c. Der chemische Prozeß
§ 326

[287] Die Individualität in ihrer entwickelten Totalität ist, daß ihre Momente so bestimmt sind, selbst individuelle Totalitäten,[287] ganze besondere Körper zu sein, die zugleich nur als different gegeneinander in Beziehung sind. Diese Beziehung als die Identität nicht identischer, selbständiger Körper ist der Widerspruch, – somit wesentlich Prozeß, der dem Begriffe gemäß die Bestimmung hat, das Unterschiedene identisch zu setzen, es zu indifferenzieren, und das Identische zu differenzieren, es zu begeisten und zu scheiden.
[288]

§ 327

Zunächst ist der formale Prozeß zu beseitigen, der eine Verbindung bloß Verschiedener, nicht Entgegengesetzter ist. Sie bedürfen keines existierenden Dritten, in welchem sie als ihrer Mitte an sich eines wären; das Gemeinschaftliche oder ihre Gattung macht schon die Bestimmtheit ihrer Existenz zueinander aus; ihre Verbindung oder Scheidung hat die Weise der Unmittelbarkeit, und Eigenschaften ihrer Existenz erhalten sich. Solche Verbindungen chemisch gegeneinander unbegeisteter Körper sind die Amalgamation und sonstiges Zusammenschmelzen von Metallen, Vermischung von Säuren miteinander und derselben, des Alkohols usf. mit Wasser und dergleichen mehr.
[292]

§ 328

Der reale Prozeß aber bezieht sich zugleich auf die chemische Differenz (§ 200 ff.), indem zugleich die ganze konkrete Totalität des Körpers in ihn eingeht (§ 325). – Die Körper, die in den realen Prozeß eintreten, sind in einem Dritten, von ihnen Verschiedenen, vermittelt, welches die abstrakte, nur erst an sich seiende Einheit jener Extreme ist, die durch den Prozeß in die Existenz gesetzt wird. Dieses Dritte sind daher nur Elemente, und zwar selbst verschieden als [solche] teils des Vereinens, die Neutralität überhaupt, das Wasser, teils des Differenzierens und Scheidens, die Luft. Indem in der Natur die unterschiedenen Begriffsmomente auch in besonderer Existenz sich herausstellen, so ist auch das Scheiden und Neutralisieren des Prozesses jedes an ihm[294] ebenso ein Gedoppeltes, nach der konkreten und nach der abstrakten Seite. Das Scheiden ist einmal Zerlegen der neutralen Körperlichkeit in körperliche Bestandteile, das andere Mal Differenzieren der abstrakten physischen Elemente in die vier hiermit noch abstrakteren chemischen Momente des Stickstoffs, Sauerstoffs, Wasserstoffs und Kohlenstoffs, welche zusammen die Totalität des Begriffs ausmachen und nach dessen Momenten bestimmt sind. Hiernach haben die chemischen Elemente 1. die Abstraktion der Indifferenz, der Stickstoff, und 2. die beiden [Abstraktion] des Gegensatzes, der für sich seienden Differenz, der Sauerstoff, das Brennende, und der dem Gegensatze angehörigen Indifferenz, der Wasserstoff, das Brennbare, 3. die Abstraktion ihres individuellen Elements, der Kohlenstoff.

Ebenso ist das Vereinen das eine Mal Neutralisieren konkreter Körperlichkeiten, das andere Mal jener abstrakten chemischen Elemente. So sehr ferner die konkrete und die abstrakte Bestimmung des Prozesses verschieden ist, so sehr sind beide zugleich vereinigt, denn die physischen Elemente sind als die Mitte der Extreme das, aus dessen Differenzen die gleichgültigen konkreten Körperlichkeiten begeistet werden, d.i. die Existenz ihrer chemischen Differenz erlangen, die zur Neutralisierung dringt und in sie übergeht.
[295]

§ 329

Der Prozeß ist zwar abstrakt dies, die Identität des Urteilens und des Ineinssetzens der durchs Urteil Unterschiedenen zu sein, und als Verlauf ist er in sich zurückkehrende Totalität. Aber seine Endlichkeit ist, daß seinen Momenten auch die körperliche Selbständigkeit zukommt; sie enthält damit dies, daß er unmittelbare Körperlichkeiten zu seiner Voraussetzung hat, welche jedoch ebensosehr nur seine Produkte sind. Nach dieser Unmittelbarkeit erscheinen sie als außerhalb des Prozesses bestehend, und dieser als an sie tretend. Ferner fallen deswegen die Momente des Verlaufs des Prozesses selbst als unmittelbar und verschieden auseinander, und der Verlauf als reale Totalität wird ein Kreis besonderer Prozesse, deren jeder den anderen zur Voraussetzung hat, aber für sich seinen Anfang von außen nimmt und in seinem besonderen Produkt erlischt, ohne sich aus sich in den Prozeß, der das weitere Moment der Totalität ist, fortzusetzen und immanent darein überzugehen. Der Körper kommt in einem dieser Prozesse als Bedingung, in einem anderen als Produkt vor; und in welchem besonderen Prozesse er diese Stellung hat, macht seine chemische Eigentümlichkeit aus; auf diese Stellungen in den besonderen Prozessen kann sich allein eine Einteilung der Körper gründen.

Die zwei Seiten des Verlaufs sind 1. vom indifferenten Körper aus durch seine Begeistung zur Neutralität, und 2. von dieser Vereinung zurück zur Scheidung in indifferente Körper.[298]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 287-289,292-296,298-299,302.
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