Drittes Hauptstück.
Metaphysische Anfangsgründe der Mechanik
Erklärung 1

[100] Materie ist das Bewegliche, so fern es, als ein solches, bewegende Kraft hat.


Anmerkung

Dieses ist nun die dritte Definition von einer Materie. Der bloß dynamische Begriff konnte die Materie auch als in Ruhe betrachten; die bewegende Kraft, die da in Erwägung gezogen wurde, betraf bloß die Erfüllung eines gewissen Raumes, ohne daß die Materie, die ihn erfüllete, selbst als bewegt angesehen werden durfte. Die Zurückstoßung war daher eine ursprünglich-bewegende Kraft, um Bewegung zu erteilen; dagegen wird in der Mechanik die Kraft einer in Bewegung gesetzten Materie betrachtet, um diese Bewegung einer anderen mitzuteilen. Es ist aber klar, daß das Bewegliche durch seine Bewegung keine bewegende Kraft haben würde, wenn es nicht ursprünglich-bewegende Kräfte besäße, dadurch es vor aller eigener Bewegung in jedem Orte, da es sich befindet, wirksam ist, und daß keine Materie eine andere, die ihrer Bewegung in der geraden Linie vor ihr im Wege liegt, gleichmäßige Bewegung eindrücken würde, wenn beide nicht ursprüngliche Gesetze der Zurückstoßung besäßen, noch daß sie eine andere durch ihre Bewegung nötigen könne, in der geraden Linie ihr zu folgen (sie nachschleppen könnte), wenn beide nicht Anziehungskräfte besäßen. Also setzen alle mechanische Gesetze die dynamische voraus, und eine Materie, als bewegt, kann keine bewegende Kraft haben, als nur vermittelst ihrer Zurückstoßung oder Anziehung, auf welche und mit welchen sie in ihrer Bewegung unmittelbar wirkt und dadurch ihre eigene Bewegung einer anderen mitteilt. Man wird es mir nachsehen, daß ich der Mitteilung der Bewegung durch Anziehung[100] (z.B. wenn etwa ein Komet, von stärkerem Anziehungsvermögen als die Erde, im Vorbeigehen vor derselben sie nach sich fortschleppte) hier nicht weiter Erwähnung tun werde, sondern nur der Vermittelung der repulsiven Kräfte, also durch Druck (wie vermittelst gespannter Federn), oder durch Stoß, da ohnedem die Anwendung der Gesetze der einen auf die der anderen nur in Ansehung der Richtungslinie verschieden, übrigens aber in beiden Fällen einerlei ist.


Erklärung 2

Die Quantität der Materie ist die Menge des Beweglichen in einem bestimmten Raum. Dieselbe, so fern alle ihre Teile in ihrer Bewegung als zugleich wirkend (bewegend) betrachtet werden, heißt die Masse, und man sagt, eine Materie wirke in Masse, wenn alle ihre Teile in einerlei Richtung bewegt außer sich zugleich ihre bewegende Kraft ausüben. Eine Masse von bestimmter Gestalt heißt ein Körper (in mechanischer Bedeutung). Die Größe der Bewegung (mechanisch geschätzt) ist diejenige, die durch die Quantität der bewegten Materie und ihre Geschwindigkeit zugleich geschätzt wird; phoronomisch besteht sie bloß in dem Grade der Geschwindigkeit.


Lehrsatz 1

Die Quantität der Materie kann in Vergleichung mit jeder anderen nur durch die Quantität der Bewegung bei gegebener Geschwindigkeit geschätzt werden.




Beweis

Die Materie ist ins Unendliche teilbar, folglich kann keiner ihre Quantität durch eine Menge ihrer Teile unmittelbar bestimmt werden. Denn wenn dieses auch in der Vergleichung der gegebenen Materie mit einer gleichartigen geschieht, in welchem Falle die Quantität der Materie der Größe des Volumens proportional ist, so ist dieses doch der[101] Foderung des Lehrsatzes, daß sie in Vergleichung mit jeder anderen (auch spezifisch verschiedenen) geschätzt werden soll, zuwider. Also kann die Materie, weder unmittelbar, noch mittelbar, in Vergleichung mit jeder andern gültig geschätzt werden, so lange man von ihrer eigenen Bewegung abstrahiert. Folglich ist kein anderes allgemein gültiges Maß derselben als die Quantität ihrer Bewegung übrig. In dieser aber kann der Unterschied der Bewegung, der auf der verschiedenen Quantität der Materien beruht, nur alsdenn gegeben werden, wenn die Geschwindigkeit unter den verglichenen Materien als gleich angenommen wird, folglich u.s.w.




