloß in der Form des Erkennens, sondern auch in der Form des Seins, Identität und Nichtidentität identisch setzt. Und eine solche[98] reelle Entgegensetzung allein ist die, in welcher Subjekt und Objekt beide als Subjekt-Objekt gesetzt werden, beide im Absoluten bestehend, in beiden das Absolute, also in beiden Realität. Deswegen ist auch nur in der reellen Entgegensetzung das Prinzip der Identität ein reelles Prinzip; ist die Entgegensetzung ideell und absolut, so bleibt die Identität ein bloß formales Prinzip, sie ist nur in einer der entgegengesetzten Formen gesetzt und kann sich nicht als Subjekt-Objekt geltend machen. Die Philosophie, deren Prinzip ein formales ist, wird selbst eine formelle Philosophie, wie denn Fichte auch irgendwo sagt, daß fürs Selbstbewußtsein Gottes – ein Bewußtsein, in welchem durch das Gesetztsein des Ich alles gesetzt wäre – sein System nur formale Richtigkeit hätte. Wenn hingegen die Materie, das Objekt, selbst ein Subjekt-Objekt ist, so kann die Trennung der Form und Materie wegfallen, und das System sowie sein Prinzip ist nicht mehr ein bloß formales, sondern formales und materiales zugleich; es ist durch die absolute Vernunft alles gesetzt. Nur in realer Entgegensetzung kann das Absolute sich in der Form des Subjekts oder Objekts setzen, das Subjekt in Objekt oder Objekt in Subjekt dem Wesen nach übergehen, – das Subjekt sich selbst objektiv werden, weil es ursprünglich objektiv oder weil das Objekt selbst Subjekt-Objekt ist, oder das Objekt subjektiv werden, weil es nur ursprünglich Subjekt-Objekt ist. Hierin besteht allein die wahre Identität, daß beide ein Subjekt-Objekt sind, und zugleich die wahre Entgegensetzung, deren sie fähig sind. Sind nicht beide Subjekt-Objekt, so ist die Entgegensetzung ideell und das Prinzip der Identität formal. Bei einer formalen Identität und einer ideellen Entgegensetzung ist keine andere als unvollständige Synthese möglich, d.h. die Identität, insofern sie die Entgegengesetzten synthesiert, ist selbst nur ein Quantum, und die Differenz ist qualitativ, nach Art der Kategorien, bei welchen die erste z.B. Realität in der dritten,[99] wie die zweite, nur quantitativ gesetzt ist. Umgekehrt aber, wenn die Entgegensetzung reell ist, ist sie nur quantitativ; das Prinzip ist ideel und reell zugleich, es ist die einzige Qualität, und das Absolute, das sich aus der quantitativen Differenz rekonstruiert, ist kein Quantum, sondern Totalität.

Um die wahre Identität des Subjekts und Objekts zu setzen, werden beide als Subjekt-Objekt gesetzt; und jedes für sich ist nunmehr fähig, der Gegenstand einer besonderen Wissenschaft zu sein. Jede dieser Wissenschaften fordert Abstraktion von dem Prinzip der anderen. Im System der Intelligenz sind die Objekte nichts an sich, die Natur hat nur ein Bestehen im Bewußtsein; es wird davon abstrahiert, daß das Objekt eine Natur und die Intelligenz als Bewußtsein da durch bedingt ist. Im System der Natur wird vergessen, daß die Natur ein Gewußtes ist; die idealen Bestimmungen, welche die Natur in der Wissenschaft erhält, sind zugleich in ihr immanent. Die gegenseitige Abstraktion ist aber nicht eine Einseitigkeit der Wissenschaften, nicht eine subjektive Abstraktion vom reellen Prinzip der ändern, welche zum Behuf des Wissens gemacht würde und auf einem höheren Standpunkt insofern verschwände, daß an sich betrachtet die Objekte des Bewußtseins, die im Idealismus nichts sind als Produkte des Bewußtseins, doch etwas absolut anderes wären und ein absolutes Bestehen außer dem Wesen des Bewußtseins hätten, – und dagegen die Natur, welche in ihrer Wissenschaft als sich selbst bestimmend und in sich selbst ideell gesetzt wird, an sich betrachtet nur Objekt und alle Identität, die die Vernunft in ihr erkennt, nur eine ihr vom Wissen geliehene Form wäre. Es wird nicht vom inneren Prinzip, sondern nur von der eigentümlichen Form der anderen Wissenschaft abstrahiert, um jede rein, d.h. die innere Identität beider zu erhalten; und die Abstraktion vom Eigentümlichen der anderen ist eine Abstraktion von der Einseitigkeit. Natur und Selbstbewußtsein sind an sich so, wie sie in der eigenen Wissenschaft einer jeden von der[100] Spekulation gesetzt werden; sie sind deswegen so an sich selbst, weil es die Vernunft ist, die sie setzt, und die Vernunft setzt sie als Subjekt-Objekt, also als das Absolute, – und das einzige Ansich ist das Absolute. Sie setzt sie als Subjekt-Objekt, weil sie es selbst ist, die sich als Natur und als Intelligenz produziert und sich in ihnen erkennt.

