α). Verhältnis zum Licht
§ 317

[226] In der gestalteten Körperlichkeit ist die erste Bestimmung ihre mit sich identische Selbstischkeit, die abstrakte Selbstmanifestation ihrer als unbestimmter, einfacher Individualität, – das Licht. Aber die Gestalt leuchtet als solche nicht, sondern diese Eigenschaft ist (vorh. §) ein Verhältnis zum Lichte; 1. Der Körper ist als reiner Kristall in der vollkommenen Homogeneität seiner neutral-existierenden inneren Individualisierung durchsichtig und ein Medium für das Licht.

Was in Beziehung auf Durchsichtigkeit die innere Kohäsionslosigkeit der Luft ist, ist im konkreten Körper die Homogeneität der in sich kohärenten und kristallisierten Gestalt. – Der individuelle Körper unbestimmt genommen, ist freilich sowohl durchsichtig als undurchsichtig, durchscheinend usf. Aber die Durchsichtigkeit ist die nächste erste Bestimmung desselben als Kristalls, dessen physische Homogeneität noch nicht weiter in sich besondert und vertieft ist.
[226]


§ 318

2. Die erste, einfachste Bestimmtheit, die das physische Medium hat, ist seine spezifische Schwere, deren Eigentümlichkeit für sich in der Vergleichung, so auch in Beziehung auf Durchsichtigkeit nur in der Vergleichung der verschiedenen Dichtigkeit eines anderen Mediums zur Manifestation kommt. Was bei der Durchsichtigkeit beider von dem einen (dem vom Auge entfernteren) in dem anderen Medium (um die Dar- und Vorstellung zu erleichtern, mag jenes als Wasser, dieses als Luft genommen werden) wirksam ist, ist allein die Dichtigkeit, als den Ort qualitativ bestimmend: das Volumen des Wassers mit dem darin enthaltenen Bilde wird daher so in der durchsichtigen Luft gesehen, als ob dasselbe Volumen Luft, in die jenes gesetzt ist, die größere spezifische Dichtigkeit, die des Wassers hätte, also in einen um so[230] kleineren Raum kontrahiert wäre, – sogenannte Brechung.

Der Ausdruck Brechung des Lichts ist zunächst ein sinnlicher und insofern richtiger Ausdruck, als man z.B. einen ins Wasser gehaltenen Stab bekanntlich gebrochen sieht; auch wendet sich dieser Ausdruck für die geometrische Verzeichnung des Phänomens natürlich an. Aber ein ganz anderes ist die Brechung des Lichts und der sogenannten Lichtstrahlen in physikalischer Bedeutung, – ein Phänomen, das viel schwerer zu verstehen ist, als es dem ersten Augenblicke nach scheint. Abgerechnet das sonstige Unstatthafte der gewöhnlichen Vorstellung macht sich die Verwirrung, in welche sie verfallen muß, in der Verzeichnung der angenommenermaßen sich von einem Punkte aus als Halbkugel verbreitenden Lichtstrahlen leicht augenfällig. Es muß in Rücksicht der Theorie, wodurch die Erscheinung erklärt zu werden pflegt, an die wesentliche Erfahrung erinnert werden, daß der ebene Boden eines mit Wasser gefüllten Gefäßes eben, somit ganz und gleichförmig gehoben erscheint, – ein Umstand, welcher der Theorie gänzlich widerspricht, aber, wie es in solchen Fällen gewöhnlich geschieht, darum in den Lehrbüchern ignoriert oder verschwiegen wird. – Worauf es ankommt, ist, daß ein Medium nur schlechthin Durchsichtiges überhaupt ist und erst das Verhältnis zweier Medien von verchiedener spezifischer Schwere das Wirksame wird für eine Partikularisation der Sichtbarkeit, – eine Determination, die zugleich nur ortbestimmend, d.i. durch die ganz abstrakte Dichtigkeit gesetzt ist. Ein Verhältnis der Medien als wirksam findet aber nicht im gleichgültigen Nebeneinandersein, sondern allein statt, indem das eine in dem anderen – nämlich hier nur als Sichtbares – als Sehraum gesetzt ist. Dieses andere Medium wird von der immateriellen Dichtigkeit des darin gesetzten sozusagen infiziert, so daß es in ihm den Sehraum des Bildes nach der Beschränkung zeigt, die es selbst (das Medium) erleidet[231] und ihn damit beschränkt. Die rein mechanische, nicht physisch reale Eigenschaft, sondern ideelle der Dichtigkeit, nur raumbestimmend zu sein, kommt hier ausdrücklich vor; sie scheint so außerhalb des Materiellen, dem sie angehört, zu wirken, weil sie allein auf den Ort des Sichtbaren wirkt; ohne jene Idealität läßt sich das Verhältnis nicht fassen.
[232]