Zusatz

Die Quantität der Bewegung der Körper ist in zusammengesetztem Verhältnis aus dem der Quantität ihrer Materie und ihrer Geschwindigkeit, d.i. es ist einerlei, ob ich die Quantität der Materie eines Körpers doppelt so groß mache, und die Geschwindigkeit behalte, oder ob ich die Geschwindigkeit verdoppele und eben diese Masse behalte. Denn der bestimmte Begriff von einer Größe ist nur durch die Konstruktion des Quantum möglich. Diese ist aber in Ansehung des Begriffs der Quantität nichts als die Zusammensetzung des Gleichgeltenden; folglich ist die Konstruktion der Quantität einer Bewegung die Zusammensetzung vieler einander gleichgeltender Bewegungen. Nun ist es nach den phoronomischen Lehrsätzen einerlei, ob ich einem Beweglichen einen gewissen Grad Geschwindigkeit oder vielen gleich Beweglichen alle kleinere Grade der Geschwindigkeit erteile, die aus der durch die Menge des Beweglichen dividierten gegebenen Geschwindigkeit herauskommen. Hieraus entspringt zuerst ein, dem Anscheine nach, phoronomischer Begriff von der Quantität einer Bewegung, als zusammengesetzt aus viel Bewegungen außer einander, aber doch in einem Ganzen vereinigter, beweglicher Punkte. Werden nun diese Punkte als etwas gedacht, was durch seine Bewegung bewegende Kraft hat, so entspringt daraus der mechanische Begriff von der Quantität der Bewegung.[102] In der Phoronomie aber ist es nicht tunlich, sich eine Bewegung als aus vielen außerhalb einander befindlichen zusammengesetzt vorzustellen, weil das Bewegliche, da es daselbst ohne alle bewegende Kraft vorgestellt wird, in aller Zusammensetzung mit mehreren seiner Art keinen Unterschied der Größe der Bewegung gibt, als die mithin bloß in der Geschwindigkeit besteht. Wie die Quantität der Bewegung eines Körpers zu der eines anderen, so verhält sich auch die Größe ihrer Wirkung, aber wohl zu verstehen, der ganzen Wirkung. Diejenige, welche bloß die Größe eines mit Widerstande erfülleten Raums (z.B. die Höhe, zu welcher ein Körper mit einer gewissen Geschwindigkeit wider die Schwere steigen, oder die Tiefe, zu der derselbe in weiche Materien dringen kann) zum Maße der ganzen Wirkung annahmen, brachten ein anderes Gesetz der bewegenden Kräfte bei wirklichen Bewegungen heraus, nämlich das des zusammengesetzten Verhältnisses aus dem der Quantität der Materien und der Quadrate ihrer Geschwindigkeiten; allein sie übersahen die Größe der Wirkung in der gegebenen Zeit, in welcher der Körper seinen Raum mit kleinerer Geschwindigkeit zurücklegt, und diese kann doch allein das Maß einer durch einen gegebenen gleichförmigen Widerstand erschöpften Bewegung sein. Es kann also auch kein Unterschied zwischen lebendigen und toten Kräften stattfinden, wenn die bewegende Kräfte mechanisch, d.i. als diejenige, die die Körper haben, so fern sie selbst bewegt sind, betrachtet werden, es mag nun die Geschwindigkeit ihrer Bewegung endlich oder unendlich klein sein (bloße Bestrebung zur Bewegung); vielmehr würde man weit schicklicher diejenigen Kräfte, womit die Materie, wenn man auch von ihrer eigenen Bewegung, auch so gar von der Bestrebung, sich zu bewegen, gänzlich abstrahiert, in andere wirkt, folglich die ursprünglich bewegende Kräfte der Dynamik tote Kräfte, alle mechanisch, d.i. durch eigene Bewegung bewegende Kräfte dagegen lebendige Kräfte nennen können, ohne auf den Unterschied der Geschwindigkeit zu sehen, deren Grad auch unendlich klein sein darf, wenn ja noch diese Benennungen toter und lebendiger Kräfte beibehalten zu werden verdienten.
[103]



Anmerkung

Wir wollen, um Weitläuftigkeit zu vermeiden, die Erläuterung der vorstehenden drei Sätze in einer Anmerkung zusammenfassen.

Daß die Quantität der Materie nur als die Menge des Beweglichen (außerhalb einander) könne gedacht werden, wie die Definition es aussagt, ist ein merkwürdiger und Fundamentalsatz der allgemeinen Mechanik. Denn dadurch wird angezeigt: daß Materie keine andere Größe habe, als die, welche in der Menge des Mannigfaltigen außerhalb einander besteht, folglich auch keinen Grad der bewegenden Kraft mit gegebener Geschwindigkeit, der von dieser Menge unabhängig wäre und bloß als intensive Größe betrachtet werden könnte, welches allerdings stattfinden würde, wenn die Materie aus Monaden bestände, deren Realität in aller Beziehung einen Grad haben muß, welcher größer oder kleiner sein kann, ohne von einer Menge der Teile außer einander abzuhängen. Was den Begriff der Masse in eben derselben Erklärung betrifft, so kann man ihn nicht, wie gewöhnlich, mit dem der Quantität für einerlei halten. Flüssige Materien können durch ihre eigene Bewegung in Masse, sie können aber auch im Flusse wirken. Im sogenannten Wasserhammer wirkt das anstoßende Wasser in Masse, d.i. mit allen seinen Teilen zugleich; eben das geschieht auch im Wasser, welches, in einem Gefäße eingeschlossen, durch sein Gewicht auf die Wagschale, darauf es steht, drückt. Dagegen wirkt das Wasser eines Mühlbachs auf die Schaufel des unterschlägigen Wasserrades nicht in Masse, d.i. mit allen seinen Teilen, die gegen diese anlaufen, zugleich, sondern nur nach einander. Wenn also hier die Quantität der Materie, die, mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt, die bewegende Kraft hat, bestimmt werden soll, so muß man allererst den Wasserkörper, d.i. diejenige Quantität der Materie, die, wenn sie in Masse mit einer gewissen Geschwindigkeit wirkt (mit ihrer Schwere), dieselbe Wirkung hervorbringen kann, suchen. Daher versteht man auch gewöhnlich unter dem Worte Masse die Quantität[104] der Materie eines festen Körpers (das Gefäß, darin ein Flüssiges eingeschlossen ist, vertritt auch die Stelle der Festigkeit desselben). Was endlich den Lehrsatz mit dem angehängten Zusatz zusammen betrifft, so liegt darin etwas Befremdliches: daß, nach dem ersteren, die Quantität der Materie durch die Quantität der Bewegung mit gegebener Geschwindigkeit, nach dem zweiten aber wiederum die Quantität der Bewegung (eines Körpers; denn die eines Punkts besteht bloß aus dem Grade der Geschwindigkeit) bei derselben Geschwindigkeit durch die Quantität der bewegten Materie geschätzt werden müsse, welches im Zirkel herum zu gehen und weder von einem noch dem anderen einen bestimmten Begriff zu versprechen scheint. Allein dieser vermeinte Zirkel würde es würklich sein, wenn er eine wechselseitige Ableitung zweier identischen Begriffe von einander wäre. Nun aber enthält er nur einerseits die Erklärung eines Begriffs, anderer Seits die der Anwendung desselben auf Erfahrung. Die Quantität des Beweglichen im Raume ist die Quantität der Materie; aber diese Quantität der Materie (die Menge des Beweglichen) beweiset sich in der Erfahrung nur allein durch die Quantität der Bewegung bei gleicher Geschwindigkeit (z.B. durchs Gleichgewicht).