Um der wahren Identität willen, in welche Subjekt und Objekt gesetzt, nämlich indem beide Subjekt-Objekt sind, und weil ihre Entgegensetzung daher eine reelle, also eins ins andere überzugehen fähig ist, ist der verschiedene Standpunkt beider Wissenschaften kein widersprechender. Wäre Subjekt und Objekt absolut entgegengesetzt, nur eins das Subjekt-Objekt, dann könnten die beiden Wissenschaften nicht nebeneinander in gleicher Würde bestehen; nur der eine Standpunkt würde der vernünftige sein. Beide Wissenschaften sind ganz allein dadurch möglich, daß in beiden ein und ebendasselbe in den notwendigen Formen seiner Existenz konstruiert wird. Beide Wissenschaften scheinen sich zu widersprechen, weil in jeder das Absolute in einer entgegengesetzten Form gesetzt ist. Ihr Widerspruch hebt sich aber nicht dadurch auf, daß nur eine derselben als die einzige Wissenschaft behauptet und von ihrem Standpunkt aus die andere vernichtet wird; der höhere Standpunkt, der die Einseitigkeit beider Wissenschaften in Wahrheit aufhebt, ist derjenige, der in beiden ebendasselbe Absolute erkennt. Die Wissenschaft vom subjektiven Subjekt-Objekt hat bisher Transzendentalphilosophie geheißen; die vom objektiven Subjekt-Objekt Naturphilosophie. Insofern sie einander entgegengesetzt sind, ist in jener das Subjektive das Erste, in dieser das Objektive. In beiden ist das Subjektive und Objektive ins Substantialitätsverhältnis gesetzt; in der Transzendentalphilosophie ist das Subjekt als Intelligenz die absolute Substanz, und die Natur ist Objekt, ein Akzidens, – in der Naturphilosophie ist die Natur die absolute Substanz, und das Subjekt, die Intelligenz, nur ein Akzidens. Der höhere Standpunkt ist nun weder ein solcher, in welchem die[101] eine oder die andere Wissenschaft aufgehoben und entweder nur das Subjekt oder nur das Objekt als Absolutes behauptet wird, noch auch ein solcher, in welchem beide Wissenschaften vermengt werden.

Was das Vermengen betrifft, so gibt das der Naturwissenschaft Angehörige, in das System der Intelligenz gemischt, die transzendenten Hypothesen, die durch einen falschen Schein der Vereinigung des Bewußtseins und des Bewußtlosen blendend werden können; sie geben sich für natürlich aus und überfliegen auch wirklich das Palpable nicht, wie die Fiberntheorie des Bewußtseins; dagegen gibt das Intelligente als solches, in die Naturlehre gemischt, die hyperphysischen, besonders teleologischen Erklärungen. Beide Mißgriffe des Vermengens gehen von der Tendenz des Erklärens aus, zu dessen Behuf Intelligenz und Natur ins Kausalitätsverhältnis, das eine als Grund, das andere als Begründetes gesetzt werden, wodurch aber nur die Entgegensetzung als absolut fixiert und durch den Schein einer solchen formalen Identität, wie die Kausalidentität ist, der Weg zur absoluten Vereinigung völlig abgeschnitten wird.

Der andere Standpunkt, wodurch das Widersprechende beider Wissenschaften sollte aufgehoben werden, wäre derjenige, welcher eine oder die andere Wissenschaft nicht als eine Wissenschaft des Absoluten gelten läßt. Der Dualismus kann der Wissenschaft der Intelligenz sehr gut folgen und die Dinge doch noch als eigene Wesen gelten lassen; er kann zu diesem Behuf die Naturwissenschaft als ein solches System vom eigenen Wesen der Dinge nehmen; jede [Wissenschaft] gälte ihm, soviel sie will; sie haben friedlich nebeneinander Platz. Aber damit würde das Wesen beider Wissenschaften, Wissenschaften des Absoluten zu sein, übersehen, denn das Absolute ist kein Nebeneinander.

Oder es gibt noch einen Standpunkt, auf welchem die eine oder die andere Wissenschaft nicht als eine Wissenschaft des Absoluten gälte, nämlich derjenige, auf welchem das Prinzip der einen als im Absoluten oder das Absolute in der[102] Erscheinung dieses Prinzips gesetzt aufgehoben würde. Der merkwürdigste Standpunkt ist in dieser Rücksicht der Standpunkt des gewöhnlich so genannten transzendentalen Idealismus; es wurde behauptet, daß diese Wissenschaft des subjektiven Subjekt-Objekts selbst eine der integrierenden Wissenschaften der Philosophie, aber auch nur die eine ist. Es ist die Einseitigkeit dieser Wissenschaft, wenn sie sich als die Wissenschaft kat' exochên behauptet, und die Gestalt, welche die Natur von ihr aus hat, aufgezeigt worden. Hier kommt noch die Form in Betrachtung, welche die Wissenschaft der Natur erhält, wenn sie von diesem Standpunkt aus erbaut wird.

