a) Die Metamorphose der Waren

[69] Bei näherer Betrachtung zeigt der Zirkulationsprozeß zwei verschiedene Formen von Kreisläufen. Nennen wir die Ware W, das Geld G, so können wir diese beiden Formen ausdrücken als:

W – G – W

G – W – G[69]

In diesem Abschnitt beschäftigt uns ausschließlich die erste Form, oder die unmittelbare Form der Warenzirkulation.

Der Kreislauf W – G – W zerlegt sich in die Bewegung W – G, Austauschen von Ware gegen Geld oder Verkaufen; in die entgegengesetzte Bewegung G – W, Austauschen von Geld gegen Ware oder Kaufen, und in die Einheit beider Bewegungen W – G – W, Austauschen von Ware gegen Geld, um Geld gegen Ware auszutauschen, oder Verkaufen um zu Kaufen. Als Resultat aber, worin der Prozeß erlischt, ergibt sich WW, Austausch von Ware gegen Ware, der wirkliche Stoffwechsel.

W – G – W, wenn man vom Extrem der ersten Ware ausgeht, stellt ihre Verwandlung in Gold und ihre Rückverwandlung aus Gold in Ware dar, oder eine Bewegung, worin die Ware zuerst als besonderer Gebrauchswert existiert, dann diese Existenz abstreift, eine von allem Zusammenhang mit ihrem naturwüchsigen Dasein losgelöste Existenz als Tauschwert oder allgemeines Äquivalent gewinnt, diese wieder abstreift und schließlich als wirklicher Gebrauchswert für einzelne Bedürfnisse zurückbleibt. In dieser letzten Form fällt sie aus der Zirkulation in die Konsumtion. Das Ganze der Zirkulation W – G – W ist daher zunächst die Gesamtreihe der Metamorphosen, welche jede einzelne Ware durchläuft, um unmittelbarer Gebrauchswert für ihren Inhaber zu werden. Die erste Metamorphose vollzieht sich in der ersten Hälfte der Zirkulation W – G, die zweite in der andern Hälfte G – W, und die ganze Zirkulation bildet das curriculum vitae der Ware. Aber die Zirkulation W – G – W ist nur die Gesamtmetamorphose einer einzelnen Ware, indem sie zugleich Summe von bestimmten einseitigen Metamorphosen anderer Waren ist, denn jede Metamorphose der ersten Ware ist ihre Verwandlung in eine andere Ware, also Verwandlung der andern Ware in sie, also doppelseitige Verwandlung, die sich in demselben Stadium der Zirkulation vollzieht. Wir haben zunächst jeden der beiden Austauschprozesse, worin die Zirkulation W – G – W zerfällt, isoliert zu betrachten.

