III. Schematische Darstellung der Akkumulation

[501] Wir betrachten nun die Reproduktion nach folgendem Schema:

Schema a)

I. 4000c + 1000v + 1000m = 6000

II. 1500c + 376v + 376m = 2252

Summa = 8252.

Man bemerkt zunächst, daß die Gesamtsumme des jährlichen gesellschaftlichen Produkts = 8252 kleiner ist als im ersten Schema, wo sie = 9000 war. Wir könnten ebensogut eine viel größre Summe nehmen, sie meinetwegen verzehnfachen. Eine kleinre Summe als in Schema I ist gewählt, gerade um augenfällig zu machen, daß die Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter (die hier nur als mit größrer Kapitalanlage betriebne Produktion gefaßt wird) mit der absoluten Größe des Produkts nichts zu tun hat, daß sie für eine gegebne Warenmasse nur ein verschiednes Arrangement oder verschiedne Funktionsbestimmung der verschiednen Elemente des gegebnen Produkts voraussetzt, dem Wertumfang nach also zunächst nur einfache Reproduktion ist. Nicht die Quantität, sondern die qualitative Bestimmung der gegebnen Elemente der einfachen Reproduktion ändert sich, und diese Änderung ist die materielle Voraussetzung der später folgenden Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter.63[501]

Wir könnten das Schema verschieden darstellen bei verschiednen Verhältnissen zwischen variablem und konstantem Kapital; z.B. so:

Schema b)

I. 4000c + 875v + 875m = 5750

II. 1750c + 376v + 376m = 2502

Summa = 8252.

So erschiene es als arrangiert für Reproduktion auf einfacher Stufenleiter, so daß der Mehrwert ganz als Revenue verausgabt und nicht akkumuliert würde. In beiden Fällen, unter a) wie unter b) haben wir ein jährliches Produkt vom selben Wertumfang, nur das eine Mal sub b) mit solcher Funktionsgruppierung seiner Elemente, daß die Reproduktion auf derselben Stufenleiter wieder beginnt, während sie sub a) die materielle Basis der Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter bildet. Sub b) nämlich setzen sich (875v + 875m) I = 1750 I(v+m) ohne Überschuß um gegen 1750 IIc, während sub a) (1000v + 1000m) I = 2000 I(v+m) im Umsatz mit 1500 IIc einen Überschuß von 500 Im für die Akkumulation bei Klasse I übrig lassen.

Nun zur nähern Analyse des Schema a). Unterstellen wir, daß sowohl in I wie in II eine Hälfte des Mehrwerts, statt als Revenue ausgegeben zu werden, akkumuliert, d.h. in Element von zuschüssigem Kapital verwandelt wird. Da die Hälfte von 1000 Im = 500 in einer oder der andern Form akkumuliert, als zuschüssiges Geldkapital angelegt, d.h. in zuschüssiges produktives Kapital verwandelt werden soll, so werden nur (1000v + 500m) I als Revenue verausgabt. Als normale Größe von IIc figuriert daher hier auch nur 1500. Der Umsatz zwischen 1500 I(v+m) und 1500 IIc ist nicht weiter zu untersuchen, da er als Prozeß der einfachen Reproduktion bereits dargestellt; ebensowenig kommt 4000 Ic in Betracht, da sein Rearrangement für die neubeginnende Reproduktion (die diesmal auf erweiterter Stufenleiter stattfindet) ebenfalls als Prozeß der einfachen Reproduktion erörtert wurde.

