5. Zusammenfassung

[384] Die abgeschmackte Formel, daß die drei Revenuen, Arbeitslohn, Profit, Rente, drei »Bestandteile« des Warenwerts bilden, entspringt bei A. Smith aus der plausibleren, daß der Warenwert resolves itself, sich auflöst, in diese drei Bestandteile. Auch dies ist falsch, selbst vorausgesetzt, der Warenwert sei nur teilbar in das Äquivalent der verbrauchten Arbeitskraft und den von letztrer geschaffnen Mehrwert. Aber der Irrtum ruht hier wieder auf einer tiefern, wahren Grundlage. Die kapitalistische Produktion beruht darauf, daß der produktive Arbeiter seine eigne Arbeitskraft, als seine Ware, dem Kapitalisten verkauft, in dessen Händen sie dann bloß als ein Element seines produktiven Kapitals fungiert. Diese, der Zirkulation angehörige Transaktion – Verkauf und Kauf der Arbeitskraft –, leitet nicht nur den Produktionsprozeß ein, sondern bestimmt implizite seinen spezifischen Charakter. Die Produktion eines Gebrauchswerts und selbst die einer Ware (denn diese kann auch seitens unabhängiger produktiver Arbeiter vorgehn) ist hier nur Mittel für die Produktion von absolutem und relativem Mehrwert für den Kapitalisten. Wir haben daher bei Analyse des Produktionsprozesses gesehn, wie die Produktion von absolutem und relativem Mehrwert 1. die Dauer des täglichen Arbeitsprozesses, 2. die ganze gesellschaftliche und technische Gestaltung des kapitalistischen Produktionsprozesses bestimmt. Innerhalb dieses selbst verwirklicht sich die Unterscheidung zwischen bloßer Erhaltung von Wert (des konstanten Kapitalwerts), wirklicher Reproduktion von vorgeschoßnem Wert (Äquivalent der Arbeitskraft) und Produktion von Mehrwert, d.h. von Wert, wofür der Kapitalist kein Äquivalent weder vorher vorgeschossen hat noch post festum vorschießt.

Die Aneignung von Mehrwert – einem Wert, der überschüssig ist über das Äquivalent des vom Kapitalisten vorgeschoßnen Werts –, obgleich eingeleitet[384] durch den Kauf und Verkauf der Arbeitskraft, ist ein innerhalb des Produktionsprozesses selbst sich vollziehender Akt und bildet ein wesentliches Moment desselben.

Der einleitende Akt, der einen Zirkulationsakt bildet: der Kauf und Verkauf der Arbeitskraft, beruht selbst wieder auf einer der Distribution der gesellschaftlichen Produkte vorausgegangnen und vorausgesetzten Distribution der Produktionselemente, nämlich der Scheidung der Arbeitskraft als Ware des Arbeiters von den Produktionsmitteln als Eigentum von Nichtarbeitern.

Zugleich aber ändert diese Aneignung von Mehrwert oder diese Scheidung der Wertproduktion in Reproduktion von vorgeschoßnem Wert und Produktion von kein Äquivalent ersetzendem Neuwert (Mehrwert) durchaus nichts an der Substanz des Werts selbst und der Natur der Wertproduktion. Die Substanz des Werts ist und bleibt nichts außer verausgabter Arbeitskraft – Arbeit, unabhängig von dem besondren nützlichen Charakter dieser Arbeit –, und die Wertproduktion ist nichts als der Prozeß dieser Verausgabung. So gibt der Leibeigne während sechs Tagen Arbeitskraft aus, arbeitet während sechs Tagen, und macht es für die Tatsache dieser Verausgabung als solcher keinen Unterschied, daß er z.B. drei dieser Arbeitstage für sich auf seinem eignen Feld und drei andre für seinen Gutsherrn auf dessen Feld verrichtet. Seine freiwillige Arbeit für sich und seine Zwangsarbeit für seinen Herrn sind gleichmäßig Arbeit; soweit sie als Arbeit mit Bezug auf die von ihr geschaffnen Werte oder auch nützlichen Produkte betrachtet wird, findet kein Unterschied in seiner sechstägigen Arbeit statt. Der Unterschied bezieht sich nur auf die verschiednen Verhältnisse, wodurch die Verausgabung seiner Arbeitskraft während der beiden Hälften der sechstägigen Arbeitszeit veranlaßt wird. Ebenso verhält es sich mit der notwendigen und der Mehrarbeit des Lohnarbeiters.