W – G oder Verkauf: W, die Ware, tritt in den Zirkulationsprozeß nicht nur als besonderer Gebrauchswert, z.B. als Tonne Eisen, sondern als Gebrauchswert von bestimmtem Preis, sage von 3 Pfd. St. 17 sh. 101/2 d. oder einer Unze Gold. Dieser Preis, während er einerseits der Exponent des im Eisen enthaltenen Quantums Arbeitszeit, d.h. seiner Wertgröße ist, drückt zugleich den frommen Wunsch des Eisens aus, Gold zu werden, d.h. der in ihm selbst enthaltenen Arbeitszeit die Gestalt der allgemeinen gesellschaftlichen Arbeitszeit zu geben. Gelingt diese Transsubstantiation nicht, so hört[70] die Tonne Eisen auf, nicht nur Ware, sondern Produkt zu sein, denn sie ist nur Ware, weil Nicht-Gebrauchswert für ihren Besitzer, oder seine Arbeit ist nur wirkliche Arbeit als nützliche Arbeit für andere, und sie ist nur nützlich für ihn als abstrakt allgemeine Arbeit. Es ist daher die Aufgabe des Eisens oder seines Besitzers, den Punkt in der Warenwelt aufzufinden, wo Eisen Gold anzieht. Diese Schwierigkeit, der salto mortale der Ware, ist aber überwunden, wenn der Verkauf, wie hier in der Analyse der einfachen Zirkulation unterstellt wird, wirklich vorgeht. Indem die Tonne Eisen durch ihre Veräußerung, d.h. ihr Übergehen aus der Hand, wo sie Nicht-Gebrauchswert, in die Hand, worin sie Gebrauchswert ist, sich als Gebrauchswert verwirklicht, realisiert sie zugleich ihren Preis und wird aus nur vorgestelltem Gold wirkliches Gold. An die Stelle des Namens Unze Gold oder 3 Pfd. St. 17 sh. 101/2 d. Ist nun eine Unze wirklichen Goldes getreten, aber die Tonne Eisen hat den Platz geräumt. Durch den Verkauf W – G wird nicht nur die Ware, die in ihrem Preise ideell in Gold verwandelt war, reell in Gold verwandelt, sondern durch denselben Prozeß wird das Gold, das als Maß der Werte nur ideelles Gold war und in der Tat nur als Geldnamen der Waren selbst figurierte, in wirkliches Geld verwandelt.65 Wie es ideell allgemeines Äquivalent wurde, weil alle Waren ihre Werte in ihm maßen, wird es jetzt als Produkt der allseitigen Veräußerung der Waren gegen es, und der Verkauf W – G ist der Prozeß dieser allgemeinen Veräußerung, die absolut veräußerliche Ware, reelles Geld. Gold wird aber nur im Verkauf reell Geld, weil die Tauschwerte der Waren in den Preisen schon ideell Gold waren.

Im Verkauf W – G, ebenso wie im Kauf G – W, stehen sich zwei Waren gegenüber, Einheiten von Tauschwert und Gebrauchswert, aber an der Ware existiert ihr Tauschwert nur ideell als Preis, während am Gold, obgleich es selbst ein wirklicher Gebrauchswert ist, sein Gebrauchswert nur als Träger des Tauschwerts existiert und daher nur als formaler, auf kein wirkliches individuelles Bedürfnis bezogener Gebrauchswert. Der Gegensatz von Gebrauchswert und Tauschwert verteilt sich also polarisch an die beiden Extreme von W – G, so daß die Ware dem Gold gegenüber Gebrauchswert ist, der seinen ideellen Tauschwert, den Preis, erst im Gold realisieren muß,[71] während das Gold der Ware gegenüber Tauschwert ist, der seinen formalen Gebrauchswert erst in der Ware materialisiert. Nur durch diese Verdoppelung der Ware in Ware und Gold, und durch die wieder doppelte und entgegengesetzte Beziehung, worin jedes Extrem ideell ist, was sein Gegenteil reell ist, und reell ist, was sein Gegenteil ideell ist, also nur durch Darstellung der Waren als doppelseitig polarischer Gegensätze lösen sich die in ihrem Austauschprozeß enthaltenen Widersprüche.