Kant anerkennt eine Natur, indem er das Objekt als ein (durch den Verstand) Unbestimmtes setzt, und stellt die Natur als ein Subjekt-Objekt dar, indem er das Naturprodukt als Naturzweck betrachtet, zweckmäßig ohne Zweckbegriff, notwendig ohne Mechanismus, Begriff und Sein identisch. Zugleich aber soll diese Ansicht der Natur nur teleologisch, d.h. nur als Maxime unseres eingeschränkten, diskursiv denkenden, menschlichen Verstandes gelten, in dessen allgemeinen Begriffen die besonderen Erscheinungen der Natur nicht enthalten seien; durch diese menschliche Betrachtungsart soll über die Realität der Natur nichts ausgesagt sein; die Betrachtungsart bleibt also ein durchaus Subjektives und die Natur ein rein Objektives, ein bloß Gedachtes. Die Synthese der durch den Verstand bestimmten und zugleich unbestimmten Natur in einem sinnlichen Verstande soll zwar eine bloße Idee bleiben; es soll für uns Menschen zwar unmöglich sein, daß die Erklärung auf dem Wege des Mechanismus mit der Zweckmäßigkeit zusammentreffe. Diese höchst untergeordneten und unvernünftigen kritischen Ansichten erheben sich, wenn sie gleich menschliche und absolute Vernunft einander schlechthin entgegensetzen, doch zur Idee eines sinnlichen Verstandes, d.h. der Vernunft; es soll doch an sich, das hieße in der Vernunft, nicht unmöglich sein, daß Naturmechanismus und Naturzweckmäßigkeit[103] zusammentreffen. Kant hat aber den Unterschied eines an sich Möglichen und eines Reellen nicht fallenlassen, noch die notwendige höchste Idee eines sinnlichen Verstandes zur Realität erhoben, und deswegen ist ihm in seiner Naturwissenschaft teils überhaupt die Einsicht in die Möglichkeit der Grundkräfte ein Unmögliches, teils kann eine solche Naturwissenschaft, für welche die Natur eine Materie, d. i. absolut Entgegengesetztes, sich nicht selbst Bestimmendes [ist], nur eine Mechanik konstruieren. Mit der Armut von Anziehungs- und Zurückstoßungskräften hat sie die Materie schon zu reich gemacht; denn die Kraft ist ein Inneres, das ein Äußeres produziert, ein Sich-selbst-Setzen = Ich, und ein solches kann, vom rein idealistischen Standpunkt aus, der Materie nicht zukommen. Er begreift die Materie bloß als das Objektive, das dem Ich Entgegengesetzte; jene Kräfte sind für ihn nicht nur überflüssig, sondern entweder rein ideell, und dann sind es keine Kräfte, oder transzendent. Es bleibt für ihn keine dynamische, sondern nur eine mathematische Konstruktion der Erscheinungen. Die Durchführung der Erscheinungen, die gegeben sein müssen, durch die Kategorien kann wohl mancherlei richtige Begriffe, aber für die Erscheinungen keine Notwendigkeit geben, und die Kette der Notwendigkeit ist das Formale des Wissenschaftlichen der Konstruktion, Die Begriffe bleiben ein der Natur, so wie die Natur ein den Begriffen Zufälliges. Richtig konstruierte Synthesen durch Kategorien hätten darum nicht notwendig ihre Belege in der Natur selbst; die Natur kann nur mannigfaltige Spiele darbieten, welche als zufällige Schemate für Verstandesgesetze gelten könnten, – Beispiele, deren Eigentümliches und Lebendiges gerade insofern wegfiele, als die Reflexionsbestimmungen allein in ihnen erkannt werden. Umgekehrt sind die Kategorien nur dürftige Schemate der Natur.[104]