§ 319

Diese zunächst äußerliche Vergleichung und das Ineinssetzen verschiedener die Sichtbarkeit bestimmender Dichtigkeiten, welche in verschiedenen Medien (Luft, Wasser, dann Glas usf.) existieren, ist in der Natur der Kristalle eine innerliche Vergleichung. Diese sind einerseits durchsichtig überhaupt, andererseits aber besitzen sie in ihrer inneren Individualisierung (Kerngestalt) eine von der formellen Gleichheit17, der jene allgemeine Durchsichtigkeit angehört, abweichende Form. Diese ist auch Gestalt als Kerngestalt, aber ebenso ideelle, subjektive Form, die wie die spezifische Schwere den Ort bestimmend wirkt und daher auch die Sichtbarkeit, als räumliches Manifestieren auf spezifische Weise, von der ersten abstrakten Durchsichtigkeit verschieden, bestimmt, – doppelte Strahlenbrechung.

Die Kategorie Kraft könnte hier passend gebraucht werden, indem die rhomboidalische Form (die gewöhnlichste unter den von jener formellen Gleichheit der Gestalt in sich abweichenden) durch und durch den Kristall innerlich individualisiert, aber, wenn dieser nicht zufällig in Lamellen gesplittert ist, nicht zur Existenz als Gestalt kommt[239] und dessen vollkommene Homogeneität und Durchsichtigkeit nicht im mindesten unterbricht und stört, also nur als immaterielle Bestimmtheit wirksam ist.

Ich kann nichts Treffenderes in Beziehung auf den Übergang von einem zunächst äußerlich gesetzten Verhältnis zu dessen Form als innerlich wirksamer Bestimmtheit oder Kraft anführen, als wie Goethe die Beziehung der äußerlichen Vorrichtung von zwei zueinander gerichteten Spiegeln auf das Phänomen der entoptischen Farben, das im Innern des Glaskubus in seiner Stellung zwischen ihnen erzeugt wird, ausdrückt. Zur Naturwissenschaft [überhaupt], I. Bd., 3. Heft, XXII, S. 148 heißt es von den »natürlichen, durchsichtigen, kristallisierten Körpern«: »Wir sprechen also von ihnen aus, daß die Natur in das Innerste solcher Körper einen gleichen Spiegelapparat aufgebaut habe, wie wir es mit äußerlichen, physisch-mechanischen Mitteln getan« – vgl. vorherg. S. daselbst.18 – Es handelt sich, wie gesagt, bei dieser Zusammenstellung des Äußeren und Inneren nicht von Refraktion, wie im Paragraph, sondern von einer äußeren Doppelspiegelung und dem ihr im Innern entsprechenden Phänomen. So ist weiter zu unterscheiden, wenn es daselbst S. 147 heißt, man habe beim rhombischen Kalkspat gar deutlich bemerken können, »daß der verschiedene Durchgang der Blätter und die deshalb gegeneinander wirkenden Spiegelungen die nächste Ursache der Erscheinung sei«, – daß im Paragraph von der sozusagen rhomboidalischen Kraft oder Wirksamkeit, nicht von Wirkung existierender Lamellen (vgl. Zur Naturwissenschaft [überhaupt] I. Bd., 1. Heft, S. 25) gesprochen wird.
[240]


§ 320

3. Dies immaterielle Fürsichsein (Kraft) der Form, zu innerlichem Dasein fortgehend, hebt die neutrale Natur der Kristallisation auf, und es tritt die Bestimmung der immanenten Punktualität, Sprödigkeit (und dann Kohäsion) ein, bei noch vollkommener, aber formeller Durchsichtigkeit (sprödes Glas z.B.). Dies Moment der Sprödigkeit ist Verschiedenheit von dem mit sich identischen Manifestieren, dem Lichte und der Erhellung; es ist also innerer Beginn oder Prinzip der Verdunkelung, noch nicht existierendes Finsteres, aber wirksam als verdunkelnd (sprödes Glas, obgleich vollkommen durchsichtig, ist die bekannte Bedingung der entoptischen Farben).