Wir haben bisher W – G als Verkauf betrachtet, Verwandlung von Ware in Geld. Stellen wir uns aber auf die Seite des andern Extrems, so erscheint derselbe Prozeß vielmehr als G – W, als Kauf, als Verwandlung von Geld in Ware. Verkauf ist notwendig zugleich sein Gegenteil, Kauf, das eine, wenn man den Prozeß von der einen, und das andere, wenn man ihn von der andern Seite ansieht. Oder in der Wirklichkeit unterscheidet sich der Prozeß nur, weil in W – G die Initiative vom Extrem der Ware oder des Verkäufers, in G – W vom Extrem des Geldes oder des Käufers ausgeht. Indem wir also die erste Metamorphose der Ware, ihre Verwandlung in Geld als Resultat des Durchlaufens des ersten Zirkulationsstadiums W – G darstellen, unterstellen wir gleichzeitig, daß eine andere Ware sich schon in Geld verwandelt hat, sich also schon im zweiten Zirkulationsstadium G – W befindet. So geraten wir in einen fehlerhaften Zirkel der Voraussetzungen. Die Zirkulation selbst ist dieser fehlerhafte Zirkel. Betrachten wir G in W – G nicht schon als Metamorphose einer andern Ware, so nehmen wir den Austauschakt aus dem Zirkulationsprozeß heraus. Außerhalb desselben verschwindet aber die Form W – G, und es stehen sich nur noch zwei verschiedene W, sage Eisen und Gold gegenüber, deren Austausch kein besonderer Akt der Zirkulation, sondern des unmittelbaren Tauschhandels ist. Gold ist Ware wie jede andere Ware an der Quelle seiner Produktion. Sein relativer Wert und der des Eisens, oder jeder andern Ware, stellt sich hier dar in den Quantitäten, worin sie sich wechselseitig austauschen. Aber im Zirkulationsprozeß ist diese Operation vorausgesetzt, in den Warenpreisen ist sein eigener Wert bereits gegeben. Es kann daher nichts irriger sein, als die Vorstellung, daß innerhalb des Zirkulationsprozesses Gold und Ware in das Verhältnis des unmittelbaren Tauschhandels treten und daher ihr relativer Wert durch ihren Austausch als einfache Waren ermittelt wird. Wenn es so scheint, als ob im Zirkulationsprozeß Gold als bloße Ware gegen Waren ausgetauscht werde, entspringt der Schein einfach daher, daß in den Preisen bestimmte Quantität Ware schon bestimmtem Quantum Gold gleichgesetzt, d.h. auf das Gold schon als Geld, allgemeines Äquivalent, bezogen und daher unmittelbar mit ihm austauschbar ist. Soweit sich der Preis einer Ware im Gold realisiert, tauscht sie sich gegen[72] es als Ware aus, als besondere Materiatur der Arbeitszeit, aber soweit es ihr Preis ist, der sich in ihm realisiert, tauscht sie sich gegen es aus als Geld und nicht als Ware, d.h. gegen es als allgemeine Materiatur der Arbeitszeit. In beiden Beziehungen aber wird das Quantum Gold, wogegen sich die Ware innerhalb des Zirkulationsprozesses austauscht, nicht durch den Austausch bestimmt, sondern der Austausch durch den Preis der Ware, d.h. ihren in Gold geschätzten Tauschwert.66

Innerhalb des Zirkulationsprozesses erscheint das Gold in jeder Hand als Resultat des Verkaufs W – G. Da aber W – G, der Verkauf, zugleich G – W, der Kauf, ist, zeigt sich, daß während W, die Ware, wovon der Prozeß ausgeht, ihre erste Metamorphose, die andere Ware, die als Extrem G gegenübersteht, ihre zweite Metamorphose vollzieht und daher die zweite Hälfte der Zirkulation durchläuft, während die erste Ware sich noch in der ersten Hälfte ihres Kursus befindet.

Als Resultat des ersten Prozesses der Zirkulation, des Verkaufs, ergibt sich der Ausgangspunkt des zweiten, das Geld. An die Stelle der Ware in ihrer ersten Form ist ihr goldenes Äquivalent getreten. Dies Resultat kann zunächst einen Ruhepunkt bilden, da die Ware in dieser zweiten Form eigene ausharrende Existenz besitzt. Die Ware, in der Hand ihres Inhabers kein Gebrauchswert, ist jetzt in stets brauchbarer, weil stets austauschbarer Form vorhanden, und es hängt von Umständen ab, wann und an welchem Punkte auf der Oberfläche der Warenwelt sie wieder in Zirkulation tritt. Ihre Goldverpuppung bildet einen selbständigen Abschnitt in ihrem Leben, worin sie kürzer oder länger verweilen kann. Während im Tauschhandel der Austausch eines besondern Gebrauchswerts unmittelbar an den Austausch eines andern besondern Gebrauchswerts gebunden ist, erscheint der allgemeine Charakter der Tauschwert setzenden Arbeit in der Trennung und dem gleichgültigen Auseinanderfallen der Akte des Kaufs und Verkaufs.