Wenn die Natur nur Materie, nicht Subjekt-Objekt ist, bleibt keine solche wissenschaftliche Konstruktion derselben möglich, für welche Erkennendes und Erkanntes eins sein muß. Eine Vernunft, welche sich durch absolute Entgegensetzung gegen das Objekt zur Reflexion gemacht hat, kann a priori von der Natur, nur durch Deduktion, mehr aussagen als ihren allgemeinen Charakter der Materie; dieser bleibt zugrunde liegen, die mannigfaltigen weiteren Bestimmungen sind für und durch die Reflexion gesetzt. Eine solche Deduktion hat Schein einer Apriorität daher, daß sie das Reflexionsprodukt, den Begriff, als ein Objektives setzt; weil sie weiter nichts setzt, bleibt sie freilich immanent. Eine solche Deduktion ist ihrem Wesen nach dasselbe mit jener Ansicht, die in der Natur nur äußere Zweckmäßigkeit anerkennt. Der Unterschied ist allein, daß jene systematischer von einem bestimmten Punkte, z.B. dem Leib des Vernunftwesens ausgeht; in beiden ist die Natur ein absolut von dem Begriff – einem ihr Fremden – Bestimmtes. Die teleologische Ansicht, welche die Natur nur [als] nach äußeren Zwecken bestimmt anerkennt, hat in Rücksicht der Vollständigkeit einen Vorzug, da sie die Mannigfaltigkeit der Natur, wie sie empirisch gegeben ist, aufnimmt. Die Deduktion der Natur hingegen, die von einem bestimmten Punkt ausgeht und wegen der Unvollständigkeit desselben noch Weiteres postuliert – worin dies Deduzieren besteht –, ist mit dem Postulierten unmittelbar befriedigt, welches unmittelbar so viel leisten soll, als der Begriff fordert. Ob ein wirkliches Objekt der Natur das Geforderte allein zu leisten vermöge, geht sie nichts an, und sie kann dies nur durch Erfahrung finden; findet sich das unmittelbar postulierte Objekt in der Natur nicht hinreichend, so wird ein anderes deduziert usf., bis der Zweck sich erfüllt findet. Die Ordnung dieser deduzierten Objekte hängt von den bestimmten Zwecken ab, von denen ausgegangen wird; und nur soweit, als sie in Rücksicht auf diesen Zweck eine Beziehung haben, haben sie Zusammenhang unter sich. Eigentlich aber sind sie[105] keines inneren Zusammenhangs fähig; denn wenn das Objekt, das unmittelbar deduziert wurde, in der Erfahrung für unzureichend zu dem Begriff, der erfüllt werden soll, gefunden wird, so ist durch ein solches einziges Objekt, weil es äußerlich unendlich bestimmbar ist, die Zerstreuung in die Unendlichkeit aufgetan – eine Zerstreuung, die etwa nur dadurch vermieden würde, daß die Deduktion ihre mannigfaltigen Punkte zu einem Kreise drehte, in dessen inneren Mittelpunkt sie aber sich zu stellen nicht fähig ist, weil sie von Anfang an im Äußeren ist. Für den Begriff ist das Objekt, für das Objekt der Begriff ein Äußeres.

Keine der beiden Wissenschaften kann sich also als die einzige konstituieren, keine die andere aufheben. Das Absolute würde hierdurch nur in einer Form seiner Existenz gesetzt, und so wie es in der Form der Existenz sich setzt, muß es sich in einer Zweiheit der Form setzen; denn Erscheinen und Sich-Entzweien ist eins.

Wegen der inneren Identität beider Wissenschaften – da beide das Absolute darstellen, wie es sich aus den niedrigen Potenzen einer Form der Erscheinung zur Totalität in dieser Form gebiert –, ist jede Wissenschaft ihrem Zusammenhange und ihrer Stufenfolge nach der anderen gleich. Eine ist ein Beleg der anderen; wie ein älterer Philosoph davon ungefähr so gesprochen hat: die Ordnung und der Zusammenhang der Ideen (des Subjektiven) ist derselbe als der Zusammenhang und die Ordnung der Dinge (des Objektiven), Alles ist nur in einer Totalität; die objektive Totalität und die subjektive Totalität, das System der Natur und das System der Intelligenz ist eines und ebendasselbe; einer subjektiven Bestimmtheit korrespondiert ebendieselbe objektive Bestimmtheit.

Als Wissenschaften sind sie objektive Totalitäten und gehen von Beschränktem zu Beschränktem fort. Jedes Beschränkte ist aber selbst im Absoluten, also innerlich ein Unbeschränktes;[106] seine äußere Beschränkung verliert es dadurch, daß es im systematischen Zusammenhange in der objektiven Totalität gesetzt ist; in dieser hat es auch als ein Beschränktes Wahrheit, und Bestimmung seiner Stelle ist das Wissen von ihm. – Zu Jacobis Ausdruck, daß die Systeme ein organisiertes Nichtwissen seien, muß nur hinzugefügt werden, daß das Nichtwissen – das Erkennen Einzelner – dadurch, daß es organisiert wird, ein Wissen wird.

Außer der äußeren Gleichheit, insofern diese Wissenschaften abgesondert stehen, durchdringen ihre Prinzipien sich zugleich notwendig unmittelbar. Wenn das Prinzip der einen das subjektive Subjekt-Objekt, das andere das objektive Subjekt-Objekt ist, so ist ja im System der Subjektivität zugleich das Objektive, im System der Objektivität zugleich das Subjektive, – die Natur so gut eine immanente Idealität als die Intelligenz eine immanente Realität. Beide Pole des Erkennens und des Seins sind in jedem, beide haben also auch den Indifferenzpunkt in sich; nur ist in dem einen System der Pol des Ideellen, in dem ändernder Pol des Reellen überwiegend. Jener kommt in der Natur nicht bis zum Punkt der absoluten Abstraktion, die sich gegen die unendliche Expansion als Punkt in sich selbst setzt, wie das Ideelle sich in der Vernunft konstruiert; dieser kommt in der Intelligenz nicht bis zur Einwicklung des Unendlichen, das in dieser Kontraktion sich unendlich außer sich setzt, wie das Reelle sich in der Materie konstruiert.