Was also hier allein zu untersuchen bleibt, ist: 500 Im und (376v + 376m) II, soweit einerseits die innern Verhältnisse sowohl von I wie von II in Betracht kommen, andrerseits die Bewegung zwischen den beiden. Da vorausgesetzt ist, daß in II ebenfalls die Hälfte des Mehrwerts akkumuliert werden soll, so sind hier in Kapital zu verwandeln 188, davon 1/4 invariables = 47, sage der rundren Zahl wegen 48; bleibt in konstantes zu verwandeln 140.[502]

Wir stoßen hier auf ein neues Problem, dessen bloße Existenz der laufenden Einsicht, daß Waren einer Art sich gegen Waren andrer Art, ditto Waren gegen Geld und dasselbige Geld wieder gegen Ware andrer Art auszutauschen pflegt, wunderlich erscheinen muß. Die 140 IIm können nur dadurch in produktives Kapital verwandelt werden, daß sie ersetzt werden durch einen Teil der Waren Im zum selben Wertbetrag. Es versteht sich von selbst, daß der mit IIm umzusetzende Teil von Im aus Produktionsmitteln bestehn muß, die entweder sowohl in die Produktion von I wie in die von II oder aber ausschließlich nur in die von II eingehn können. Dieser Ersatz kann nur geschehn durch einseitigen Kauf seitens II, da das ganze noch zu betrachtende Mehrprodukt 500 Im zur Akkumulation innerhalb I dienen soll, also nicht ausgetauscht werden kann gegen Waren II; in andern Worten, von I nicht gleichzeitig akkumuliert und aufgegessen werden kann. II muß 140 Im also mit barem Geld kaufen, ohne daß dies Geld zu ihm zurückflösse durch nachfolgenden Verkauf seiner Ware an I. Und zwar ist dies ein beständig, bei jeder jährlichen Neuproduktion, soweit sie Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter, sich wiederholender Prozeß. Wo springt dafür die Geldquelle in II?

II scheint im Gegenteil für die die wirkliche Akkumulation begleitende und bei kapitalistischer Produktion sie bedingende Bildung von neuem Geldkapital, die faktisch zunächst als einfache Schatzbildung sich darstellt, ein durchaus unergiebiges Feld.

Zunächst haben wir 376 IIv; das Geldkapital von 376, vorgeschossen in Arbeitskraft, kehrt durch den Ankauf in Waren II beständig als variables Kapital in Geldform zu dem Kapitalisten II zurück. Diese beständig sich wiederholende Entfernung vom und Rückkehr zum Ausgangspunkt – der Tasche des Kapitalisten – vermehrt das in diesem Kreislauf sich herumtreibende Geld in keiner Weise. Dies also ist keine Quelle von Geldakkumulation; dies Geld kann dieser Zirkulation auch nicht entzogen werden, um aufgeschatztes, virtuell neues Geldkapital zu bilden.

Aber halt! Ist hier nicht ein Profitchen zu machen?

Wir müssen nicht vergessen, daß die Klasse II den Vorzug vor Klasse I besitzt, daß die Arbeiter, die sie anwendet, die von ihnen selbst produzierten Waren von ihr wieder zu kaufen haben. Klasse II ist Käufer der Arbeitskraft und zugleich Verkäufer von Waren an die Besitzer der von ihr angewandten Arbeitskraft. Klasse II kann also:

1. und das hat sie mit den Kapitalisten der Klasse I gemein, einfach den Lohn unter seine normale Durchschnittshöhe herabdrücken. Dadurch wird ein Teil des als Geldform des variablen Kapitals fungierenden Geldes freigesetzt,[503] und dies könnte bei beständiger Wiederholung desselben Prozesses eine normale Quelle der Schatzbildung, also auch der Bildung von virtuell zuschüssigem Geldkapital in Klasse II werden. Mit zufälligem Schwindelprofit haben wir es natürlich hier, wo es sich von normaler Kapitalbildung handelt, nicht zu schaffen. Es darf aber nicht vergessen werden, daß der wirklich gezahlte normale Arbeitslohn (der ceteris paribus die Größe des variablen Kapitals bestimmt) keineswegs aus Güte der Kapitalisten gezahlt wird, sondern unter gegebnen Verhältnissen gezahlt werden muß. Damit ist diese Erklärungsweise beseitigt. Wenn wir 376v als das von Klasse II zu verausgabende variable Kapital voraussetzen, dürfen wir, um ein neu aufstoßendes Problem zu erklären, nicht plötzlich die Hypothese unterschieben, daß sie etwa nur 350v vorschießt und nicht 376v.