G – W, der Kauf, ist die umgekehrte Bewegung von W – G und zugleich die zweite oder Schlußmetamorphose der Ware. Als Gold oder in ihrem Dasein als allgemeines Äquivalent ist die Ware unmittelbar darstellbar in den Gebrauchswerten aller andern Waren, die in ihren Preisen alle das Gold zugleich als ihr jenseits anstreben, zugleich aber die Note anzeigen, worin es erklingen muß, damit ihre Leiber, die Gebrauchswerte, auf Seite des Geldes,[73] ihre Seele, der Tauschwert, aber in das Gold selbst springt. Das allgemeine Produkt der Veräußerung der Waren ist die absolut veräußerliche Ware. Es existiert keine qualitative, sondern nur noch eine quantitative Schranke für die Verwandlung des Goldes in Ware, die Schranke seiner eigenen Quantität oder Wertgröße. »Es ist alles zu haben für bar Geld.« Während die Ware in der Bewegung W – G durch Entäußerung als Gebrauchswert ihren eigenen Preis und den Gebrauchswert des fremden Geldes realisiert, realisiert sie in der Bewegung G – W durch ihre Entäußerung als Tauschwert ihren eigenen Gebrauchswert und den Preis der andern Ware. Wenn die Ware durch Realisierung ihres Preises zugleich das Gold in wirkliches Geld, verwandelt sie durch ihre Rückverwandlung das Gold in ihr eigenes bloß verschwindendes Gelddasein. Da die Warenzirkulation entwickelte Teilung der Arbeit voraussetzt, also Vielseitigkeit der Bedürfnisse des einzelnen in umgekehrtem Verhältnis zur Einseitigkeit seines Produkts, wird der Kauf G – W sich bald in einer Gleichung mit einem Warenäquivalent darstellen, bald zersplittern in eine jetzt durch den Kreis der Bedürfnisse des Käufers und die Größe seiner Geldsumme umschriebene Reihe von Warenäquivalenten. – Wie der Verkauf zugleich Kauf, so ist der Kauf zugleich Verkauf, G – W zugleich W – G, aber die Initiative gehört hier dem Gold oder dem Käufer.