Noch ist zu merken, daß die Quantität der Materie die Quantität der Substanz im Beweglichen sei, folglich nicht die Größe einer gewissen Qualität derselben (der Zurückstoßung, oder Anziehung, die in der Dynamik angeführt werden), und daß das Quantum der Substanz hier nichts anderes als die bloße Menge des Beweglichen bedeute, welches die Materie ausmacht. Denn nur diese Menge des Bewegten kann bei derselben Geschwindigkeit einen Unterschied in der Quantität der Bewegung geben. Daß aber die bewegende Kraft, die eine Materie in ihrer eigenen Bewegung hat, allein die Quantität der Substanz beweise, beruht auf dem Begriffe der letzteren als dem letzten Subjekt (das weiter kein Prädikat von einem andern ist) im Raume, welches eben darum keine andere Größe haben kann, als die der Menge des Gleichartigen außerhalb einander. Da nun die eigene Bewegung der Materie ein[105] Prädikat ist, welches ihr Subjekt (das Bewegliche) bestimmt, und an einer Materie, als einer Menge des Beweglichen, die Vielheit der bewegten Subjekte (bei gleicher Geschwindigkeit auf gleiche Art) angibt, welches bei dynamischen Eigenschaften, deren Größe auch die Größe der Wirkung von einem einzigen Subjekte sein kann (z.B. da ein Luftteilchen mehr oder weniger Elastizität haben kann), nicht der Fall ist, so erhellet daraus, wie die Quantität der Substanz an einer Materie nur mechanisch, d.i. durch die Quantität der eigenen Bewegung derselben, und nicht dynamisch, durch die Größe der ursprünglich bewegenden Kräfte, geschätzt werden müsse. Gleichwohl kann die ursprüngliche Anziehung, als die Ursache der allgemeinen Gravitation, doch ein Maß der Quantität der Materie und ihrer Substanz abgeben (wie das wirklich in der Vergleichung der Materien durch Abwiegen geschieht), obgleich hier nicht eigene Bewegung der anziehenden Materie, sondern ein dynamisch Maß, nämlich Anziehungskraft, zum Grunde gelegt zu sein scheint. Aber, weil bei dieser Kraft die Wirkung einer Materie mit allen ihren Teilen unmittelbar, auf alle Teile einer andern, geschieht, und also (bei gleichen Entfernungen) offenbar der Menge der Teile proportioniert ist, der ziehende Körper sich dadurch auch selbst eine Geschwindigkeit der eigenen Bewegung erteilt (durch den Widerstand des gezogenen), welche, in gleichen äußeren Umständen, gerade der Menge seiner Teile proportioniert ist, so geschieht die Schätzung hier, obzwar nur indirekt, doch in der Tat mechanisch.


Lehrsatz 2

Erstes Gesetz der Mechanik. Bei allen Veränderungen der körperlichen Natur bleibt die Quantität der Materie im Ganzen dieselbe, unvermehrt und unvermindert.


Beweis

(Aus der allgemeinen Metaphysik wird der Satz zum Grunde gelegt, daß bei allen Veränderungen der Natur keine[106] Substanz weder entstehe noch vergehe, und hier wird nur dargetan, was in der Materie die Substanz sei.) In jeder Materie ist das Bewegliche im Raume das letzte Subjekt aller der Materie inhärierenden Akzidenzen, und die Menge dieses Beweglichen außerhalb einander die Quantität der Substanz. Also ist die Größe der Materie, der Substanz nach, nichts anders, als die Menge der Substanzen, daraus sie besteht. Es kann also die Quantität der Materie nicht vermehrt oder vermindert werden, als dadurch, daß neue Substanz derselben entsteht oder vergeht. Nun entsteht und vergeht bei allem Wechsel der Materie die Substanz niemals; also wird auch die Quantität der Materie dadurch weder vermehrt, noch vermindert, sondern bleibt immer dieselbe und zwar im Ganzen, d.i. so, daß sie irgend in der Welt in derselben Quantität fortdauert, obgleich diese oder jene Materie durch Hinzukunft oder Absonderung der Teile vermehrt oder vermindert werden kann.


Anmerkung

Das Wesentliche, was in diesem Beweise der Substanz, die nur im Raume und nach Bedingungen desselben, folglich als Gegenstand äußerer Sinne möglich ist, charakterisieret, ist, daß ihre Größe nicht vermehrt oder vermindert werden kann, ohne daß Substanz entstehe, oder vergehe, darum, weil alle Größe eines bloß im Raum möglichen Objekts aus Teilen außerhalb einander bestehen muß, diese also, wenn sie real (etwas Bewegliches) sind, notwendig Substanzen sein müssen. Dagegen kann das, was als Gegenstand des inneren Sinnes betrachtet wird, als Substanz eine Größe haben, die nicht aus Teilen außerhalb einander besteht, deren Teile also auch nicht Substanzen sind, deren Entstehen oder Vergehen folglich auch nicht ein Entstehen oder Vergehen einer Substanz sein darf, deren Vermehrung oder Verminderung daher, dem Grundsatze von der Beharrlichkeit der Substanz unbeschadet, möglich ist. So hat nämlich das Bewußtsein, mithin die Klarheit der Vorstellungen meiner Seele, und, derselben zu Folge, auch[107] das Vermögen des Bewußtseins, die Apperzeption, mit diesem aber selbst die Substanz der Seele einen Grad, der größer oder kleiner werden kann, ohne daß irgend eine Substanz zu diesem Behuf entstehen oder vergehen dürfte. Weil aber, bei allmählicher Verminderung dieses Vermögens der Apperzeption, endlich ein gänzliches Verschwinden derselben erfolgen müßte, so würde doch selbst die Substanz der Seele einem allmählichen Vergehen unterworfen sein, ob sie schon einfacher Natur wäre, weil dieses Verschwinden ihrer Grundkraft nicht durch Zerteilung (Absonderung der Substanz von einem Zusammengesetzten) sondern gleichsam durch Erlöschen, und auch dieses nicht in einem Augenblicke, sondern durch allmähliche Nachlassung des Grades derselben, es sei aus welcher Ursache es wolle, erfolgen könnte. Das Ich, das allgemeine Korrelat der Apperzeption und selbst bloß ein Gedanke, bezeichnet, als ein bloßes Vorwort, ein Ding von unbestimmter Bedeutung, nämlich das Subjekt aller Prädikate, ohne irgend eine Bedingung, die diese Vorstellung des Subjekts von dem eines Etwas überhaupt unterschiede, also Substanz, von der man, was sie sei, durch diesen Ausdruck keinen Begriff hat. Dagegen der Begriff einer Materie als Substanz der Begriff des Beweglichen im Raume ist. Es ist daher kein Wunder, wenn von der letzteren die Beharrlichkeit der Substanz bewiesen werden kann, von der ersteren aber nicht, weil bei der Materie schon aus ihrem Begriffe, nämlich daß sie das Bewegliche sei, das nur im Raume möglich ist, fließt, daß das, was in ihr Größe hat, eine Vielheit des Realen außer einander, mithin der Substanzen, enthalte, und folglich die Quantität derselben nur durch Zerteilung, welche kein Verschwinden ist, vermindert werden könne, und das letztere in ihr nach dem Gesetze der Stetigkeit auch unmöglich sein würde. Der Gedanke Ich ist dagegen gar kein Begriff, sondern nur innere Wahrnehmung, aus ihm kann also auch gar nichts (außer der gänzliche Unterschied eines Gegenstandes des inneren Sinnes von dem, was bloß als Gegenstand äußerer Sinne gedacht wird), folglich auch nicht die Beharrlichkeit der Seele, als Substanz, gefolgert werden.
[108]


