II. Arbeitsperiode größer als Zirkulationsperiode

[273] Es durchkreuzen sich die Arbeits- und Umschlagsperioden der Kapitale I und II, statt einander abzulösen. Gleichzeitig findet hier Freisetzung von Kapital statt, was bei dem bisher betrachteten Fall nicht vorkam.

Es ändert dies aber nichts daran, daß nach wie vor 1. die Zahl der Arbeitsperioden des vorgeschoßnen Gesamtkapitals gleich ist der Summe des Werts des Jahresprodukts beider vorgeschoßnen Kapitalteile, dividiert durch das vorgeschoßne Gesamtkapital, und 2. die Umschlagszahl des Gesamtkapitals gleich ist der Summe der beiden umgeschlagnen Beträge, dividiert durch die Summe der beiden vorgeschoßnen Kapitale. Wir müssen auch hier beide Kapitalteile so betrachten, als vollzögen sie voneinander ganz unabhängige Umschlagsbewegungen.[273]


Wir nehmen also wieder an, daß wöchentlich 100 Pfd. St. im Arbeitsprozeß vorzuschießen sind. Die Arbeitsperiode daure 6 Wochen, beanspruche also jedesmal 600 Pfd. St. Vorschuß (Kapital I). Die Zirku lationsperiode 3 Wochen; also Umschlagsperiode, wie oben, 9 Wochen. Ein Kapital II von 300 Pfd. St. trete ein während der dreiwöchentlichen Zirkulationsperiode von Kapital I. Betrachten wir beide als voneinander unabhängige Kapitale, so stellt sich das Schema des Jahresumschlags wie folgt:


Tabelle II

Kapital I, 600 Pfd. St. / Zusatzkapital II, 300 Pfd. St.


{titel}Tabelle IIKapital I, 600 Pfd. St.Umschlagsperioden Arbeitsperioden Vorschuß ZirkulationsperiodenWoche Woche Pfd. St. Woche—————————————————————————————————————————————————————————————————————————————I. 1. - 9. 1. - 6. 600 7. - 9.II. 10. - 18. 10. - 15. 600 16. - 18.III. 19. - 27. 19. - 24. 600 25. - 27.IV. 28. - 36. 28. - 33. 600 34. - 36.V. 37. - 45. 37. - 42. 600 43. - 45.VI. 46. -(54.) 46. - 51. 600 (52. - 54.)Zusatzkapital II, 300 Pfd. St.Umschlagsperioden Arbeitsperioden Vorschuß ZirkulationsperiodenWoche Woche Pfd. St. Woche——————————————————————————————————————————————————————————————————————————————I. 7. - 15. 7. - 9. 300 10. - 15.II. 16. - 24. 16. - 18. 300 19. - 24.III. 25. - 33. 25. - 27. 300 28. - 33.IV. 34. - 42. 34. - 36. 300 37. - 42.V. 43. - 51. 43. - 45. 300 46. - 51.

Der Produktionsprozeß geht das ganze Jahr durch ununterbrochen auf derselben Stufenleiter vor sich. Die beiden Kapitale I und II bleiben vollständig getrennt. Aber, um sie so getrennt darzustellen, mußten wir ihre wirklichen Kreuzungen und Verschlingungen zerreißen und dadurch auch die Umschlagszahl ändern. Nach obiger Tabelle nämlich schlüge


Kapital I 5 2/3 * 600 = 3.400 Pfd. St. um und" II 5 * 300 = 1.500 " "—————————————————————————————————also das Gesamtkapital 5 4/9 * 900 = 4.900 Pfd. St. um.
[274]


Dies stimmt aber nicht, weil, wie wir sehn werden, die wirklichen Produktions- und Zirkulationsperioden nicht absolut zusammenfallen mit denen des obigen Schemas, worin es hauptsächlich darauf ankam, die beiden Kapitale I und II als voneinander unabhängige erscheinen zu lassen.