2. Andrerseits aber hat die Klasse II, als Gesamtheit betrachtet, wie gesagt, den Vorzug vor Klasse I, daß sie zugleich Käufer der Arbeitskraft und ebenso Wiederverkäufer ihrer Ware an ihre eignen Arbeiter ist. Und wie dies ausgebeutet werden kann – wie nominell der normale Arbeitslohn gezahlt werden, in der Tat aber ein Teil davon ohne entsprechendes Waren äquivalent wieder zurückgeschnappt, alias zurückgestohlen werden kann; wie dies teils vermittelst des Trucksystems, teils vermittelst Fälschung (wenn auch vielleicht legal nicht faßbarer) des zirkulierenden Mediums fertig gebracht werden kann –, davon liegen in jedem industriellen Land die handgreiflichsten Data vor. Z.B in England und in den Vereinigten Staaten (Bei dieser Gelegenheit dies an artigen Exempeln etwas auszuspinnen.) Es ist dies dieselbe Operation wie sub 1., nur verkleidet und auf einem Umweg exekutiert. Sie ist also hier ebensosehr zurückzuweisen wie jene. Es handelt sich hier um wirklich, nicht nominell gezahlten Arbeitslohn.

Man sieht, bei der objektiven Analyse des kapitalistischen Mechanismus sind gewisse, demselben noch extraordinär anklebende Schandflecken nicht als Ausflüchte zur Beseitigung theoretischer Schwierigkeiten zu verwerten. Aber sonderbarerweise schreit die große Mehrzahl meiner bürgerlichen Kritiker, als ob ich z.B. in Buch I des »Kapitals« durch die Annahme, daß der Kapitalist den wirklichen Wert der Arbeitskraft zahlt, was er großenteils nicht tut, selbigen Kapitalisten ein Unrecht angetan hätte! (Hier kann Schäffle mit der mir beigelegten Großmut zitiert werden.)

Mit 376 IIv ist also zu dem erwähnten Zweck nichts anzustellen.

Aber noch bedenklicher scheint's mit dem 376 IIm zu stehn. Hier stehn sich nur Kapitalisten derselben Klasse gegenüber, die die von ihnen produzierten Konsumtionsmittel wechselseitig aneinander verkaufen und voneinander kaufen. Das zu diesem Umsatz nötige Geld fungiert nur als Zirkulationsmittel[504] und muß bei normalem Verlauf zu den Beteiligten zurückfließen, in dem Maß, wie sie es der Zirkulation vorgeschossen haben, um stets von neuem dieselbe Bahn zu durchlaufen.

Entziehung dieses Geldes aus der Zirkulation zur Bildung von virtuell zusätzlichem Geldkapital scheint nur auf zweierlei Weg möglich. Entweder ein Teil der Kapitalisten II beschwindelt den andern und bringt so Geldraub zu Weg. Zur Bildung von neuem Geldkapital ist, wie wir wissen, keine vorläufige Erweiterung des umlaufenden Mediums nötig; es ist nichts nötig, als daß das Geld von gewissen Seiten her der Zirkulation entzogen und als Schatz aufgespeichert wird. Daß das Geld gestohlen sein kann und daher Bildung von zusätzlichem Geldkapital unter einem Teil der Kapitalisten II verbunden sein kann mit positivem Geldverlust eines andern Teils, würde nichts zur Sache tun. Der beschwindelte Teil der Kapitalisten II würde etwas weniger flott leben müssen, das wäre aber auch alles.

Oder aber, ein in notwendigen Lebensmitteln sich darstellender Teil von IIm wird direkt in neues variables Kapital innerhalb Abteilung II verwandelt. Wie dies geschieht, wird am Schluß dieses Kapitels (unter Nr. IV) untersucht werden.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 501-505.
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