Lehrsatz 3

Zweites Gesetz der Mechanik. Alle Veränderung der Materie hat eine äußere Ursache. (Ein jeder Körper beharrt in seinem Zustande der Ruhe oder Bewegung, in derselben Richtung und mit derselben Geschwindigkeit, wenn er nicht durch eine äußere Ursache genötigt wird, diesen Zustand zu verlassen.)


Beweis

(Aus der allgemeinen Metaphysik wird der Satz zum Grunde gelegt, daß alle Veränderung eine Ursache habe; hier soll von der Materie nur bewiesen werden, daß ihre Veränderung jederzeit eine äußere Ursache haben müsse.) Die Materie, als bloßer Gegenstand äußerer Sinne, hat keine andere Bestimmungen, als die der äußeren Verhältnisse im Raume, und erleidet also auch keine Veränderungen, als durch Bewegung. In Ansehung dieser, als Wechsels einer Bewegung mit einer andern, oder derselben mit der Ruhe, und umgekehrt, muß eine Ursache derselben angetroffen werden (nach Prinz, der Metaph.). Diese Ursache aber kann nicht innerlich sein, denn die Materie hat keine schlechthin innere Bestimmungen und Bestimmungsgründe. Also ist alle Veränderung einer Materie auf äußere Ursache gegründet (d.i. ein Körper beharret, u.s.w.).


Anmerkung

Dieses mechanische Gesetz muß allein das Gesetz der Trägheit (lex inertiae) genannt werden, das Gesetz der einer jeden Wirkung entgegengesetzten gleichen Gegenwirkung kann diesen Namen nicht führen. Denn dieses sagt, was die Materie tut, jenes aber nur, was sie nicht tut, welches dem Ausdrucke der Trägheit besser angemessen ist. Die Trägheit der Materie ist und bedeutet nichts anders, als ihre Leblosigkeit, als Materie an sich selbst. Leben heißt das Vermögen einer Substanz, sich aus einem inneren Prinzip zum Handeln, einer endlichen Substanz,[109] sich zur Veränderung, und einer materiellen Substanz, sich zur Bewegung oder Ruhe, als Veränderung ihres Zustandes, zu bestimmen. Nun kennen wir kein anderes inneres Prinzip einer Substanz, ihren Zustand zu verändern, als das Begehren, und überhaupt keine andere innere Tätigkeit, als Denken, mit dem, was davon abhängt, Gefühl der Lust oder Unlust und Begierde oder Willen. Diese Bestimmungsgründe aber und Handlungen gehören gar nicht zu den Vorstellungen äußerer Sinne und also auch nicht zu den Bestimmungen der Materie als Materie. Also ist alle Materie als solche leblos. Das sagt der Satz der Trägheit, und nichts mehr. Wenn wir die Ursache irgend einer Veränderung der Materie im Leben suchen, so werden wir es auch so fort in einer anderen, von der Materie verschiedenen, obzwar mit ihr verbundenen Substanz zu suchen haben. Denn in der Naturkenntnis ist es nötig, zuvor die Gesetze der Materie als einer solchen zu kennen und sie von dem Beitritte aller anderen wirkenden Ursachen zu läutern, ehe man sie damit verknüpft, um wohl zu unterscheiden, was, und wie jede derselben für sich allein wirke. Auf dem Gesetze der Trägheit (neben dem der Beharrlichkeit der Substanz) beruht die Möglichkeit einer eigentlichen Naturwissenschaft ganz und gar. Das Gegenteil des erstern, und daher auch der Tod aller Naturphilosophie, wäre der Hylozoism. Aus eben demselben Begriffe der Trägheit, als bloßer Leblosigkeit, fließt von selbst, daß sie nicht ein positives Bestreben, seinen Zustand zu erhalten, bedeute. Nur lebende Wesen werden in diesem letzteren Verstande trag genannt, weil sie eine Vorstellung von einem anderen Zustande haben, den sie verabscheuen, und ihre Kraft dagegen anstrengen.




Lehrsatz 4

Drittes mechanisches Gesetz. In aller Mitteilung der Bewegung sind Wirkung und Gegenwirkung einander jederzeit gleich.