Das Verdunkeln bleibt nicht bloß Prinzip, sondern geht[241] gegen die einfache, unbestimmte Neutralität der Gestalt außer den äußerlich und quantitativ bewirkten Trübungen und geringeren Durchsichtigkeiten fort zum abstrakten einseitigen Extreme der Gediegenheit, der passiven Kohäsion (Metallität). So gibt dann ein auch für sich existierendes Finsteres und für sich vorhandenes Helles, vermittels der Durchsichtigkeit zugleich in konkrete und individualisierte Einheit gesetzt, die Erscheinung der Farbe.

Dem Licht als solchem ist die abstrakte Finsternis unmittelbar entgegengesetzt (§ 277). Aber das Finstere wird erst reell als physische, individualisierte Körperlichkeit, und der aufgezeigte Gang der Verdunkelung ist diese Individualisierung des Hellen, d.h. hier des Durchsichtigen, nämlich der im Kreise der Gestalt passiven Manifestation, zum Insichsein der individuellen Materie. Das Durchsichtige ist das in seiner Existenz homogene Neutrale; das Finstere das in sich zum Fürsichsein Individualisierte, das aber nicht in Punktualität existiert, sondern nur als Kraft gegen das Helle ist und darum ebenso in vollkommener Homogeneität existieren kann. – Die Metallität ist bekanntlich das materielle Prinzip aller Färbung – oder der allgemeine Färbestoff, wenn man sich so ausdrücken will. Was vom Metalle hier in Betracht kommt, ist nur seine hohe spezifische Schwere, in welche überwiegende Partikularisierung sich die spezifische Materie gegen die aufgeschlossene innere Neutralität der durchsichtigen Gestalt zurücknimmt und zum Extreme steigert; im Chemischen ist dann die Metallität ebenso einseitige, indifferente Base.

In der gemachten Aufzeigung des Ganges der Verdunkelung kam es darauf an, die Momente nicht nur abstrakt anzugeben, sondern die empirischen Weisen zu nennen, in denen sie erscheinen. Es erhellt von selbst, daß beides seine Schwierigkeiten hat; aber was für die Physik noch größere Schwierigkeiten hervorbringt, ist die Vermengung der Bestimmungen oder Eigenschaften, die ganz verschiedenen[242] Sphären angehören. So wesentlich es ist, für die allgemeinen Erscheinungen wie Wärme, Farbe usf. die einfädle spezifische Bestimmtheit unter noch so verschiedenen Bedingungen und Umständen auszufinden, so wesentlich ist es auf der andern Seite, die Unterschiede festzuhalten, unter denen solche Erscheinungen sich zeigen. Was Farbe, Wärme usf. sei, kann in der empirischen Physik nicht auf den Begriff, sondern muß auf die Entstehungsweisen gestellt werden. Diese aber sind höchst verschieden. Die Sucht aber, nur allgemeine Gesetze zu finden, läßt zu diesem Ende wesentliche Unterschiede weg und stellt nach einem abstrakten Gesichtspunkte das Heterogenste chaotisch in eine Linie (wie in der Chemie etwa Gase, Schwefel, Metalle usf.). So die Wirkungsweisen nicht nach den verschiedenen Medien und Kreisen, in welchen sie statthaben, partikularisiert zu betrachten, hat dem Verlangen selbst, allgemeine Gesetze und Bestimmungen zu finden, nachteilig sein müssen. So chaotisch finden sich diese Umstände nebeneinandergestellt, unter denen die Farbenerscheinung hervortritt, und es pflegen Experimente, die dem speziellsten Kreise von Umständen angehören, gegen die einfachen allgemeinen Bedingungen, in denen sich die Natur der Farbe dem unbefangenen Sinne ergibt, den Urphänomenen, entgegengestellt zu werden. Dieser Verwirrung, welche bei dem Scheine feiner und gründlicher Erfahrung in der Tat mit roher Oberflächlichkeit verfährt, kann nur durch Beachtung der Unterschiede in den Entstehungsweisen begegnet werden, die man zu diesem Behuf kennen und in ihrer Bestimmtheit auseinanderhalten muß.