Kehren wir nun zur Gesamtzirkulation W – G – W zurück, so zeigt sich, daß in ihr eine Ware die Gesamtreihe ihrer Metamorphosen durchläuft. Gleichzeitig aber, während sie die erste Hälfte der Zirkulation beginnt und die erste Metamorphose vollzieht, tritt eine zweite Ware in die zweite Hälfte der Zirkulation, vollzieht ihre zweite Metamorphose und fällt aus der Zirkulation heraus, und umgekehrt tritt die erste Ware in die zweite Hälfte der Zirkulation, vollzieht ihre zweite Metamorphose und fällt aus der Zirkulation heraus, während eine dritte Ware in die Zirkulation eintritt, die erste Hälfte ihres Kursus durchmacht und die erste Metamorphose vollzieht. Die Gesamtzirkulation W – G – W als Gesamtmetamorphose einer Ware ist also stets zugleich das Ende der Gesamtmetamorphose einer zweiten und der Beginn der Gesamtmetamorphose einer dritten Ware, also eine Reihe ohne Anfang und Ende. Bezeichnen wir zur Verdeutlichung, um die Waren zu unterscheiden, W in beiden Extremen verschieden, z.B. als W' – G – W''. In der Tat, das erste Glied W' – G unterstellt G als Resultat eines andern W – G, ist also selbst nur das letzte Glied von W – G – W', während das zweite Glied G – W'' in seinem Resultat W'' – G ist, also selbst sich darstellt als erstes Glied von W'' – G – W''' usw. Ferner zeigt es sich, daß das letzte Glied G – W, obgleich G Resultat nur eines Verkaufs ist, sich darstellen kann als G – W' + G – W'' + G – W''' + etc., sich also in eine Masse Käufe, d.h. eine Masse[74] Verkäufe, d.h. eine Masse erster Glieder von neuen Gesamtmetamorphosen von Waren zersplittern kann. Wenn also die Gesamtmetamorphose einer einzelnen Ware sich nicht nur als Glied einer anfangs- und endlosen Metamorphosenkette, sondern vieler solcher Ketten darstellt, stellt sich der Zirkulationsprozeß der Warenwelt, da jede einzelne Ware die Zirkulation W – G – W durchläuft, als ein unendlich verschlungenes Kettengewirr dieser an unendlich verschiedenen Punkten stets endenden und stets neu beginnenden Bewegung dar. Jeder einzelne Verkauf oder Kauf besteht aber zugleich als ein gleichgültiger und isolierter Akt, dessen ergänzender Akt zeitlich und räumlich von ihm getrennt sein kann und sich daher nicht als Fortsetzung unmittelbar an ihn anzuschließen braucht. Indem jeder besondere Zirkulationsprozeß W – G oder G – W als Verwandlung einer Ware in Gebrauchswert und der andern Ware in Geld, als erstes und zweites Stadium der Zirkulation, nach zwei Seiten hin einen selbständigen Ruhepunkt bildet, andererseits aber alle Waren in der ihnen gemeinschaftlichen Gestalt des allgemeinen Äquivalents, des Goldes, ihre zweite Metamorphose beginnen und sich an den Ausgangspunkt der zweiten Zirkulationshälfte stellen, reiht sich in der wirklichen Zirkulation ein beliebiges G – W an ein beliebiges W – G, das zweite Kapitel im Lebenslauf einer Ware an das erste Kapitel im Lebenslauf der andern. A z.B. verkauft Eisen für 2 Pfd. St., vollzieht also W – G oder die erste Metamorphose der Ware Eisen, verschiebt aber den Kauf für spätere Zeit. Gleichzeitig kauft B, der 14 Tage früher 2 Quarter Weizen für 6 Pfd. St. verkauft hatte, mit denselben 6 Pfd. St. Rock und Hose von Moses und Sohn, vollzieht also G – W oder die zweite Metamorphose der Ware Weizen. Diese beiden Akte G – W und W – G erscheinen hier nur als Glieder einer Kette, weil in G, im Gold, eine Ware aussieht wie die andere und im Gold nicht wiederzuerkennen ist, ob es metamorphosiertes Eisen oder metamorphosierter Weizen. Im wirklichen Zirkulationsprozeß stellt sich also W – G – W dar als unendlich zufälliges Nebeneinander und Nacheinander buntgewürfelter Glieder verschiedener Gesamtmetamorphosen. Der wirkliche Zirkulationsprozeß erscheint also nicht als Gesamtmetamorphose der Ware, nicht als ihre Bewegung durch entgegengesetzte Phasen, sondern als bloßes Aggregat vieler zufällig nebeneinander laufender oder einander folgender Käufe und Verkäufe. Die Formbestimmtheit des Prozesses ist so ausgelöscht, und um so vollständiger als jeder einzelne Zirkulationsakt, z.B. der Verkauf, zugleich sein Gegenteil, der Kauf, ist und umgekehrt. Andrerseits ist der Zirkulationsprozeß die Bewegung der Metamorphosen der Warenwelt und muß sie daher auch in seiner Gesamtbewegung widerspiegeln. Wie er sie reflektiert, betrachten wir im folgenden Abschnitt. Hier mag nur noch bemerkt werden,[75] daß in W – G – W die beiden Extreme W nicht in derselben Formbeziehung zu G stehen. Das erste W verhält sich als besondere Ware zum Geld als der allgemeinen Ware, während Geld als die allgemeine Ware sich zum zweiten W als einzelner Ware verhält. W – G – W kann daher abstrakt logisch auf die Schlußform B – A – E reduziert werden, worin die Besonderheit das erste Extrem, die Allgemeinheit die zusammenschließende Mitte und die Einzelheit das letzte Extrem bildet.