Beweis

[110] (Aus der allgemeinen Metaphysik muß der Satz entlehnt werden, daß alle äußere Wirkung in der Welt Wechselwirkung sei. Hier soll, um in den Schranken der Mechanik zu bleiben, nur gezeigt werden, daß diese Wechselwirkung (actio mutua) zugleich Gegenwirkung (reactio) sei; allein ich kann, ohne der Vollständigkeit der Einsicht Abbruch zu tun, jenes metaphysische Gesetz der Gemeinschaft hier doch nicht ganz weglassen.) Alle tätige Verhältnisse der Materien im Raume und alle Veränderungen dieser Verhältnisse, so fern sie Ursachen von gewissen Wirkungen sein können, müssen jederzeit als wechselseitig vorgestellt werden, d.i. weil alle Veränderung derselben Bewegung ist, so kann keine Bewegung eines Körpers in Beziehung auf einen absolut-ruhigen, der dadurch auch in Bewegung gesetzt werden soll, gedacht werden, vielmehr muß dieser nur als relativ-ruhig in Ansehung des Raums, auf den man ihn bezieht, zusamt diesem Raume aber in entgegengesetzter Richtung als mit eben derselben Quantität der Bewegung im absoluten Raume bewegt vorgestellt werden, als der bewegte in eben demselben gegen ihn hat. Denn die Veränderung des Verhältnisses (mithin die Bewegung) ist zwischen beiden durchaus wechselseitig; so viel der eine Körper jedem Teile des anderen näher kommt, so viel nähert sich der andere jedem Teil des ersteren, und, weil es hier nicht auf den empirischen Raum, der beide Körper umgibt, sondern nur auf die Linie, die zwischen ihnen liegt, ankommt (indem diese Körper lediglich in Relation auf einander, nach dem Einflusse, den die Bewegung des einen auf die Veränderung des Zustandes des anderen, mit Abstraktion von aller Relation zum empirischen Raume, haben kann, betrachtet werden), so wird ihre Bewegung als bloß im absoluten Raume bestimmbar betrachtet, in welchem jeder der beiden Körper an der Bewegung, die dem einen im relativen Raume beigelegt wird, gleichen Anteil haben muß, indem kein Grund da ist, einem von beiden mehr davon, als dem anderen, beizulegen. Auf diesem Fuß wird[111] die Bewegung eines Körpers A gegen einen anderen ruhigen B, in Ansehung dessen er dadurch bewegend sein kann, auf den absoluten Raum reduziert, d.i. als Verhältnis wirkender Ursachen bloß auf einander bezogen, so betrachtet, wie beide an der Bewegung, welche in der Erscheinung dem Körper A allein beigelegt wird, gleichen Anteil haben, welches nicht anders geschehen kann, als so, daß die Geschwindigkeit, die im relativen Raume bloß dem Körper A beigelegt wird, unter A und B in umgekehrtem Verhältnis der Massen, dem A allein die seinige im absoluten Raume, dem B dagegen zusamt dem relativen Raume, worin er ruht, in entgegengesetzter Richtung ausgeteilt werde, wodurch dieselbe Erscheinung der Bewegung vollkommen beibehalten, die Wirkung aber in der Gemeinschaft beider Körper auf folgende Art konstruiert wird.

3. Metaphysische Anfangsgründe der Mechanik

Es sei ein Körper A mit einer Geschwindigkeit = AB in Ansehung des relativen Raumes gegen den Körper B, der in Ansehung eben desselben Raums ruhig ist, im Anlaufe. Man teile die Geschwindigkeit AB in zwei Teile, Ac und Bc, die sich umgekehrt wie die Massen B und A gegen einander verhalten, und stelle sich A mit der Geschwindigkeit Ac im absoluten Raume, B aber mit der Geschwindigkeit Bc in entgegengesetzter Richtung zusamt dem relativen Raume bewegt vor: so sind beide Bewegungen einander entgegengesetzt und gleich, und, da sie einander wechselseitig aufheben, so versetzen sich beide Körper beziehungsweise auf einander, d.i. im absoluten Raume, in Ruhe. Nun war aber B mit der Geschwindigkeit Bc in der Richtung BA, die der des Körpers A, nämlich AB, gerade entgegengesetzt ist, zusamt dem relativen Raume in Bewegung. Wenn also die Bewegung des Körpers B durch den Stoß aufgehoben wird, so wird darum doch die Bewegung des relativen Raums nicht aufgehoben. Also bewegt[112] sich nach dem Stoße der relative Raum in Ansehung beider Körper A und B (die nunmehr im absoluten Raume ruhen) in der Richtung BA mit der Geschwindigkeit Bc, oder, welches einerlei ist, beide Körper bewegen sich nach dem Stoße mit gleicher Geschwindigkeit Bd = Bc in der Richtung des Stoßenden AB. Nun ist aber, nach dem Vorigen, die Quantität der Bewegung des Körpers B in der Richtung und mit der Geschwindigkeit Bc, mithin auch die in der Richtung Bd mit derselben Geschwindigkeit, der Quantität der Bewegung des Körpers A mit der Geschwindigkeit und in der Richtung Ac gleich: folglich ist die Wirkung, d.i. die Bewegung Bd, die der Körper B durch den Stoß im relativen Raume erhält, und also auch die Handlung des Körpers A mit der Geschwindigkeit Ac der Gegenwirkung Bc jederzeit gleich. Da eben dasselbe Gesetz (wie die mathematische Mechanik lehrt) keine Abänderung erleidet, wenn, anstatt des Stoßes auf einen ruhigen, ein Stoß desselben Körpers auf einen gleichfalls bewegten Körper angenommen wird, imgleichen die Mitteilung der Bewegung durch den Stoß von der durch den Zug nur in der Richtung, nach welcher die Materien einander in ihren Bewegungen widerstehen, unterschieden ist: so folgt, daß in aller Mitteilung der Bewegung Wirkung und Gegenwirkung einander jederzeit gleich sein (daß jeder Stoß nur vermittelst eines gleichen Gegenstoßes, jeder Druck vermittelst eines gleichen Gegendrucks, imgleichen jeder Zug nur durch einen gleichen Gegenzug die Bewegung eines Körpers dem andern mitteilen könne).5


Zusatz 1

[113] Hieraus folgt das, für die allgemeine Mechanik nicht unwichtige, Naturgesetz: daß ein jeder Körper, wie groß auch seine Masse sei, durch den Stoß eines jeden anderen, wie klein auch seine Masse oder Geschwindigkeit sein mag, beweglich sein müsse. Denn der Bewegung von A in der Richtung AB korrespondiert notwendiger Weise eine entgegengesetzte gleiche Bewegung von B in der Richtung BA. Beide Bewegungen heben durch den Stoß einander im absoluten Raume auf. Dadurch aber erhalten beide Körper eine Geschwindigkeit Bd = Bc in der Richtung des Stoßenden, folglich ist der Körper B für jede noch so kleine Kraft des Anstoßes beweglich.