Zunächst ist sich davon als von der Grundbestimmung zu überzeugen, daß die Hemmung der Erhellung mit der spezifischen Schwere und der Kohäsion zusammenhängt. Diese Bestimmungen sind gegen die abstrakte Identität der reinen Manifestation (das Licht als solches) die Eigentümlichkeiten und Besonderungen der Körperlichkeit; von[243] ihnen aus geht diese weiter in sich, in das Finstere, zurück; es sind die Bestimmungen, welche unmittelbar den Fortgang der bedingten zur freien Individualität (§ 307) ausmachen und hier in der Beziehung der ersteren zur letzteren erscheinen. Die entoptischen Farben haben darin das Interessante, daß das Prinzip der Verdunkelung hier die Sprödigkeit als immaterielle (nur als Kraft wirksame) Punktualität ist, welche in der Pulverisierung eines durchsichtigen Kristalls auf eine äußerliche Weise existiert und die Undurchsichtigkeit bewirkt, wie z.B. auch Schäumen durchsichtiger Flüssigkeit, usf. – Der Druck einer Linse, der die epoptischen Farben erzeugt. Ist äußerlich mechanische Veränderung bloß der spezifischen Schwere, wobei Teilung in Lamellen und dergleichen existierende Hemmungen nicht vorhanden sind. – Bei der Erhitzung der Metalle (Veränderung der spezifischen Schwere) »entstehen auf ihrer Oberfläche flüchtig aufeinanderfolgende Farben, welche selbst nach Belieben festgehalten werden können« (Goethe, Zur Farbenlehre, Teil I, S. 181). – In der chemischen Bestimmung tritt aber durch die Säure ein ganz anderes Prinzip der Erhellung des Dunkeln, der immanenteren Selbstmanifestation, der Befeuerung ein. Aus der Betrachtung der Farben für sich ist die chemisch determinierte Hemmung, Verdunkelung, Erhellung, zunächst auszuschließen; denn der chemische Körper, wie das Auge (bei den subjektiven, physiologischen Farbenerscheinungen), ist ein Konkretes, das vielfache weitere Bestimmungen in sich enthält, so daß sich die, welche sich auf die Farbe beziehen, nicht bestimmt für sich herausheben und abgesondert zeigen lassen, sondern vielmehr wird die Erkenntnis der abstrakten Farbe vorausgesetzt, um an dem Konkreten das sich darauf Beziehende herauszufinden.

Das Gesagte bezieht sich auf die innere Verdunkelung, insofern sie zur Natur des Körpers gehört; in Beziehung[244] auf die Farbe hat es insofern Interesse, sie nachzuweisen, als die durch sie bewirkte Trübung nicht auf eine äußerlich für sich existierende Weise gesetzt und damit so nicht aufgezeigt werden kann. Ein – aber in äußerlicher Existenz – als trübend wirksames Medium ist ein weniger durchsichtiges, nur durchscheinendes Medium überhaupt; ein ganz durchsichtiges (die elementarische Luft ist ohne das Konkrete, wie ein solches schon in der Neutralität des unindividualisierten Wassers liegt), wie Wasser oder reines Glas, hat einen Anfang von Trübung, die durch Verdickung des Mediums besonders in Vermehrung der Lagen (d.i. unterbrechenden Begrenzungen) zum Dasein kommt. Das berühmteste äußerlich trübende Mittel ist das Prisma, dessen trübende Wirksamkeit in den zwei Umständen liegt: erstlich in seiner äußeren Begrenzung als solcher, an seinen Rändern; zweitens in seiner prismatischen Gestalt, der Ungleichheit der Durchmesser seines Profils von der ganzen Breite seiner Seite bis zur gegenüberstehenden Kante. Zu dem Unbegreiflichen an den Theorien über die Farbe gehört unter anderem, daß in ihnen die Eigenschaft des Prisma, trübend zu wirken und besonders ungleich trübend nach der ungleichen Dicke der Durchmesser der verschiedenen Teile, durch die das Licht fällt, übersehen wird.