In Wirklichkeit nämlich hat Kapital II keine von der des Kapital I getrennte, besondre Arbeits- und Zirkulationsperiode. Die Arbeitsperiode ist 6 Wochen, die Zirkulationsperiode 3 Wochen. Da Kapital II nur = 300 Pfd. St., kann es nur Teil einer Arbeitsperiode ausfüllen. Dies ist der Fall. Ende der 6. Woche tritt ein Produktenwert von 600 Pfd. St. in Zirkulation und fließt Ende der 9. Woche in Geld zurück. Damit tritt Anfang der 7. Woche das Kapital II in Tätigkeit und deckt die Bedürfnisse der nächsten Arbeitsperiode für die 7.- 9. Woche. Nun aber ist nach unsrer Annahme Ende der 9. Woche die Arbeitsperiode nur halb abgemacht. Es tritt also Anfang der 10. Woche das soeben zurückgeflossene Kapital I von 600 Pfd. St. wieder in Tätigkeit und füllt mit 300 Pfd. St. die für die 10-12. Woche nötigen Vorschüsse aus. Damit ist die zweite Arbeitsperiode erledigt. Es befindet sich ein Produktenwert von 600 Pfd. St. in Zirkulation und wird Ende der 15. Woche zurückfließen; daneben aber sind 300 Pfd. St., der Betrag des ursprünglichen Kapitals II, freigesetzt und können in der ersten Hälfte der folgenden Arbeitsperiode, also in der 13.-15. Woche, fungieren. Nach deren Ablauf fließen dann wieder die 600 Pfd. St. zurück; 300 Pfd. St. davon reichen bis zum Schluß der Arbeitsperiode, 300 Pfd. St. bleiben für die folgende freigesetzt.

Die Sache verläuft also wie folgt:

I. Umschlagsperiode: 1.-9. Woche.

1. Arbeitsperiode: 1.-6. Woche. Kapital I, 600 Pfd. St., fungiert.

1. Zirkulationsperiode: 7.-9. Woche. Ende der 9. Woche fließen 600 Pfd. St. zurück.

II. Umschlagsperiode: 7.-15. Woche.

2. Arbeitsperiode: 7.-12. Woche.

Erste Hälfte: 7.-9. Woche. Kapital II, 300 Pfd. St., fungieren. Ende der 9. Woche fließen 600 Pfd. St. in Geld zurück (Kapital l).

Zweite Hälfte: 10.-12. Woche. 300 Pfd. St. von Kapital I fungieren. Die andern 300 Pfd. St. von Kapital I bleiben freigesetzt.

2. Zirkulationsperiode: 13.-15. Woche.

Ende der 15. Woche fließen 600 Pfd. St. (halb aus Kapital I, halb aus Kapital II gebildet) in Geld zurück.

III. Umschlagsperiode: 13.-21. Woche.

3. Arbeitsperiode: 13.-18. Woche.[275]

Erste Hälfte: 13-15. Woche. Die freigesetzten 300 Pfd. St. treten in Funktion. Ende der 15. Woche fließen 600 Pfd. St. in Geld zurück.

Zweite Hälfte: 16.-18. Woche. Von den zurückgefloßnen 600 Pfd. St. fungieren 300 Pfd. St., die andern 300 Pfd. St. bleiben wieder freigesetzt.

3. Zirkulationsperiode: 19.-21. Woche, an deren Schluß wieder 600 Pfd. St. in Geld zurückfließen; in diesen 600 Pfd. St. sind Kapital I und Kapital II jetzt ununterscheidbar verschmolzen.

Auf diese Weise ergeben sich acht volle Umschlagsperioden eines Kapitals von 600 Pfd. St. (I: 1.-9. Woche; II: 7-15.; III: 13-21.; IV: 19-27.; V: 25-33.; VI: 31-39.; VII: 37-45.; VIII: 43-51. Woche) bis Ende der 51. Woche. Da aber die 49.-51. Woche auf die achte Zirkulationsperiode fallen, müssen während derselben die 300 Pfd. St. freigesetztes Kapital eintreten und die Produktion im Gang halten. Damit stellt sich der Umschlag am Ende des Jahres wie folgt: 600 Pfd. St. haben ihren Kreislauf achtmal vollendet, macht 4800 Pfd. St. Dazu kommt das Produkt der letzten 3 Wochen (49.-51.), das aber erst ein Drittel seines Kreislaufs von 9 Wochen zurückgelegt hat, also in der Umschlagssumme nur für ein Drittel seines Betrags, mit 100 Pfd. St. zählt. Wenn also das Jahresprodukt von 51 Wochen = 5100 Pfd. St., so ist das umgeschlagne Kapital nur 4800 + 100 = 4900 Pfd. St.; das vorgeschoßne Gesamtkapital von 900 Pfd. St. hat also 54/9mal umgeschlagen, also um eine Kleinigkeit mehr als unter Fall I.

In dem vorliegenden Beispiel war ein Fall unterstellt, wo die Arbeitszeit = 2/3, die Umlaufszeit = 1/3 der Umschlagsperiode, also die Arbeitszeit ein einfaches Multipel der Umlaufszeit ist. Es fragt sich, ob die oben konstatierte Freisetzung von Kapital auch stattfindet, wenn dies nicht der Fall.