Jedes System ist ein System der Freiheit und der Notwendigkeit zugleich. Freiheit und Notwendigkeit sind ideelle Faktoren, also nicht in reeller Entgegensetzung; das Absolute kann sich daher in keiner von beiden Formen als Absolutes setzen, und die Wissenschaften der Philosophie können nicht die eine ein System der Freiheit, die andere ein System der Notwendigkeit sein. Eine solche getrennte Freiheit wäre eine formale Freiheit, so wie eine getrennte Notwendigkeit[107] eine formale Notwendigkeit. Freiheit ist Charakter des Absoluten, wenn es gesetzt wird als ein Inneres, das, insofern es sich in eine beschränkte Form, in bestimmte Punkte der objektiven Totalität setzt, bleibt, was es ist, ein nicht Beschränktes, wenn es also in Entgegensetzung mit seinem Sein, d. h. als Inneres betrachtet wird, demnach mit der Möglichkeit, es zu verlassen und in eine andere Erscheinung überzugehen. Notwendigkeit ist Charakter des Absoluten, insofern es betrachtet wird als ein Äußeres, als eine objektive Totalität, also als ein Außereinander, dessen Teilen aber kein Sein zukommt, außer in dem Ganzen der Objektivität. Weil Intelligenz sowohl als die Natur dadurch, daß sie im Absoluten gesetzt sind, eine reelle Entgegensetzung haben, kommen die ideellen Faktoren der Freiheit und Notwendigkeit einer jeden zu. Aber der Schein der Freiheit, die Willkür, d.h. eine Freiheit, in welcher ganz von der Notwendigkeit oder von der Freiheit als einer Totalität abstrahiert würde – was nur geschehen kann, insofern die Freiheit schon innerhalb einer einzelnen Sphäre gesetzt ist –, sowie der der Willkür für die Notwendigkeit entsprechende Zufall, mit welchem einzelne Teile gesetzt sind, als ob sie nicht in der objektiven Totalität und durch sie allein, sondern für sich wären, – Willkür und Zufall, die nur auf untergeordneteren Standpunkten Raum haben, sind aus dem Begriff der Wissenschaften des Absoluten verbannt. Hingegen Notwendigkeit gehört der Intelligenz an wie der Natur. Denn da die Intelligenz im Absoluten gesetzt ist, so kommt ihr gleichfalls die Form des Seins zu; sie muß sich entzweien und erscheinen; sie ist eine vollendete Organisation von Erkennen und Anschauen. Jede ihrer Gestalten ist durch entgegengesetzte bedingt, und wenn die abstrakte Identität der Gestalten als Freiheit von den Gestalten selbst isoliert wird, so ist sie nur ein ideeller Pol des Indifferenzpunktes der Intelligenz, der eine objektive Totalität als den anderen immanenten Pol hat. Die Natur dagegen hat Freiheit, denn sie ist nicht ein ruhendes Sein, sondern zugleich[108] ein Werden, – ein Sein, das nicht von außen entzweit und synthesiert wird, sondern sich in sich selbst trennt und vereint und in keiner ihrer Gestalten sich als ein bloß Beschränktes, sondern als das Ganze freisetzt. Ihre bewußtlose Entwicklung ist eine Reflexion der lebendigen Kraft, die sich endlos entzweit, aber in jeder beschränkten Gestalt sich selbst setzt und identisch ist; und insofern ist keine Gestalt der Natur beschränkt, sondern frei.