Die Warenbesitzer traten in den Zirkulationsprozeß einfach als Hüter von Waren. Innerhalb desselben treten sie sich in der gegensätzlichen Form von Käufer und Verkäufer gegenüber, der eine personifizierter Zuckerhut, der andere personifiziertes Gold. Wie nun der Zuckerhut Gold wird, wird der Verkäufer Käufer. Diese bestimmten sozialen Charaktere entspringen also keineswegs aus der menschlichen Individualität überhaupt, sondern aus den Austauschverhältnissen von Menschen, die ihre Produkte in der bestimmten Form der Ware produzieren. Es sind so wenig rein individuelle Verhältnisse, die sich im Verhältnis des Käufers und Verkäufers ausdrücken, daß beide nur in diese Beziehung treten, soweit ihre individuelle Arbeit verneint, nämlich als Arbeit keines Individuums Geld wird. So albern es daher ist, diese ökonomisch bürgerlichen Charaktere von Käufer und Verkäufer als ewige gesellschaftliche Formen der menschlichen Individualität aufzufassen, ebenso verkehrt ist es, sie als Aufhebung der Individualität zu betränen.67 Sie sind notwendige Darstellung der Individualität auf Grundlage einer bestimmten Stufe[76] des gesellschaftlichen Produktionsprozesses. Im Gegensatz von Käufer und Verkäufer drückt sich zudem die antagonistische Natur der bürgerlichen Produktion noch so oberflächlich und formell aus, daß dieser Gegensatz auch vor bürgerlichen Gesellschaftsformen angehört, indem er bloß erheischt, daß die Individuen sich aufeinander als Inhaber von Waren beziehen.

Betrachten wir nun das Resultat von W – G – W, so sinkt es zusammen in den Stoffwechsel WW. Ware ist gegen Ware, Gebrauchswert gegen Gebrauchswert ausgetauscht worden, und die Geldwerdung der Ware, oder die Ware als Geld, dient nur zur Vermittlung dieses Stoffwechsels. Das Geld erscheint so als bloßes Tauschmittel der Waren, aber nicht als Tauschmittel überhaupt, sondern durch den Zirkulationsprozeß charakterisiertes Tauschmittel, d.h. Zirkulationsmittel.68

Daraus, daß der Zirkulationsprozeß der Waren erlischt in WW und daher bloß durch Geld vermittelter Tauschhandel zu sein scheint, oder daß überhaupt W – G – W nicht nur in zwei isolierte Prozesse zerfällt, sondern zugleich ihre bewegte Einheit darstellt, schließen wollen, daß nur die Einheit und nicht die Trennung zwischen Kauf und Verkauf existiert, ist eine Manier des Denkens, deren Kritik in die Logik und nicht in die Ökonomie gehört. Wie die Trennung im Austauschprozeß von Kauf und Verkauf lokal-naturwüchsige, angestammt fromme, gemütlich alberne Schranken des gesellschaftlichen Stoffwechsels sprengt, ist sie zugleich die allgemeine Form der Zerreißung seiner zusammengehörigen Momente und ihrer Festsetzung gegeneinander, mit einem Wort, die allgemeine Möglichkeit der Handelskrisen, jedoch nur, weil der Gegensatz von Ware und Geld die abstrakte und allgemeine Form aller in der bürgerlichen Arbeit enthaltenen Gegensätze ist. Geldzirkulation kann daher stattfinden ohne Krisen, aber Krisen können nicht stattfinden ohne Geldzirkulation. Dieses heißt jedoch nur, daß da, wo die auf Privataustausch beruhende Arbeit noch nicht einmal zur Geldbildung fortgegangen ist, sie natürlich noch weniger Phänomene hervorbringen kann. welche die volle Entwicklung des bürgerlichen Produktionsprozesses voraussetzen. Man kann daher die Tiefe der Kritik messen, die durch Abschaffung des »Privilegiums« der edeln Metalle und durch ein sogenanntes »rationelles Geldsystem« die »Mißstände« der bürgerlichen Produktion beseitigen will. Als Probe ökonomistischer Apologetik andererseits mag eine Wendung hinreichen,[77] die als außerordentlich scharfsinnig verschrien ist. James Mill, der Vater des bekannten englischen Ökonomen John Stuart Mill, sagt:

»Es kann nie einen Mangel an Käufern für alle Waren geben. Wer immer eine Ware zum Verkauf darbietet, verlangt eine Ware im Austausch dafür zu erhalten, und ist daher Käufer durch das bloße Faktum, daß er Verkäufer ist. Käufer und Verkäufer aller Waren zusammengenommen, müssen sich daher durch eine metaphysische Notwendigkeit das Gleichgewicht halten. Wenn daher mehr Verkäufer als Käufer von einer Ware da sind, muß es mehr Käufer als Verkäufer von einer andern Ware geben.«69

Mill stellt das Gleichgewicht dadurch her, daß er den Zirkulationsprozeß in unmittelbaren Tauschhandel verwandelt, in den unmittelbaren Tauschhandel aber wieder die dem Zirkulationsprozeß entlehnten Figuren von Käufer und Verkäufer hineinschmuggelt. In seiner Sprachverwirrung zu reden, gibt es in solchen Momenten, wo alle Waren unverkaufbar sind, wie z.B. zu London und Hamburg, während bestimmter Momente der Handelskrise 1857/58, in der Tat mehr Käufer als Verkäufer von einer Ware, dem Geld, und mehr Verkäufer als Käufer von allem anderen Geld, den Waren. Das metaphysische Gleichgewicht der Käufe und Verkäufe beschränkt sich darauf, daß jeder Kauf ein Verkauf und jeder Verkauf ein Kauf ist, was kein sonderlicher Trost für die Warenhüter, die es nicht zum Verkauf, also auch nicht zum Kauf bringen.70[78]

Die Trennung zwischen Verkauf und Kauf macht mit dem eigentlichen Handel eine Masse Scheintransaktionen vor dem definitiven Austausch zwischen Warenproduzenten und Warenkonsumenten möglich. Sie befähigt so eine Masse Parasiten, sich in den Produktionsprozeß einzudrängen und die Scheidung auszubeuten. Dies heißt aber wieder nur, daß mit dem Geld als der allgemeinen Form der bürgerlichen Arbeit die Möglichkeit der Entwicklung ihrer Widersprüche gegeben ist.

65

»Das Geld ist von zweierlei Art, ideales und reales; und es wird in zwei verschiedenen Weisen gebraucht, um die Dinge zu schätzen und um sie zu kaufen. Zum Schätzen ist das ideale Geld geeignet, ebenso wie das reale und vielleicht auch besser. Der andere Gebrauch des Geldes besteht im Kauf jener Dinge, die es schätzt... Die Preise und die Kontrakte werden in idealem Gelde geschätzt und in realem Gelde verwirklicht.« (Galiani, l. c. pag. 112 seq.)

66

Es verhindert dies natürlich nicht, daß der Marktpreis der Waren über oder unter ihrem Wert stehen kann. Diese Rücksicht jedoch ist der einfachen Zirkulation fremd und gehört einer ganz andern, später zu betrachtenden Sphäre an, wo wir das Verhältnis von Wert und Marktpreis untersuchen werden.

