γ). Die Totalität in der besonderen Individualität; Elektrizität
§ 323

[272] Die Körper stehen nach ihrer bestimmten Besonderheit zu den Elementen in Beziehung, aber als gestaltete Ganze treten[272] sie auch in Verhältnis zueinander, als physikalische Individualitäten. Nach ihrer noch nicht in den chemischen Prozeß eingehenden Besonderheit sind sie Selbständige und erhalten sich gleichgültig gegeneinander, ganz im mechanischen Verhältnisse. Wie sie in diesem ihr Selbst in ideeller Bewegung als ein Schwingen in sich – als Klang – kundtun, so zeigen sie nun in physikalischer Spannung der Besonderheit gegeneinander ihre reelle Selbstischkeit, die aber zugleich noch von abstrakter Realität ist, als ihr Licht, aber ein an ihm selbst differentes Licht, – elektrisches Verhältnis.
[273]


§ 324

Die mechanische Berührung setzt die physische Differenz des einen Körpers in den anderen; diese Differenz ist, weil[274] sie zugleich mechanisch selbständig gegeneinander bleiben, eine entgegengesetzte Spannung. In diese tritt daher nicht die physische Natur des Körpers in ihrer konkreten Bestimmtheit ein, sondern es ist nur als Realität des abstrakten Selbst?, als Licht, und zwar ein entgegengesetztes, daß die Individualität sich manifestiert und in den Prozeß schickt. – Die Aufhebung der Diremtion, das andere Moment dieses oberflächlichen Prozesses, hat ein indifferentes Licht zum Produkt, das als körperlos unmittelbar verschwindet und außer dieser abstrakten physikalischen Erscheinung vornehmlich nur die mechanische Wirkung der Erschütterung hat.

Was die Schwierigkeit beim Begriffe der Elektrizität ausmacht, ist einesteils die Grundbestimmung von der ebenso physischen als mechanischen Trägheit des Körperindividuums in diesem Prozesse. Die elektrische Spannung wird darum einem Anderen, einer Materie, zugeschrieben, welcher das Licht angehöre, das abstrakt für sich, verschieden von der konkreten Realität des Körpers, welche in ihrer Selbständigkeit bleibt, hervortritt. Andernteils ist die Schwierigkeit die allgemeine des Begriffs überhaupt, das Licht in seinem Zusammenhange als Moment der Totalität aufzufassen, und zwar hier nicht mehr frei als Sonnenlicht, sondern als Moment des besonderen. Körpers, indem es an sich sei als das reine Selbst desselben und aus dessen Immanenz erzeugt in die Existenz trete. Wie das erste Licht, das der Sonne (§ 275), nur aus dem Begriffe als solchem [hervorgeht], so findet hier (wie § 306) ein Entstehen des Lichtes, aber eines differenten, aus einer Existenz, dem als besonderer Körper existierenden Begriffe, statt.

Bekanntlich ist der frühere, an eine bestimmte sinnliche Existenz gebundene Unterschied von Glas– und Harz-Elektrizität durch die vervollständigte Empirie in den Gedankenunterschied von positiver und negativer Elektrizität idealisiert worden; – ein merkwürdiges Beispiel, wie die Empirie, die zunächst das Allgemeine in sinnlicher[275] Form fassen und festhalten will, ihr Sinnliches selbst aufhebt. – Wenn in neueren Zeiten viel von der Polarisation des Lichts die Rede geworden ist, so wäre mit größerem Rechte dieser Ausdruck für die Elektrizität aufbehalten worden als für die Malusschen Erscheinungen, wo durchsichtige Medien, spiegelnde Oberflächen und die verschiedenen Stellungen derselben zueinander und viele anderweitige Umstände es sind, welche einen äußerlichen Unterschied am Scheinen des Lichtes hervorbringen, aber nicht einen an ihm selbst. – Die Bedingungen, unter welchen die positive und die negative Elektrizität hervortreten, die glättere oder mattere Oberfläche z. B., ein Hauch und so fort, beweisen die Oberflächlichkeit des elektrischen Prozesses und wie wenig darein die konkrete physikalische Natur des Körpers eingeht. Ebenso zeigen die schwache Färbung der beiden elektrischen Lichter, Geruch, Geschmack, nur den Beginn einer Körperlichkeit an dem abstrakten Selbst des Lichts, in welchem sich die Spannung des Prozesses hält, der, obgleich physisch, doch nicht ein konkreter Prozeß ist. Die Negativität, welche das Aufheben der entgegengesetzten Spannung ist, ist hauptsächlich ein Schlag, – das sich aus seiner Entzweiung mit sich identisch setzende Selbst bleibt auch als diese Totalisierung in der äußerlichen Sphäre des Mechanismus stehen. Das Licht als Entladungsfunke hat kaum einen Anfang, sich zur Wärme zu materialisieren, und die Zündung, die aus der sogenannten Entladung entspringen kann, ist (Berthollet, Statique Chimique, I. Partie, Sect. III, not. XI) mehr eine direkte Wirkung der Erschütterung als die Folge einer Realisation des Lichtes zu Feuer. – Insofern die beiden Elektrizitäten an verschiedenen Körpern getrennt voneinander gehalten werden, so tritt, wie beim Magnetismus (§ 314), Bestimmung des[276] Begriffs ein, daß die Tätigkeit darin besteht, das Entgegengesetzte identisch- und das Identische entgegenzusetzen. Sie ist einerseits mechanisierende Tätigkeit als räumliches Anziehen und Abstoßen, welche Seite, insofern sie isoliert für die Erscheinung werden kann, den Zusammenhang mit der Erscheinung des Magnetismus als solchen begründet, andererseits physisch in den interessanten Erscheinungen der elektrischen Mitteilung als solcher oder [der] Leitung, und als Verteilung.
[277]

§ 325

Die Besonderung des individuellen Körpers bleibt aber nicht bei der trägen Verschiedenheit und Selbsttätigkeit der Verschiedenen stehen, aus weither die abstrakte reine Selbstischkeit, das Lichtprinzip, zum Prozeß, zu Spannung Entgegengesetzter[286] und Aufheben derselben in ihrer Indifferenz heraustritt. Da die besonderen Eigenschaften nur die Realität dieses einfachen Begriffes, der Leib ihrer Seele, des Lichtes, sind und der Komplex der Eigenschaften, der besondere Körper, nicht wahrhaft selbständig ist, so geht die ganze Körperlichkeit in die Spannung und in den Prozeß ein, welcher zugleich das Werden des individuellen Körpers ist. Die Gestalt, welche zunächst nur aus dem Begriffe hervorging, somit nur an sich gesetzt war, geht nun auch aus dem existierenden Prozesse hervor und stellt sich als das aus der Existenz Gesetzte dar, – der chemische Prozeß.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 272-278,286-287.
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