Wenn daher die Wissenschaft der Natur überhaupt der theoretische Teil, die Wissenschaft der Intelligenz der praktische Teil der Philosophie ist, so hat zugleich jede wieder für sich einen eigenen theoretischen und praktischen Teil. Wie in dem System der Natur die Identität in der Potenz des Lichts, der schweren Materie nicht an sich, sondern als Potenz ein Fremdes ist, das sie zur Kohäsion entzweit und eint und ein System der anorganischen Natur produziert, so ist für die in objektiven Anschauungen sich produzierende Intelligenz die Identität in der Potenz des Sich-selbst-Setzens ein nicht Vorhandenes, – die Identität erkennt nicht sich selbst in der Anschauung; beides ist ein nicht auf ihr Handeln reflektierendes Produzieren der Identität, also Gegenstand eines theoretischen Teils. Ebenso hingegen wie im Willen die Intelligenz sich erkennt und sich als sich selbst in die Objektivität hineinsetzt, ihre bewußtlos produzierten Anschauungen vernichtet, so wird die Natur in der organischen Natur praktisch, indem das Licht zu seinem Produkte tritt und ein Inneres wird. Wenn es in der anorganischen Natur den Kontraktionspunkt nach außen in die Kristallisation als eine äußere Idealität setzt, so bildet das Licht in der organischen Natur sich als Inneres zur Kontraktion des Gehirns, schon in der Pflanze als Blume, in welcher das innere Lichtprinzip in Farben sich zerstreut und in ihnen schnell hinwelkt; aber in ihr, so wie fester im Tier, setzt es sich durch die Polarität der Geschlechter subjektiv und objektiv zugleich; das Individuum sucht und findet sich selbst in einem anderen. Intensiver im Inneren bleibt das Licht im[109] Tier, in welchem es als mehr oder weniger veränderliche Stimme seine Individualität als ein Subjektives in allgemeiner Mitteilung, [als] sich erkennend und anzuerkennend setzt, indem die Naturwissenschaft die Identität, wie sie die Momente der anorganischen Natur von innen heraus rekonstruiert, darstellt, hat sie in sich einen praktischen Teil. Der rekonstruierte, praktische Magnetismus ist die Aufhebung der nach außen sich in Pole expandierenden Schwerkraft, ihre Rekontraktion in den Punkt der Indifferenz des Gehirns und ihr Versetzen der zwei Pole nach innen, als zweier Indifferenzpunkte, wie sie die Natur auch in den elliptischen Bahnen der Planeten aufstellt; die von innen rekonstruierte Elektrizität setzt die Geschlechterdifferenz der Organisationen, deren jede durch sich selbst die Differenz produziert, um ihres Mangels willen sich ideell setzt, in einer anderen sich objektiv findet und die Identität durch Zusammenfließen mit ihr sich geben muß. Die Natur, insofern sie durch chemischen Prozeß praktisch wird, hat das Dritte, die Differenten Vermittelnde, in sie selbst als ein Inneres zurückgelegt, welches als Ton, ein inneres sich selbst produzierendes Klingen, wie der dritte Körper des anorganischen Prozesses ein Potenzloses ist und vergeht, die absolute Substantialltät der differenten Wesen auslöscht und sie zur Indifferenz des gegenseitigen Sich-Anerkennens bringt, eines idealen Setzens, das nicht wieder wie das Geschlechtsverhältnis in einer reellen Identität erstirbt.

Wir haben bisher beide Wissenschaften bei ihrer inneren Identität einander entgegengesetzt; in der einen ist das Absolute ein Subjektives in der Form des Erkennens, in der anderen ein Objektives in der Form des Seins. Sein und Erkennen werden dadurch ideelle Faktoren oder Formen, daß sie einander entgegengesetzt sind; in beiden Wissenschaften ist beides, aber in der einen ist Erkennen die Materie und Sein die Form, in der anderen ist Sein die Materie, Erkennen die Form. Weil das Absolute in beiden dasselbe ist und die Wissenschaften nicht bloß die Entgegengesetzten als Formen,[110] sondern insofern das Subjekt-Objekt sich in ihnen setzt, darstellen, so sind die Wissenschaften selbst nicht in ideeller, sondern in reeller Entgegensetzung, und deswegen müssen sie zugleich in einer Kontinuität, als eine zusammenhängende Wissenschaft betrachtet werden. Insofern sie sich entgegengesetzt sind, sind sie zwar innerlich in sich beschlossen und Totalitäten, aber zugleich nur relative, und als solche streben sie nach dem Indifferenzpunkt; als Identität und als relative Totalität liegt er überall in ihnen selbst, als absolute Totalität außer ihnen. Insofern aber beide Wissenschaften des Absoluten und ihre Entgegensetzung eine reelle ist, hängen sie als Pole der Indifferenz in dieser selbst zusammen; sie selbst sind die Linien, welche den Pol mit dem Mittelpunkt verknüpfen. Aber dieser Mittelpunkt ist selbst ein gedoppelter, einmal Identität, das andere Mal Totalität, und insofern erscheinen beide Wissenschaften als der Fortgang der Entwicklung oder Selbstkonstruktion der Identität zur Totalität. Der Indifferenzpunkt, nach welchem die beiden Wissenschaften, insofern sie, von selten ihrer ideellen Faktoren betrachtet, entgegengesetzt sind, streben, ist das Ganze, als eine Selbstkonstruktion des Absoluten vorgestellt, das Letzte und Höchste derselben. Das Mittlere, der Punkt des Obergangs von der sich als Natur konstruierenden Identität zu ihrer Konstruktion als Intelligenz, ist das Innerlichwerden des Lichts der Natur, – der, wie Schelling sagt, einschlagende Blitz des Ideellen in das Reelle und sein Sich-selbst-Konstituieren als Punkt. Dieser Punkt, als Vernunft der Wendepunkt beider Wissenschaften, ist die höchste Spitze der Pyramide der Natur, ihr letztes Produkt, bei dem sie, sich vollendend, ankommt; aber als Punkt muß er sich gleichfalls in eine Natur expandieren. Wenn die Wissenschaft in ihn als Mittelpunkt sich gestellt und von ihm sich in zwei Teile geteilt hat und der einen Seite das bewußtlose Produzieren,[111] der anderen das bewußte anweist, so weiß sie zugleich, daß die Intelligenz, als ein reeller Faktor, zugleich die ganze Selbstkonstruktion der Natur auf der ändern Seite mit sich herübernimmt und das Vorhergehende oder ihr zur Seite Stehende in sich hat, sowie, daß in der Natur, als einem reellen Faktor, das in der Wissenschaft ihr Entgegenstehende gleichfalls immanent ist. Und hiermit ist alle Idealität der Faktoren und ihre einseitige Form aufgehoben; dies ist der einzige höhere Standpunkt, auf welchem beide Wissenschaften ineinander verloren sind, indem ihre Trennung nur als ein Wissenschaftliches und die Idealität der Faktoren nur als ein zu diesem Behuf Gesetztes anerkannt ist. Diese Ansicht ist unmittelbar nur negativ, nur die Aufhebung der Trennung beider Wissenschaften und der Formen, in welchen sich das Absolute gesetzt hat, nicht eine reelle Synthese, nicht der absolute Indifferenzpunkt, in welchem diese Formen dadurch vernichtet sind, daß sie vereinigt beide bestehen. Die ursprüngliche Identität, welche ihre bewußtlose Kontraktion – subjektiv des Fühlens, objektiv der Materie – in das endlos organisierte Neben- und Nacheinander des Raums und der Zeit, in objektive Totalität ausbreitete und dieser Expansion die durch Vernichtung derselben sich konstituierende Kontraktion in den sich erkennenden Punkt (subjektiver) Vernunft, die subjektive Totalität entgegensetzte, muß beides vereinigen in die Anschauung des sich selbst in vollendeter Totalität objektiv werdenden Absoluten – in die Anschauung der ewigen Menschwerdung Gottes, des Zeugens des Worts vom Anfang.

