b. Abaelard

[560] An Anselm schließt sich Peter Abaelard an, bekannt durch seine Gelehrsamkeit, noch berühmter in der empfindsamen Welt durch seine Liebe zu Heloise und seine Schicksale; er lebte um 1100, von 1079 bis 1142. Er ist nach Anselm zu[560] großem Ansehen gelangt; er hat ebenso philosophiert über die Lehre der Kirche, besonders die Dreieinigkeit auch so behandelt, auf philosophische Weise zu beweisen gesucht. Er lehrte zu Paris. Wie um jene Zeit Bologna für die Juristen, so war Paris für die Theologen der Mittelpunkt der Wissenschaften; es war der damalige Sitz der philosophierenden Theologie. Abaelard hat dort oft vor Scharen von 1000 Zuhörern vorgetragen. Die theologische Wissenschaft und das Philosophieren darüber war in Frankreich, wie in Italien die Jurisprudenz, ein Hauptmoment, das, als für die Entwicklung Frankreichs höchst bedeutend, bisher nur zu sehr vernachlässigt ist.

Anselmus und Abaelard trugen vornehmlich dazu bei, die Philosophie in die Theologie einzuführen. Diese Richtung wurde auf mancherlei Weise selbst von Mystikern fortgesetzt. Es galt die Vorstellung, daß Philosophie und Religion ein und dasselbe seien, was sie an und für sich auch sind. Man kam aber bald auf die Distinktion, »daß manches in der Philosophie wahr und in der Theologie falsch sein könne«; dieses hat die Kirche geleugnet. 1270 erfolgte die Absonderung der vier Fakultäten der Pariser Universität. Dadurch wurde die Philosophie von der Theologie ausgeschieden, doch ihr verboten, theologische Glaubenssätze dem Disputieren zu unterwerfen.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 19, Frankfurt am Main 1979, S. 560-561.
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