Der Produktionsprozeß erlischt in der Ware. Daß in ihrer Herstellung Arbeitskraft verausgabt worden ist, erscheint jetzt als dingliche Eigenschaft der Ware, daß sie Wert besitzt; die Größe dieses Werts ist gemessen durch die Größe der verausgabten Arbeit; in ein weiteres löst sich der Warenwert nicht auf und besteht aus nichts andrem. Wenn ich eine gerade Linie von bestimmter Größe gezogen habe, so habe ich zuerst durch die Art der Zeichnung, die nach gewissen von mir unabhängigen Regeln (Gesetzen) geschieht, eine gerade Linie »produziert« (zwar nur symbolisch, was ich vorher weiß). Teile ich diese Linie in drei Abschnitte (die wieder einem bestimmten Problem entsprechen mögen), so bleibt jedes dieser drei Stücke nach wie vor gerade Linie, und die ganze Linie, deren Teile sie sind, wird[385] durch diese Teilung nicht in etwas von gerader Linie Unterschiednes, z.B. eine Kurve irgendeiner Art aufgelöst. Ebensowenig kann ich die Linie von gegebner Größe so teilen, daß die Summe dieser Teile größer als die ungeteilte Linie selbst wird; die Größe der ungeteilten Linie ist also auch nicht bestimmt durch beliebig bestimmte Größen der Teillinien. Umgekehrt, die relativen Größen der letztren sind von vornherein begrenzt durch die Grenzen der Linie, deren Teile sie sind.

Die vom Kapitalisten hergestellte Ware unterscheidet sich soweit in nichts von der durch einen selbständigen Arbeiter oder von Arbeitergemeinden oder von Sklaven hergestellten Ware. Jedoch gehört in unserm Fall das ganze Arbeitsprodukt wie sein ganzer Wert dem Kapitalisten. Wie jeder andre Produzent hat er die Ware erst durch den Verkauf in Geld zu verwandeln, um weiter damit manipulieren zu können; er muß sie in die Form von allgemeinem Äquivalent umsetzen. –

Betrachten wir das Warenprodukt, bevor es in Geld verwandelt wird. Es gehört ganz dem Kapitalisten. Es ist andrerseits als nützliches Arbeitsprodukt – als Gebrauchswert – ganz und gar das Produkt des vergangnen Arbeitsprozesses; nicht so sein Wert. Ein Teil dieses Werts ist nur in neuer Form wiedererscheinender Wert der in der Produktion der Ware verausgabten Produktionsmittel; dieser Wert ist nicht produziert worden während des Produktionsprozesses dieser Ware; denn diesen Wert besaßen die Produktionsmittel vor dem Produktionsprozeß, unabhängig von ihm; als seine Träger gingen sie ein in diesen Prozeß; was sich erneuert und verändert hat, ist nur seine Erscheinungsform. Dieser Teil des Warenwerts bildet für den Kapitalisten ein Äquivalent für den während der Warenproduktion verzehrten Teil seines vorgeschoßnen konstanten Kapitalwerts. Er existierte vorher in der Form von Produktionsmitteln; er existiert jetzt als Bestandteil des Werts der neuproduzierten Ware. Sobald letztre versilbert ist, muß dieser nun in Geld existierende Wert wieder verwandelt werden in Produktionsmittel, in seine ursprüngliche durch den Produktionsprozeß und seine Funktion in selbem bestimmte Form. Am Wertcharakter einer Ware wird nichts geändert durch die Kapitalfunktion dieses Werts. –

Ein zweiter Wertteil der Ware ist der Wert der Arbeitskraft, die der Lohnarbeiter an den Kapitalisten verkauft. Er ist bestimmt wie der Wert der Produktionsmittel, unabhängig von dem Produktionsprozeß, in den die Arbeitskraft eingehn soll, und wird fixiert in einem Zirkulationsakt, dem Kauf und Verkauf der Arbeitskraft, bevor diese in den Produktionsprozeß eingeht. Durch seine Funktion – die Verausgabung seiner Arbeitskraft – produziert der Lohnarbeiter einen Warenwert gleich dem Wert, den ihm[386] der Kapitalist für den Gebrauch seiner Arbeitskraft zu zahlen hat. Er gibt dem Kapitalisten diesen Wert in Ware, der zahlt ihm denselben in Geld. Daß dieser Teil des Warenwerts für den Kapitalisten nur ein Äquivalent für sein im Arbeitslohn vorzuschießendes variables Kapital ist, ändert durchaus nichts an der Tatsache, daß er ein während des Produktionsprozesses neugeschaffner Warenwert ist, der aus gar nichts andrem besteht als woraus der Mehrwert – nämlich aus verfloßner Verausgabung von Arbeitskraft. Ebensowenig wird diese Tatsache dadurch affiziert, daß der vom Kapitalisten in Form von Lohn an den Arbeiter gezahlte Wert der Arbeitskraft für den Arbeiter die Form von Revenue annimmt und daß hierdurch nicht nur die Arbeitskraft fortwährend reproduziert wird, sondern auch die Klasse der Lohnarbeiter als solche, und damit die Grundlage der gesamten kapitalistischen Produktion.