Die Verdunkelung aber überhaupt ist nur der eine Umstand, die Helligkeit der andere; zur Farbe gehört eine nähere Determination in der Beziehung derselben. Das Licht erhellt, der Tag vertreibt die Finsternis; die Verdüsterung als bloße Vermischung des Hellen mit vorhandenem Finsteren gibt im allgemeinen ein Grau. Aber die Farbe ist eine solche Verbindung beider Bestimmungen, daß sie, indem sie auseinandergehalten sind, ebensosehr in eins gesetzt werden; sie sind getrennt, und ebenso scheint eines im anderen; eine Verbindung, die somit Individualisierung zu nennen ist; ein Verhältnis, wie bei der sogenannten Brechung aufgezeigt wurde, daß eine Bestimmung[245] in der anderen wirksam ist und doch für sich ein Dasein hat. Es ist die Weise des Begriffs überhaupt, welcher als konkret die Momente zugleich unterschieden und in ihrer Idealität, ihrer Einheit enthält. Diese Bestimmung findet sich in der Goetheschen Darstellung auf die ihr gehörige sinnliche Weise ausgedrückt, – daß beim Prisma das Helle über das Dunkle (oder umgekehrt) hergezogen wird, so daß das Helle ebenso noch als Helles selbständig durchwirkt, als es getrübt [ist], daß es (im Falle des Prisma), die gemeinschaftliche Verrückung abgerechnet, ebensowohl an seiner Stelle bleibt, als es zugleich verrückt wird. Wo das Helle oder Dunkle oder vielmehr Erhellende und Verdunkelnde (beides ist relativ) in den trüben Medien für sich existiert, behält das trübe Medium, vor einen dunklen Hintergrund, auf diese Weise als erhellendes wirkend, gestellt (und umgekehrt), seine eigentümliche Erscheinung, und zugleich ist eins im andern negativ, beides identisch gesetzt. So ist der Unterschied der Farbe von dem bloßen Grau (obgleich z.B. bloß grauer, ungefärbter Schatten sich vielleicht seltener findet, als man zunächst meint) zu fassen – er ist derselbe als innerhalb des Farbenvierecks der Unterschied des Grünen von dem Roten, jenes die Vermischung des Gegensatzes, des Blauen und des Gelben, dieses die Individualität desselben.

Nach der bekannten Newtonschen Theorie besteht das weiße, d.i. farblose Licht aus fünf oder aus sieben Farben; denn genau weiß dies die Theorie selbst nicht. – Über die Barbarei fürs erste der Vorstellung, daß auch beim Lichte nach der schlechtesten Reflexionsform, der Zusammensetzung, gegriffen worden ist und das Helle hier sogar aus sieben Dunkelheiten bestehen soll, wie man das klare Wasser aus sieben. Erdarten bestehen lassen konnte, kann man sich nicht stark genug ausdrücken;

so wie über die Ungeschicktheit und Unrichtigkeit des[246] Newtonschen Beobachtens und Experimentierens, nicht weniger über die Fadheit desselben, ja selbst, wie Goethe gezeigt hat, über dessen Unredlichkeit; – eine der auffallendsten sowie einfachsten Unrichtigkeiten ist die falsche Versicherung, daß ein durch ein Prisma bewirkter einfarbiger Teil des Spektrums, durch ein zweites Prisma gelassen, auch wieder nur einfarbig erscheine (Newton, Optice, Lib. I, P. I, prop. V in fine);

