1. Über die Pflege der Musik

[52] Dschuang Bau1 suchte den Mong Dsï auf und sprach: »Als ich heute beim König war, sprach er mit mir von seiner Liebe zur Musik. Ich wußte nicht, was ich darauf erwidern sollte. Er sagte nämlich: ›Was ist von der Liebe zur Musik zu halten?‹«

Mong Dsï sprach: »Wenn der König nur wirklich die Musik recht liebt, so kann aus dem Staat Tsi noch etwas werden.«

Tags darauf trat er vor den König und sprach: »Ist es wahr, daß Eure Hoheit mit Dschuang Bau über die Liebe zur Musik gesprochen haben?«

Der König errötete und sprach: »Der Liebe zur ernsten, alten Musik bin ich nicht fähig, ich liebe eben nur die leichte, weltliche Musik.«

Mong Dsï sprach: »Wenn Eure Hoheit nur wirklich die Musik recht lieben, so kann aus dem Staate Tsi noch etwas werden. Ob es alte oder neue Musik2 ist, darauf kommt es dabei nicht an.«

Der König sprach: »Kann man etwas Näheres darüber hören?«

Mong Dsï sprach: »Was macht mehr Freude: die Musik einsam zu genießen oder sie mit andern gemeinsam zu genießen?«

Der König sprach: »Schöner ist's mit andern gemeinsam.«

Mong Dsï sprach: »Was macht mehr Freude: die Musik mit wenigen oder mit vielen gemeinsam zu genießen?«[52]

Der König sprach: »Schöner ist's mit vielen.«

Mong Dsï sprach: »Ich bitte mit Eurer Hoheit über wahre Freude an der Musik reden zu dürfen. Wenn z.B. ein König Musik macht und die Leute, die den Klang der Glocken und Pauken und die Töne der Flöten und Pfeifen vernehmen, mit schmerzendem Kopf und mit umflorter Stimme zueinander sprechen: ›Weshalb doch bringt die Liebe unseres Königs zur Musik uns in diese äußerste Not, also daß Vater und Sohn sich immer sehen, daß Brüder, Weib und Kind getrennt und zerstreut sind?‹ oder wenn z.B. ein König eine Jagd abhält und die Leute, die den Lärm der Wagen und Pferde hören und die schmucken Fahnen und Banner sehen, mit schmerzendem Kopf und mit umflorter Stimme zueinander sprechen: ›Weshalb doch bringt die Liebe unseres Königs zur Jagd uns in diese äußerste Not, also daß Vater und Sohn sich nimmer sehen, daß Brüder, Weib und Kind getrennt und zerstreut sind?‹ so hat das keinen anderen Grund, als daß er nicht versteht, mit seinem Volk seine Freuden zu teilen. Wenn aber z.B. ein König Musik macht und die Leute, die den Klang der Glocken und Pauken und die Töne der Flöten und Pfeifen vernehmen, mit fröhlichen Herzen und heiteren Mienen zueinander sprechen: ›Unser König scheint gesund und wohl zu sein, daß er so musizieren kann‹; oder wenn z.B. ein König eine Jagd abhält und die Leute, die den Lärm der Wagen und Pferde hören und die schmucken Fahnen und Banner sehen, alle mit fröhlichen Herzen und heiteren Mienen zueinander sprechen: ›Unser König scheint gesund und wohl zu sein, daß er so jagen kann‹; so hat das keinen andern Grund, als daß er mit dem Volk seine Freuden zu teilen versteht. Ein König nun, der mit seinem Volke seine Freuden teilt, der wird der König der Welt.«

Quelle:
Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K'o. Köln 1982, S. 52-53.
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