Zusatz 2

[114] Dies ist also das mechanische Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung, welches darauf beruht: daß keine Mitteilung der Bewegung stattfinde, außer sofern eine Gemeinschaft dieser Bewegungen vorausgesetzt wird, daß also kein Körper einen anderen stoße, der in Ansehung seiner ruhig ist, sondern, ist dieser es in Ansehung des Raums, nur so fern er zusamt diesem Raume in gleichem Maße, aber in entgegengesetzter Richtung bewegt, mit der Bewegung, die alsdenn dem ersteren zu seinem relativen Anteil fällt, zusammen, allererst die Quantität der Bewegung gebe, die wir dem ersten im absoluten Raume beilegen würden. Denn keine Bewegung, die in Ansehung eines anderen Körpers bewegend sein soll, kann absolut sein: ist sie aber relativ in Ansehung des letzteren, so gibt's keine Relation im Raume, die nicht wechselseitig und gleich sei. – Es gibt aber noch ein anderes, nämlich ein dynamisches Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung der Materien, nicht so fern eine der anderen ihre Bewegung mitteilt, sondern dieser ursprünglich erteilt und durch deren Widerstreben zugleich in sich hervorbringt. Diese läßt sich auf ähnliche Art leicht dartun. Denn, wenn die Materie A die Materie B zieht, so nötigt sie diese, sich ihr zu nähern, oder, welches einerlei ist, jene widersteht der Kraft, womit diese sich zu entfernen trachten möchte. Weil es aber einerlei ist, ob B sich von A, oder A von B entferne: so ist dieser Widerstand zugleich ein Widerstand, den der Körper B gegen A ausübt, so fern er sich von ihm zu entfernen trachten möchte, mithin sind Zug und Gegenzug einander gleich. Eben so, wenn A die Materie B zurückstößt, so widersteht A der Annäherung von B. Da es aber einerlei ist, ob sich B dem A oder A dem B nähere, so widersteht B auch eben so viel der Annäherung von A; Druck und Gegendruck sind also auch jederzeit einander gleich.


Anmerkung 1

[115] Dies ist also die Konstruktion der Mitteilung der Bewegung, welche zugleich das Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung, als notwendige Bedingung derselben, bei sich führet, welches Newton sich gar nicht getrauete a priori zu beweisen, sondern sich deshalb auf Erfahrung berief, welchem zu Gefallen andere eine besondere Kraft der Materie, unter dem von Keplern zuerst angeführten Namen der Trägheitskraft (vis inertiae), in der Naturwissenschaft einführeten, und also im Grunde es auch von Erfahrung ableiteten, endlich noch andere in dem Begriffe einer bloßen Mitteilung der Bewegung setzten, welche sie wie einen allmählichen Übergang der Bewegung des einen Körpers in den andern ansahen, wobei der bewegende gerade so viel einbüßen müsse, als er dem bewegten erteilt, bis er dem letzteren keine weiter eindrückt (wenn er nämlich mit diesem schon bis zur Gleichheit der Geschwindigkeit in derselben Richtung gekommen ist),6[116] wodurch sie im Grunde alle Gegenwirkung aufhoben, d.i. alle wirklich entgegenwirkende Kraft des gestoßenen gegen den stoßenden (der etwa vermögend wäre, eine Springfeder zu spannen), und außerdem, daß sie das nicht beweisen, was in dem genannten Gesetze eigentlich gemeint ist, die Mitteilung der Bewegung selbst, ihrer Möglichkeit nach, gar nicht erklärten. Denn der Name vom Übergang der Bewegung von einem Körper auf den andern erklärt nichts, und, wenn man ihn nicht etwa (dem Grundsatze accidentia non migrant e substantiis in substantias zuwider) buchstäblich nehmen will, als wenn Bewegung von einem Körper in einen anderen, wie Wasser aus einem Glase in das andere, gegossen würde, so ist es hier eben die Aufgabe, wie diese Möglichkeit begreiflich zu machen sei, deren Erklärung nun gerade auf demselben Grunde beruht, woraus das Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung abgeleitet wird. Man kann sich gar nicht denken, wie die Bewegung eines Körpers A mit der Bewegung eines anderen B notwendig verbunden sein müsse, als so, daß man sich Kräfte an beiden denkt, die ihnen (dynamisch) vor aller Bewegung zukommen, z.B. Zurückstoßung, und nun beweisen kann, daß die Bewegung des Körpers A durch Annäherung gegen B, mit der Annäherung von B gegen A, und, wenn B als ruhig angesehen wird, mit der Bewegung desselben, zusamt seinem Raume gegen A notwendig verbunden sei, so fern ein Körper mit ihren (ursprünglich) bewegenden Kräften bloß relativ auf einander in Bewegung betrachtet werden. Dieses letztere kann völlig a priori dadurch eingesehen werden, daß, es mag nun der Körper B in Ansehung des empirisch kennbaren Raumes ruhig, oder bewegt sein, er doch in Ansehung des Körpers A notwendig als bewegt, und zwar in entgegengesetzter Richtung als bewegt, angesehen werden müsse; weil sonst kein Einfluß desselben auf die repulsive Kraft beider stattfinden würde, ohne welchen ganz und gar keine mechanische Wirkung der Materien auf einander, d.i. keine Mitteilung der Bewegung durch den Stoß, möglich ist.
[117]

Anmerkung 2

Die Benennung der Trägheitskraft (vis inertiae) muß also, unerachtet des berühmten Namens ihres Urhebers, aus der Naturwissenschaft gänzlich weggeschafft werden, nicht allein weil sie einen Widerspruch im Ausdrucke selbst bei sich führt, oder auch deswegen, weil das Gesetz der Trägheit (Leblosigkeit) dadurch leicht mit dem Gesetze der Gegenwirkung in jeder mitgeteilten Bewegung verwechselt werden könnte, sondern vornehmlich, weil dadurch die irrige Vorstellung derer, die der mechanischen Gesetze nicht recht kundig sind, erhalten und bestärkt wird, nach welcher die Gegenwirkung der Körper, von der unter dem Namen der Trägheitskraft die Rede ist, darin bestehe, daß die Bewegung dadurch in der Welt aufgezehrt, vermindert oder vertilgt, nicht aber die bloße Mitteilung derselben dadurch bewirkt werde, indem nämlich der bewegende Körper einen Teil seiner Bewegung bloß dazu aufwenden müßte, um die Trägheit des ruhenden zu überwinden (welches denn reiner Verlust wäre), mit dem übrigen Teile allein könne er den letzteren in Bewegung setzen; bliebe ihm aber nichts übrig, so würde er durch seinen Stoß den letzteren, seiner großen Masse wegen, gar nicht in Bewegung bringen. Einer Bewegung kann nichts widerstehen, als entgegengesetzte Bewegung eines anderen, keinesweges aber dessen Ruhe. Hier ist also nicht Trägheit der Materie, d.i. bloßes Unvermögen, sich von selbst zu bewegen, die Ursache eines Widerstandes. Eine besondere ganz eigentümliche Kraft, bloß um zu widerstehen, ohne einen Körper bewegen zu können, wäre unter dem Namen einer Trägheitskraft ein Wort ohne alle Bedeutung. Man könnte also die drei Gesetze der allgemeinen Mechanik schicklicher so benennen: das Gesetz der Selbständigkeit, der Trägheit und der Gegenwirkung der Materien (lex subsistentiae, inertiae, et antagonismi) bei allen ihren Veränderungen derselben. Daß diese, mithin die gesamten Lehrsätze gegenwärtiger Wissenschaft, den Kategorien der Substanz, der Kausalität und der Gemeinschaft, so fern diese Begriffe auf Materie angewandt[118] werden, genau antworten, bedarf keiner weiteren Erörterung.