67

Wie tief selbst die ganz oberflächliche Form des Antagonismus, der sich in Kauf und Verkauf darstellt, schöne Seelen verwundet, zeigt der folgende Auszug aus Herrn Isaac Péreires »Leçons sur l'Industrie et les finances«, Paris 1832. Daß derselbe Isaac der als Erfinder und Diktator des Crédit mobilier berüchtigte Pariser Börsenwolf ist, zeigt zugleich, was es mit der sentimentalen Kritik der Ökonomie auf sich hat. Herr Péreire, damals ein Apostel St. Simons, sagt: »Weil die Individuen isoliert sind, die einen von den andern getrennt, sei es in ihren Arbeiten, sei es für die Konsumtion, darum gibt es unter ihnen Austausch der Produkte ihrer respektiven Gewerbe. Aus der Notwendigkeit des Tausches entspringt die Notwendigkeit, den relativen Wert der Gegenstände zu bestimmen. Die Ideen vom Wert und vom Tausch sind also eng verbunden, und alle beide drücken in ihrer wirklichen Form den Individualismus und den Antagonismus aus... Man kann den Wert der Produkte nur festsetzen, weil es Verkauf und Kauf gibt, mit andern Worten, Antagonismus zwischen den verschiedenen Gliedern der Gesellschaft. Man konnte sich nur da mit Preis, mit Wert beschäftigen, wo es Verkauf und Kauf gab, das heißt, wo jedes Individuum gezwungen war zu kämpfen, um sich die zur Erhaltung der Existenz notwendigen Gegenstände zu verschaffen.« (l. c. pag. 2, 3 passim.)

68

»Das Geld ist nur das Mittel und die bewegende Kraft, während die dem Leben nützlichen Waren das Ziel und der Zweck sind.« Boisguillebert, »Le détail de la France«, 1697, in Eugène Daires »Economistes financiers du XVIII. siècle«, vol. I, Paris 1843, pag. 210.

69

November 1807 erschien in England eine Schrift von William Spence unter dem Titel: »Britain independent of commerce«, deren Prinzip William Cobbett in seinem »Political Register« unter der drastischeren Form »Perish commerce« weiter ausführte. Dagegen veröffentlichte James Mill 1808 seine »Defence of commerce«, worin sich das im Text aus seinen »Elements of political economy« entlehnte Argument schon findet. In seiner Polemik mit Sismondi und Malthus über die Handelskrisen eignete sich J. B. Say den artigen Fund an, und da es unmöglich wäre zu sagen, mit welchem neuen Einfall dieser komische »prince de la science« die politische Ökonomie bereichert hätte – sein Verdienst bestand vielmehr in der Unparteilichkeit, womit er seine Zeitgenossen Malthus, Sismondi und Ricardo gleichmäßig mißverstand –, haben seine kontinentalen Bewunderer ihn als Heber jenes Schatzes vom metaphysischen Gleichgewicht der Käufe und Verkäufe ausposaunt.

70

Die Manier, worin die Ökonomen die verschiedenen Formbestimmungen der Ware darstellen, mag man aus folgenden Beispielen ersehen:

»Im Besitze von Geld brauchen wir nur einen Tausch zu machen, um den Gegenstand des Wunsches zu erlangen, während wir mit anderen Surplusprodukten zwei machen müssen, von denen der erste (Besorgung des Geldes) unendlich schwieriger ist als der zweite.« Opdyke, G., »A treatise on political economy«, New York, pag. 287 bis 288.

»Die höhere Verkaufbarkeit von Geld ist gerade die Wirkung oder natürliche Konsequenz der geringeren Verkaufbarkeit von Waren.« (Corbet, Th., »An inquiry into the causes and modes of the wealth of individuals etc.«, London 1841, pag. 117.) »Geld hat die Eigenschaft, immer gegen das austauschbar zu sein, was es mißt.« Bosanquet, »Metallic, Paper and Credit Currency etc.«, London 1842, p. 100.

»Geld kann immer andere Waren kaufen, während andere Waren nicht immer Geld kaufen können.« Tooke, Th., »An Inquiry into the Currency Principle«, 2. ed., London 1844, p. 10.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1961, Band 13, S. 69-79.
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