Diese Anschauung des sich selbst gestaltenden oder sich objektiv findenden Absoluten kann gleichfalls wieder in einer Polarität betrachtet werden, insofern die Faktoren dieses Gleichgewichts, auf einer Seite das Bewußtsein, auf der anderen das Bewußtlose überwiegend gesetzt wird. Jene Anschauung erscheint in der Kunst mehr in einen Punkt konzentriert und das Bewußtsein niederschlagend, – entweder in der eigentlich sogenannten Kunst als Werk, das als[112] objektiv teils dauernd ist, teils mit Verstand als ein totes Äußeres genommen werden kann, ein Produkt des Individuums, des Genies, aber der Menschheit angehörend, – oder in der Religion als ein lebendiges Bewegen, das als subjektiv, nur Momente erfüllend, vom Verstand als ein bloß Inneres gesetzt werden kann, das Produkt einer Menge, einer allgemeinen Genialität, aber auch jedem Einzelnen angehörend. In der Spekulation erscheint jene Anschauung mehr als Bewußtsein, und im Bewußtsein Ausgebreitetes als ein Tun subjektiver Vernunft, welche die Objektivität und das Bewußtlose aufhebt. Wenn der Kunst in ihrem wahren Umfang das Absolute mehr in der Form des absoluten Seins erscheint, so erscheint es der Spekulation mehr als ein in seiner unendlichen Anschauung sich selbst Erzeugendes; aber indem sie es zwar als ein Werden begreift, setzt sie zugleich die Identität des Werdens und Seins, und das als sich erzeugend ihr Erscheinende wird zugleich als das ursprüngliche absolute Sein gesetzt, das nur werden kann, insofern es ist. Sie weiß sich auf diese Art das Übergewicht, welches das Bewußtsein in ihr hat, selbst zu nehmen, – ein Übergewicht, das ohnehin ein Außerwesentliches ist. Beides, Kunst und Spekulation sind in ihrem Wesen der Gottesdienst, – beides ein lebendiges Anschauen des absoluten Lebens und somit ein Einssein mit ihm.

Die Spekulation und ihr Wissen ist somit im Indifferenzpunkt, aber nicht an und für sich im wahren Indifferenzpunkt; ob sie sich darin befinde, hängt davon ab, ob sie sich nur als eine Seite desselben erkennt. Die Transzendentalphilosophie ist eine Wissenschaft des Absoluten, denn das Subjekt ist selbst Subjekt-Objekt und insofern Vernunft; setzt sie sich als diese subjektive Vernunft als das Absolute, so ist sie eine reine, d.h. formale Vernunft, deren Produkte, Ideen, einer Sinnlichkeit oder Natur absolut entgegengesetzt sind und den Erscheinungen nur als die Regel einer ihnen fremden Einheit dienen können. Indem das Absolute in die Form eines Subjekts gesetzt ist, hat diese Wissenschaft eine[113] immanente Grenze; sie erhebt sich allein dadurch zur Wissenschaft des Absoluten und in den absoluten Indifferenzpunkt, daß sie ihre Grenze kennt und sich und dieselbe aufzuheben weiß, und zwar wissenschaftlich. Denn es ist wohl ehemals viel von den Grenzpfählen der menschlichen Vernunft gesprochen worden, und auch der transzendentale Idealismus anerkennt unbegreifliche Schranken des Selbstbewußtseins, in die wir einmal eingeschlossen sind; aber indem die Schranken dort für Grenzpfähle der Vernunft, hier für unbegreiflich ausgegeben werden, erkennt die Wissenschaft ihr Unvermögen, sich durch sich selbst, d.h. nicht durch einen salto mortale aufzuheben oder von dem Subjektiven, worein sie die Vernunft gesetzt hat, wieder zu abstrahieren.