Nehmen wir Arbeitsperiode = 5 Wochen, Umlaufszeit = 4 Wochen, Kapitalvorschuß per Woche 100 Pfd. St.

I. Umschlagsperiode: 1.-9. Woche.

1. Arbeitsperiode: 1.-5. Woche. Kapital I = 500 Pfd. St. fungiert.

1. Zirkulationsperiode: 6.-9. Woche. Ende der 9. Woche fließen 500 Pfd. St. in Geld zurück.

II. Umschlagsperiode: 6.-14. Woche.

2. Arbeitsperiode: 6.-10. Woche.

Erster Abschnitt: 6.-9. Woche. Kapital II = 400 Pfd. St. fungiert. Ende der 9. Woche fließt Kapital I = 500 Pfd. St. in Geld zurück.

Zweiter Abschnitt: 10. Woche. Von den zurückgefloßnen 500 Pfd. St. fungieren 100 Pfd. St. Die übrigen 400 Pfd. St. bleiben freigesetzt für die folgende Arbeitsperiode.[276]

2. Zirkulationsperiode: 11.-14. Woche. Am Ende der 14. Woche fließen 500 Pfd. St. in Geld zurück.

Bis zu Ende der 14. Woche (11.-14.) fungieren die oben freigesetzten 400 Pfd. St.; 100 Pfd. St. aus den alsdann zurückgefloßnen 500 Pfd. St. komplettieren den Bedarf für die dritte Arbeitsperiode (11.-15. Woche), so daß wiederum 400 Pfd. St. für die vierte Arbeitsperiode freigesetzt werden. Dasselbe Phänomen wiederholt sich in jeder Arbeitsperiode; bei ihrem Beginn findet sie 400 Pfd. St. vor, die für die ersten 4 Wochen reichen. Ende der 4. Woche fließen 500 Pfd. St. in Geld zurück, von denen nur 100 Pfd. St. für die letzte Woche benötigt sind, die übrigen 400 Pfd. St. für die nächste Arbeitsperiode freigesetzt bleiben.

Nehmen wir ferner eine Arbeitsperiode von 7 Wochen, mit Kapital I von 700 Pfd. St.; eine Umlaufszeit von 2 Wochen mit Kapital II von 200 Pfd. St.

Dann dauert die erste Umschlagsperiode von 1.-9. Woche, davon erste Arbeitsperiode 1.-7. Woche, mit Vorschuß von 700 Pfd. St., und erste Zirkulationsperiode 8.-9. Woche. Ende der 9. Woche fließen die 700 Pfd. St. in Geld zurück.

Die zweite Umschlagsperiode 8.-16. Woche umschließt die zweite Arbeitsperiode 8.-14. Woche. Davon ist der Bedarf für 8. und 9. Woche gedeckt durch Kapital II. Ende der 9. Woche fließen obige 700 Pfd. St. zurück; davon werden verbraucht bis Schluß der Arbeitsperiode (10.-14. Woche) 500 Pfd. St. Bleiben 200 Pfd. St. freigesetzt für die nächstfolgende Arbeitsperiode. Die zweite Umlaufsperiode dauert 15.-16. Woche; Ende der 16. Woche fließen wieder 700 Pfd. St. zurück. Von nun an wiederholt sich in jeder Arbeitsperiode dieselbe Erscheinung. Der Kapitalbedarf der ersten beiden Wochen ist gedeckt durch die am Schluß der vorigen Arbeitsperiode freigesetzten 200 Pfd. St.; Ende der 2. Woche fließen 700 zurück; die Arbeitsperiode zählt aber nur noch 5 Wochen, so daß sie nur 500 Pfd. St. verbrauchen kann; es bleiben also stets 200 Pfd. St. freigesetzt für die nächste Arbeitsperiode.

Es stellt sich also heraus, daß in unserm Fall, wo die Arbeitsperiode größer angenommen als die Umlaufsperiode, unter allen Umständen am Schluß einer jeden Arbeitsperiode sich ein Geldkapital freigesetzt findet, welches von gleicher Größe ist wie das für die Zirkulationsperiode vorgeschoßne Kapital II. In unsern drei Beispielen war Kapital II im ersten = 300 Pfd. St., im zweiten = 400 Pfd. St., im dritten = 200 Pfd. St.; dementsprechend war das am Schluß der Arbeitsperiode freigesetzte Kapital je 300,400,200 Pfd. St.[277]

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 273-278.
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