Die Summe dieser beiden Wertteile macht aber nicht den ganzen Warenwert aus. Es bleibt ein Überschuß über beide: der Mehrwert. Dieser ist, ebenso wie der das in Arbeitslohn vorgeschoßne variable Kapital ersetzende Wertteil, ein während des Produktionsprozesses vom Arbeiter neugeschaffner Wert – festgeronnene Arbeit. Nur kostet er dem Eigner des ganzen Produkts, dem Kapitalisten, nichts. Dieser letztre Umstand erlaubt in der Tat dem Kapitalisten, ihn ganz als Revenue zu verzehren, falls er nicht Teile davon an andre Anteilhaber abzutreten hat – wie Bodenrente an den Grundeigentümer, in welchem Fall dann diese Teile die Revenuen solcher dritten Personen bilden. Dieser selbe Umstand war auch das treibende Motiv, weswegen unser Kapitalist sich überhaupt mit der Warenproduktion befaßt hat. Aber weder seine ursprüngliche wohlmeinende Absicht, Mehrwert zu ergattern, noch die nachträgliche Verausgabung desselben als Revenue durch ihn und andre affizierenden Mehrwert als solchen. Sie ändern nichts daran, daß er festgeronnene unbezahlte Arbeit ist, und ebenfalls nichts an seiner Größe, die durch ganz andre Bedingungen bestimmt wird.

Wollte aber einmal A. Smith, wie er es tut, schon bei Betrachtung des Warenwerts sich damit beschäftigen, welche Rolle verschiednen Teilen desselben im Gesamtreproduktionsprozeß zufällt, so war klar, daß, wenn besondre Teile als Revenue fungieren, andre ebenso beständig als Kapital fungieren – und deswegen nach seiner Logik auch als konstituierende Teile des Warenwerts oder Teile, worin dieser sich auflöst, hätten bezeichnet werden müssen.

A. Smith identifiziert Warenproduktion überhaupt mit kapitalistischer Warenproduktion; die Produktionsmittel sind von vornherein »Kapital«, die Arbeit von vornherein Lohnarbeit, und daher ist

[387] »die Zahl der nützlichen und produktiven Arbeiter überall... im Verhältnis zu der Größe des zu ihrer Beschäftigung angewandten Kapitals (to the quantity of capital stock which is employed in setting them to work«. Introduction, p. 12).

Mit einem Wort, die verschiednen Faktoren des Arbeitsprozesses – gegenständliche und persönliche – erscheinen von vornherein in den Charaktermasken der kapitalistischen Produktionsperiode. Die Analyse des Warenwerts fällt daher auch unmittelbar zusammen mit der Rücksicht, wieweit dieser Wert einerseits bloßes Äquivalent für ausgelegtes Kapital, wieweit erA27 andrerseits »freien«, keinen vorgeschoßnen Kapitalwert ersetzenden Wert bildet oder Mehrwert. Die von diesem Standpunkt aus miteinander verglichnen Stücke des Warenwerts verwandeln sich so unterderhand in seine selbständigen »Bestandteile« und schließlich in »Quellen alles Werts«. Eine fernere Konsequenz ist die Komposition des Warenwerts aus oder abwechselnd seine »Auflösung in« Revenuen verschiedner Sorten, so daß die Revenuen nicht aus Warenwert, sondern der Warenwert aus »Revenuen« besteht. So wenig es aber an der Natur eines Warenwerts qua Warenwert oder des Geldes qua Geld ändert, daß sie als Kapitalwert fungieren, so wenig an einem Warenwert, daß er später als Revenue für diesen oder jenen fungiert. Die Ware, mit der A. Smith es zu tun hat, ist von vornherein Warenkapital (das, außer dem in der Produktion der Ware verzehrten Kapitalwert, den Mehrwert einschließt), also die kapitalistisch produzierte Ware, das Resultat des kapitalistischen Produktionsprozesses. Dieser hätte also vorher analysiert werden müssen, also auch der in ihm eingeschloßne Verwertungs- und Wertbildungsprozeß. Da dessen Voraussetzung selbst wieder die Warenzirkulation ist, so erheischt seine Darstellung also auch eine davon unabhängige und vorhergehende Analyse der Ware. Selbst soweit A. Smith »esoterisch« vorübergehend das Richtige trifft, nimmt er stets auf die Wertproduktion nur Rücksicht bei Gelegenheit der Warenanalyse, d.h. der Analyse des Warenkapitals.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 384-388.
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