Weil die Transzendentalphilosophie ihr Subjekt als ein Subjekt-Objekt setzt und hiermit eine Seite des absoluten Indifferenzpunktes ist, so ist allerdings die Totalität in ihr; die gesamte Naturphilosophie selbst fällt als ein Wissen innerhalb ihrer Sphäre, und es kann der Wissenschaft des Wissens, die nur einen Teil der Transzendentalphilosophie ausmachen würde, nicht verwehrt werden, so wenig als der Logik, auf die Form, die sie zum Wissen gibt, und auf die Identität, die im Wissen ist, Anspruch zu machen oder vielmehr die Form als Bewußtsein zu isolieren und die Erscheinung für sich zu konstruieren. Aber diese Identität, von allem Mannigfaltigen des Wissens abgesondert, als reines Selbstbewußtsein, zeigt sich als eine relative darin, daß sie aus ihrem Bedingtsein durch ein Entgegengesetztes in keiner ihrer Formen herauskommt.

Das absolute Prinzip, der einzige Realgrund und feste Standpunkt der Philosophie ist sowohl in Fichtes als in Schellings Philosophie die intellektuelle Anschauung, – für die Reflexion ausgedrückt: Identität des Subjekts und Objekts. Sie wird in der Wissenschaft Gegenstand der Reflexion; und darum ist die philosophische Reflexion selbst transzendentale Anschauung, sie macht sich selbst zum Objekt und ist[114] eins mit ihm; hierdurch ist sie Spekulation. Fichtes Philosophie ist deswegen echtes Produkt der Spekulation. Die philosophische Reflexion ist bedingt, oder die transzendentale Anschauung kommt ins Bewußtsein durch freie Abstraktion von aller Mannigfaltigkeit des empirischen Bewußtseins, und insofern ist sie ein Subjektives. Macht die philosophische Reflexion sich insofern selbst zum Gegenstand, so macht sie ein Bedingtes zum Prinzip ihrer Philosophie; um die transzendentale Anschauung rein zu fassen, muß sie noch von diesem Subjektiven abstrahieren, daß sie ihr als Grundlage der Philosophie weder subjektiv noch objektiv sei, weder Selbstbewußtsein, der Materie entgegengesetzt, noch Materie, entgegengesetzt dem Selbstbewußtsein, sondern absolute, weder subjektive, noch objektive Identität, reine transzendentale Anschauung. Als Gegenstand der Reflexion wird sie Subjekt und Objekt; diese Produkte der reinen Reflexion setzt die philosophische Reflexion in ihrer bleibenden Entgegensetzung ins Absolute. Die Entgegensetzung der spekulativen Reflexion ist nicht mehr ein Objekt und ein Subjekt, sondern eine subjektive transzendentale Anschauung und eine objektive transzendentale Anschauung, jene Ich, diese Natur – beides die höchsten Erscheinungen der absoluten sich selbst anschauenden Vernunft, Daß diese beiden Entgegengesetzten – sie heißen nun Ich und Natur, reines und empirisches Selbstbewußtsein, Erkennen und Sein, Sich-selbst-Setzen und Entgegensetzen, Endlichkeit und Unendlichkeit – zugleich in dem Absoluten gesetzt werden, in dieser Antinomie erblickt die gemeine Reflexion nichts als den Widerspruch, nur die Vernunft in diesem absoluten Widerspruche die Wahrheit, durch welchen beides gesetzt und beides vernichtet ist, weder beide, und beide zugleich sind.[115]

2

Platon drückt die reelle Entgegensetzung durch die absolute Identität so aus: »Das wahrhaft schöne Band ist das, welches sich selbst und die Verbundenen eins macht. Denn wenn von irgend drei Zahlen oder Massen oder Kräften das Mittlere, was das Erste für dasselbe ist, eben das für das Letzte ist, und umgekehrt, was das Letzte für das Mittlere ist, das Mittlere eben dies für das Erste ist, – und dann das Mittlere zum Ersten und Letzten geworden, das Erste und Letzte aber umgekehrt, beide zum Mittleren geworden sind, so werden sie notwendig alle dasselbe sein; die aber dasselbe gegeneinander sind, sind alle eins.«

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 2, Frankfurt a. M. 1979, S. 94-116.
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