Allgemeine Anmerkung zur Mechanik

Die Mitteilung der Bewegung geschieht nur vermittelst solcher bewegenden Kräfte, die einer Materie auch in Ruhe beiwohnen (Undurchdringlichkeit und Anziehung). Die Wirkung einer bewegenden Kraft auf einen Körper in einem Augenblicke ist die Sollizitation desselben, die gewirkte Geschwindigkeit des letzteren durch die Sollizitation, so fern sie in gleichem Verhältnis mit der Zeit wachsen kann, ist das Moment der Akzeleration. (Das Moment der Akzeleration muß also nur eine unendlich kleine Geschwindigkeit enthalten, weil sonst der Körper durch dasselbe in einer gegebenen Zeit eine unendliche Geschwindigkeit erlangen würde, welche unmöglich ist. Übrigens beruht die Möglichkeit der Beschleunigung überhaupt, durch ein fortwährendes Moment derselben, auf dem Gesetze der Trägheit.) Die Sollizitation der Materie durch expansive Kraft (z.B. einer zusammengedrückten Luft, die ein Gewichte trägt) geschieht jederzeit mit einer endlichen Geschwindigkeit, die Geschwindigkeit aber, die dadurch einem anderen Körper eingedrückt (oder entzogen) wird, kann nur unendlich klein sein; denn jene ist nur eine Flächenkraft, oder, welches einerlei ist, die Bewegung eines unendlich kleinen Quantum von Materie, die folglich mit endlicher Geschwindigkeit geschehen muß, um der Bewegung eines Körpers von endlicher Masse mit unendlich kleiner Geschwindigkeit (einem Gewichte) gleich zu sein. Dagegen ist die Anziehung eine durchdringende Kraft und als mit einer solchen übt ein endliches Quantum der Materie auf ein gleichfalls endliches Quantum einer andern bewegende Kraft aus. Die Sollizitation der Anziehung muß also unendlich klein sein, weil sie dem Moment der Akzeleration (welches jederzeit unendlich klein sein muß) gleich ist, welches bei der Zurückstoßung, da ein unendlich kleiner Teil der Materie einem endlichen ein Moment eindrücken soll, der Fall nicht ist. Es[119] läßt sich keine Anziehung mit einer endlichen Geschwindigkeit denken, ohne daß die Materie durch ihre eigene Anziehungskraft sich selbst durchdringen müßte. Denn die Anziehung, welche eine endliche Quantität Materie auf eine endliche mit einer endlichen Geschwindigkeit ausübt, muß eine jede endliche Geschwindigkeit, womit die Materie durch ihre Undurchdringlichkeit, aber nur mit einem unendlich kleinen Teil der Quantität ihrer Materie entgegenwirkt, in allen Punkten der Zusammendrückung überlegen sein. Wenn die Anziehung nur eine Flächenkraft ist, wie man sich den Zusammenhang denkt, so würde das Gegenteil von diesem erfolgen. Allein es ist unmöglich, ihn so zu denken, wenn er wahre Anziehung (und nicht bloß äußere Zusammendrückung) sein soll.

Ein absolut-harter Körper würde derjenige sein, dessen Teile einander so stark zögen, daß sie durch kein Gewicht getrennt, noch in ihrer Lage gegen einander verändert werden könnten. Weil nun die Teile der Materie eines solchen Körpers sich mit einem Moment der Akzeleration ziehen müßten, welches gegen das der Schwere unendlich, der Masse aber, welche dadurch getrieben wird, endlich sein würde, so müßte der Widerstand durch Undurchdringlichkeit, als expansive Kraft, da er jederzeit mit einer unendlichkleinen Quantität der Materie geschieht, mit mehr als endlicher Geschwindigkeit der Sollizitation geschehen, d.i. die Materie würde sich mit unendlicher Geschwindigkeit auszudehnen trachten, welches unmöglich ist. Also ist ein absolut-harter Körper, d.i. ein solcher, der einem mit endlicher Geschwindigkeit bewegten Körper im Stoße einen Widerstand, der der ganzen Kraft desselben gleich wäre, in einem Augenblick entgegensetzte, unmöglich. Folglich leistet eine Materie durch ihre Undurchdringlichkeit oder Zusammenhang, gegen die Kraft eines Körpers in endlicher Bewegung, in einem Augenblicke nur unendlich kleinen Widerstand. Hieraus folgt nun das mechanische Gesetz der Stetigkeit (lex continui mechanica), nämlich: an keinem Körper wird der Zustand der Ruhe, oder der Bewegung, und an dieser,[120] der Geschwindigkeit oder der Richtung, durch den Stoß in einem Augenblicke verändert, sondern nur in einer gewissen Zeit, durch eine unendliche Reihe von Zwischenzuständen, deren Unterschied von einander kleiner ist, als der des ersten und letzten. Ein bewegter Körper, der auf eine Materie stößt, wird also durch deren Widerstand nicht auf einmal, sondern nur durch kontinuierliche Retardation zur Ruhe, oder der, so in Ruhe war, nur durch kontinuierliche Akzeleration in Bewegung, oder aus einem Grade Geschwindigkeit in einen andern nur nach derselben Regel versetzt; imgleichen wird die Richtung seiner Bewegung in eine solche, die mit jener einen Winkel macht, nicht anders als vermittelst aller möglichen dazwischen liegenden Richtungen, d.i. vermittelst der Bewegung in einer krummen Linie, verändert (welches Gesetz aus einem ähnlichen Grunde auch auf die Veränderung des Zustandes eines Körpers durch Anziehung erweitert werden kann). Diese lex continui gründet sich auf dem Gesetze der Trägheit der Materie, da hingegen das metaphysische Gesetz der Stetigkeit auf alle Veränderung (innere so wohl als äußere) überhaupt ausgedehnt sein müßte, und also auf dem bloßen Begriffe einer Veränderung überhaupt, als Größe, und der Erzeugung derselben (die notwendig in einer gewissen Zeit kontinuierlich, so wie die Zeit selbst, vorginge), gegründet sein würde, hier also keinen Platz findet.[121]

