Rückblick

[38] Ich habe nun schon so manches erfahren. Freudiges und Trauriges, Erheiterndes und Betrübendes, aber in allem hat mich Gott sicher geleitet wie ein Vater sein schwaches Kindlein. Viel Schmerzliches hat er mir schon auferlegt, aber in allem erkenne ich mit Ehrfurcht seine hehre Macht, die alles herrlich hinausführt. Ich habe es fest in mir beschlossen, mich seinem Dienste auf immer zu widmen. Gebe der liebe Herr mir Kraft und Stärke zu meinem Vorhaben und behüte mich auf meinem Lebenswege. Kindlich vertraue ich auf seine Gnade: Er wird uns insgesamt bewahren, auf daß kein Unfall uns betrübe. Aber sein heiliger Wille geschehe! Alles was er gibt, will ich freudig hinnehmen, Glück und Unglück, Armut und Reichtum und kühn selbst dem Tod ins Auge schauen, der uns alle einstmals vereinen wird zu ewiger Freude und Seligkeit. Ja, lieber Herr, laß dein Antlitz über uns leuchten ewiglich! Amen!![38]

So habe ich denn mein erstes Heft beschlossen und ich blicke mit Freude auf es zurück. Ich habe es mit großer Freudigkeit geschrieben und bin dabei nicht müde geworden. Es ist etwas gar zu Schönes, sich späterhin seine ersten Lebensjahre vor die Seele zu führen und die Ausbildung der Seele daran zu erkennen. Ich habe hier ganz der Wahrheit getreu erzählt, ohne Dichtung und poetische Ausschmückung. Daß ich mitunter etwas nachgetragen habe, ja noch nachtragen werde, wird man mir bei der Größe des Werks verzeihen. Könnte ich doch noch recht viel solche Bändchen schreiben!


Ein Spiegel ist das Leben.

In ihm sich zu erkennen,

Möcht ich das erste nennen,

Wonach wir nur auch streben!!


Geschrieben vom 18. August bis l. September 1858

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 38-39.
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