alsdann über die gleich schlechte Beschaffenheit des Schließens, Folgerns und Beweisen! aus jenen unreinen empirischen Daten; Newton gebrauchte nicht nur das Prisma, sondern der Umstand war ihm auch nicht entgangen, daß zur Farbenerzeugung durch dasselbe eine Grenze von Hell und Dunkel erforderlich sei (Optice, Lib. II, P. II, p. 230, ed. lat. London 1719). und doch konnte er das Dunkle als wirksam zu trüben übersehen. Diese Bedingung der Farbe wird überhaupt von ihm nur bei einer ganz speziellen Erscheinung (und auch dabei selbst ungeschickt), nebenher und nachdem die Theorie längst fertig ist, erwähnt. So dient diese Erwähnung den Verteidigern der Theorie nur dazu, sagen zu können, diese Bedingung sei Newton nicht unbekannt gewesen, nicht aber dazu, als Bedingung sie mit dem Lichte an die Spitze aller Far benbetrachtung zu stellen. Vielmehr wird jener Umstand, daß bei aller Farbenerscheinung Dunkles vorhanden ist, in den Lehrbüchern verschwiegen, so wie die ganz einfache Erfahrung, daß, wenn durchs Prisma eine ganz weiße (oder überhaupt einfarbige) Wand angesehen wird, man keine Farbe (im Falle der Einfarbigkeit keine andere als eben die Farbe der Wand) sieht, sobald aber ein Nagel in die Wand geschlagen, irgendeine Ungleichheit auf ihr gemacht wird, sogleich und nur dann und nur an solcher Stelle Farben zum Vorschein kommen. Zu den Ungehorigkeiten der Darstellung der Theorie ist darum auch diese zu zählen,[247] daß so viele widerlegende Erfahrungen verschwiegen werden;

hierauf endlich insbesondere über die Gedankenlosigkeit, mit der eine Menge der unmittelbaren Folgerungen jener Theorie (z.B. die Unmöglichkeit achromatischer Fernrohre) aufgegeben worden und doch die Theorie selbst behauptet wird;

zuletzt aber über die Blindheit des Vorurteils, daß diese Theorie auf etwas Mathematischem beruhe, als ob die zum Teil selbst falschen und einseitigen Messungen nur den Namen von Mathematik verdienten und als ob die in die Folgerungen hineingebrachten quantitativen Bestimmungen irgendeinen Grund für die Theorie und die Natur der Sache selbst abgäben.

Ein Hauptgrund, warum die ebenso klare als gründliche, auch sogar gelehrte Goethesche Beleuchtung dieser Finsternis im Lichte nicht eine wirksamere Aufnahme erlangt hat, ist ohne Zweifel dieser, weil die Gedankenlosigkeit und Einfältigkeit, die man eingestehen sollte, gar zu groß ist. – Statt daß sich diese ungereimten Vorstellungen vermindert hätten, sind sie in den neuesten Zeiten auf die Malusschen Entdeckungen noch durch die Polarisation des Lichts und gar durch die Viereckigkeit der Sonnenstrahlen, durch eine links rotierende Bewegung roter und eine rechts rotierende blauer Lichtkügelchen, vollends durch die wieder aufgenommenen Newtonschen Fits, die accès de facile transmission und accès de facile réflexion zu weiterem metaphysischen Galimathias vermehrt worden. – Ein Teil solcher Vorstellungen entsprang auch hier aus der Anwendung von Differentialformeln auf Farbenerscheinungen, indem die guten Bedeutungen, welche Glieder dieser Formeln in der Mechanik haben, unstatthafterweise auf Bestimmungen eines ganz anderen Feldes übertragen worden sind.[248]

17

Das Kubische überhaupt ist hier unter der formellen Gleichheit bezeichnet. Als hier genügende Bestimmung der Kristalle, welche die sogenannte doppelte Strahlenbrechung zeigen, in Ansehung ihrer inneren Gestaltung, führe ich die aus Biot, Traité de Physique III, ch. 4., p. 325 an: »Dies Phänomen zeigt sich an allen durchsichtigen Kristallen, deren primitive Form weder ein Kubus noch ein regelmäßiges Oktaeder ist.«

18

Was ich über dieses Aperçu gesagt, hat Goethe so freundlich aufgenommen, daß es Zur Naturwissenschaft, 4. Heft, S. 294 zu lesen ist.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 226-227,230-233,239-249,269.
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