5

In der Phoronomie, da die Bewegung eines Körpers bloß in Ansehung des Raums, als Veränderung der Relation in demselben, betrachtet wurde, war es ganz gleichgültig, ob ich den Körper im Raume, oder, an statt dessen, dem relativen Raume eine gleiche aber entgegengesetzte Bewegung zugestehen wollte; beides gab völlig einerlei Erscheinung. Die Quantität der Bewegung des Raums war bloß die Geschwindigkeit, und daher die des Körpers gleichfalls nichts als seine Geschwindigkeit (weswegen er als ein bloßer beweglicher Punkt betrachtet werden konnte). In der Mechanik aber, da ein Körper in Bewegung gegen einen anderen betrachtet wird, gegen den er durch seine Bewegung ein Kausalverhältnis hat, nämlich das, ihn selbst zu bewegen, indem es entweder bei seiner Annäherung durch die Kraft der Undurchdringlichkeit, oder seiner Entfernung durch die Kraft der Anziehung, mit ihm in Gemeinschaft kommt, da ist es nicht mehr gleichgültig, ob ich einem dieser Körper, oder dem Raume eine entgegengesetzte Bewegung zueignen will. Denn nunmehro kommt ein anderer Begriff der Quantität der Bewegung ins Spiel, nämlich nicht derjenigen, die bloß in Ansehung des Raumes gedacht wird und allein in der Geschwindigkeit besteht, sondern derjenigen, wobei zugleich die Quantität der Substanz (als bewegende Ursache) in Anschlag gebracht werden muß, und es ist hier nicht mehr beliebig, sondern notwendig, jeden der beiden Körper als bewegt anzunehmen, und zwar mit gleicher Quantität der Bewegung in entgegengesetzter Richtung; wenn aber der eine relative in Ansehung des Raumes in Ruhe ist, ihm die erfoderliche Bewegung zusamt dem Raume beizulegen. Denn einer kann auf den anderen durch seine eigene Bewegung nicht wirken, als entweder bei der Annäherung vermittelst der Zurückstoßungskraft, oder bei der Entfernung vermittelst der Anziehung. Da beide Kräfte nun jederzeit beiderseitig in entgegengesetzten Richtungen und gleich wirken, so kann kein Körper vermittelst ihrer durch seine Bewegung auf einen anderen wirken, ohne gerade so viel, als der andere mit gleicher Quantität der Bewegung entgegenwirkt. Also kann kein Körper einem schlechthinruhigen durch seine Bewegung Bewegung erteilen, sondern dieser muß gerade mit derselben Quantität der Bewegung (zusamt dem Raume) in entgegengesetzter Richtung bewegt sein, als diejenige ist, die er durch die Bewegung des ersteren und in der Richtung desselben erhalten soll. – Der Leser wird leicht inne werden, daß, unerachtet des etwas Ungewöhnlichen, welches diese Vorstellungsart der Mitteilung der Bewegung an sich hat, sie sich dennoch in das helleste Licht stellen lasse, wenn man die Weitläuftigkeit der Erläuterung nicht scheuet.

6

Die Gleichheit der Wirkung mit der in diesem Falle fälschlich sogenannten Gegenwirkung kommt eben so wohl heraus, wenn man, bei der Hypothese der Transfusion der Bewegungen aus einem Körper in den anderen, den bewegten Körper A dem ruhigen in einem Augenblicke seine ganze Bewegung überliefern läßt, so, daß er nach dem Stoße selber ruhe, welcher Fall unausbleiblich war, so bald man beide Körper als absolut-hart (welche Eigenschaft von der Elastizität unterschieden werden muß) dachte. Da dieses Bewegungsgesetz aber weder mit der Erfahrung, noch mit sich selbst in der Anwendung zusammenstimmen wollte, so wußte man sich nicht anders zu helfen, als dadurch, daß man die Existenz absolut-harter Körper leugnete, welches so viel hieß, als die Zufälligkeit dieses Gesetzes zugestehen, indem es auf der besonderen Qualität der Materie beruhen sollte, die einander bewegen. In unserer Darstellung dieses Gesetzes ist es dagegen ganz einerlei, ob man die Körper, die einander stoßen, absolut-hart oder nicht denken will. Wie aber die Transfusionisten der Bewegung die Bewegung elastischer Körper durch den Stoß nach ihrer Art erklären wollen, ist mir ganz unbegreiflich. Denn da ist klar, daß der ruhende Körper nicht als bloß ruhend Bewegung bekomme, die der stoßende einbüßt, sondern, daß er im Stoße wirkliche Kraft in entgegengesetzter Richtung gegen den stoßenden ausübe, um gleichsam die Feder zwischen beiden zusammen zu drücken, welches von seiner Seite eben so wohl wirkliche Bewegung (aber in entgegengesetzter Richtung) erfodert, als der bewegende Körper seiner Seits dazu nötig hat.

Quelle:
Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 9, Frankfurt am Main 1977, S. 100-122.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft
Metaphysische Anfangsgruende Der Naturwissenschaft
Akademie-Textausgabe, Bd.4, Kritik der reinen Vernunft (1. Aufl. 1781); Prolegomena; Grundlegung zur Metaphysik der Sitten; Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaften
Philosophische Bibliothek, Bd.508, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft.
Werke: Kritik der reinen Vernunft, Prolegomena, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft
Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Robert Guiskard. Fragment

Robert Guiskard. Fragment

Das Trauerspiel um den normannischen Herzog in dessen Lager vor Konstantinopel die Pest wütet stellt die Frage nach der Legitimation von Macht und Herrschaft. Kleist zeichnet in dem - bereits 1802 begonnenen, doch bis zu seinem Tode 1811 Fragment gebliebenen - Stück deutliche Parallelen zu Napoleon, dessen Eroberung Akkas 1799 am Ausbruch der Pest scheiterte.

30 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon