Das Absolute (Tai ky).

[41] Der Ausdruck: das Absolute (Tai ky), ist gleichbedeutend mit dem Worte Urkraft (Ly).

Frage. War das Absolute nicht zuerst, ehe noch Himmel und Erde waren; enthielt es durchaus alle Wesen; gingen Himmel und Erde, Alles und Jedes aus der Urkraft hervor, oder nicht?

Antwort. Das Absolute ist die Urkraft des Himmels und der Erde und jeglichen Dinges: Himmel und Erde leben, weil das Absolute innerhalb des Himmels und der Erde; jegliches Ding lebt, weil das Absolute innerhalb jeglichen Dinges. Ohne Zweifel war zuerst die Urkraft, bevor noch Himmel und Erde waren. Sie ward bewegt, und es entstand | das bewegende Princip (Yâng); nichts desto weniger blieb aber die Urkraft als solche. Sie ward ruhig, und es ward das ruhende Princip (In); nichts desto weniger blieb aber die Urkraft als solche.

Alle Wesen, die vier Jahreszeiten, wie die fünf Elemente, sind in dem Absoluten: mit dem Absoluten ist auch die Urmaterie gegeben. Dieses Doppelte, die Urmaterie, trennt sich und wirkt mit Blitzesschnelle. Die innerliche Bewegung ist das Fundament des bewegenden und die Ruhe ist das Fundament des ruhenden Princips (d.h. Yâng und In); hieraus trennen sich die fünf Khy1 und hieraus wiederum alle Wesen.

Frage. Nach dieser Erklärung des Absoluten ist zuerst Bewegung und dann Ruhe, zuerst Wirkung (actus) und dann Macht (potentia)2, zuerst Streben und dann Erstrebtes?

Antwort. In dem ruhenden und dem bewegenden Princip ist das Leben enthalten: die Wirkung (actus) ist in dem bewegenden und die Macht (potentia) in dem ruhenden Princip. Die Bewegung und Ruhe an sich selbst sind aber nicht das Fundament, das ruhende und bewegende Princip sind nicht der Grund. Die Begriffe früher und später, oder, wie man jetzt[42] sagen kann, beginnen und rasten, kann man nicht trennen. Sicherlich war zuerst Bewegung und hernach erfolgte Ruhe, zuerst Wirkung und hernach Macht, zuerst Streben und hernach Erstrebtes, zuerst das bewegende und hernach das ruhende Princip. Wollte man aber im Gegentheil zuerst das Erstrebte und hernach das Streben setzen, zuerst die Ruhe und hernach die Bewegung: wie würde diese Annahme des Frühern und Spätern ausfallen! Man kann nicht | so verfahren, dass man heute die Bewegung setzt, so dass sie aber nicht erst beginne, sondern gestern schon Ruhe vorhanden war. Diess geht nicht an. Wie man nämlich bei dem Athmen der Nase von Einathmen und Ausathmen der Wortordnung gemäss spricht, und die Begriffe nicht umgekehrt anordnen kann; denn sicherlich ist das Einathmen eher, als das Ausathmen; erfolgt aber das Ausathmen, so bleibt nichts desto weniger das Einathmen.

Das Absolute war, bevor sich irgend ein Wesen aus ihm getrennt hatte. Aus ihm gingen das ruhende und das bewegende Princip hervor, und dessen ungeachtet ist es in dem ruhenden und dem bewegenden Princip; aus ihm gingen die fünf Elemente hervor, und dessen ungeachtet ist es in den fünf Elementen; aus ihm gingen alle Wesen hervor, und dessen ungeachtet ist es in allen Wesen. Es ist nur die einzige Urkraft und sie ist Alles; sie ist das Alleräusserste und deshalb heisst ihr Name die höchste Spitze (Tai ky, das Absolute).

Ohne das Absolute wären nicht die Bewegungen, weder des Himmels noch der Erde. Das Absolute für sich ist die Urkraft; Bewegung und Ruhe beziehen sich auf die Urmaterie; aus der Thätigkeit der Urmaterie erfolgt auch die Thätigkeit der Urkraft; beide unterstützen sich immerdar wechselsweise, und noch niemals mangelten oder trennten sie sich wechselsweise. Folgendes steht also fest: Anfangs war Nichts, es war bloss die Urkraft; war einmal die Urkraft, so | ward hierauf die Bewegung und es entstand das bewegende Princip; war einmal Bewegung, so ward hierauf Ruhe und es entstand das ruhende Princip. Auf die Ruhe der Urkraft erfolgte wiederum Bewegung, und auf die Bewegung der Urkraft wiederum Ruhe, und so in kreisender Bewegung der Ausfluss der Dinge. Die volle[43] Urkraft war nicht das Ende, und auch die volle Urmaterie war nicht das Ende: aus ihnen sollten durch Ausfluss Himmel und Erde werden und jeglich Ding:. Die Sonne dreht sich um die Sonne, der Mond dreht sich um den Mond und das Jahr dreht sich um das Jahr: so wird jedes Ding in diesem aufkochenden Ausfluss.

Ehe noch das Absolute sich bewegte, war das ruhende Princip, – dieses ruhete nämlich in ihm; auch ist das Absolute die Quelle des bewegenden Princips, – dieses bewegte sich nämlich in ihm. Das bewegende Princip ist die Quelle des ruhenden; denn auf Bewegung erfolgt nothwendig Ruhe, deshalb ist das bewegende Princip die Quelle des ruhenden; auf die Ruhe erfolgt nothwendig Bewegung, deshalb ist das ruhende Princip Quelle des bewegenden.

Das Absolute enthält in sich Bewegung und Ruhe, d.h. die ausströmende Thätigkeit der himmlischen Anordnung. Wenn nun Jemand Zweifel hegt, wie so Ruhe ausströmende Thätigkeit genannt werden könne: so möge man bedenken, dass Bewegung und Ruhe (d.h. die ausströmende Thätigkeit) wie Herbst- und Winterszeit sich verhalten, – könnten diese nicht | ausströmende Thätigkeit genannt werden? Wie könnten nun jene – Bewegung und Ruhe – nicht ebenfalls ausströmende Thätigkeit genannt werden, da aus der Ruhe das ruhende Princip hervorgeht, wie schon aus dem Worte selbst erhellt?

Aus dem hohen Absoluten entstehen alle Wesen; es ist die schwangere Normalurkraft. Wäre diese nicht eher, so wären jene nicht später. Sie ist mit einem Worte jener grosse Ursprung, woraus das Können hervorgeht, die einsichtsvoll wirkende Kraft, woraus das Kleinste hervorgeht, wie das Grösste.

Frage. Die volle Urkraft enthält also die Fähigkeit zu allen einzelnen Wesen: kann man nun behaupten, dass jedes Ding in dem Absoluten vorbereitet war und dass sie sich alsdann erst getrennt haben?

Antwort. Die Quelle ist das Absolute: jegliches Ding erhält seine Nahrung von ihm und Alles und Jedes liegt im Absoluten ausgebreitet. Wie der Mond im Himmel ist, so ist jegliches Ding im Absoluten ausgebreitet, wie nämlich einzelne[44] Gegenstände, ihrem Orte gemäss, im Wasser gesehen werden. Man kann aber den Mond nicht einen Theil des Himmels nennen.

| Bei der beginnenden Trennung des Absoluten war bloss das Doppelding, das ruhende und das bewegende Princip, nach der vollendeten Trennung das Weltgebäude und jegliches Wesen.

Der lezte Ursprung, woraus jegliches Ding Befähigung erlangt, wird passend für das höchste Centrum erklärt. Der Vollkommene (Kong tse) nennt diesen Ursprung die höchste Spitze (Tai ky, das Absolute), wodurch er andeutet, dass sie die Quelle ist des Himmels und der Erde und jeglichen Dinges. Tscheou tse nimmt dieses ebenfalls an; aber er nennt das Letzte, das Endlose (Wu ky), wodurch er scharfsinnig anzeigt, dass dieses Höchste weder Gehör noch Geruch hat3.

Vor der Trennung des Absoluten war weder Gestalt noch Macht, noch irgend ein irdisches Wirken möglich; denn es hatte noch keine producirende Bewegung sie ins Leben gerufen; war noch keine producirende Bewegung, so war auch keine Ruhe, – Bewegung und Ruhe sind In und Yâng. Alle Gestaltungen hienieden sind Bewegung, d.h. Bewegung des Absoluten; sie sind Ruhe, d.h. Ruhe des Absoluten. Bewegung und Ruhe sind aber nicht das Absolute selbst, und deshalb nennt es auch Tscheou tse (vor allem Beginn) das Endlose; denn vor der producirenden Bewegung könne man es noch nicht das Absolute (das Ziel) nennen. So | z.B. Freude und Schmerz, Trauer und Lust, als sie noch im Innern festgebannt waren, Freude und Lust im bewegenden, Schmerz und Trauer im ruhenden Princip, so waren diese vier anfänglich nicht, sondern sie lagen in der Urkraft bloss vorbereitet zum[45] Werden. Wenn man diese nur von ihrer producirenden Bewegung bezeichnen wollte, könnte man sie wohl das Absolute nennen? Im Ganzen genommen sind aber diese Definitionen sehr schwer; in allen nur möglichen ist etwas Ungehöriges, Man möge deshalb immer bedenken, dass (unter dem Definirten dasjenige verstanden wird), woraus die Macht (potentia) entspringt (das Befähigende). Das Bewegen ist nicht das Absolute, sondern die Bewegung ist die Wirkung des Absoluten; das Ruhen ist nicht das Absolute, sondern die Ruhe ist der Niederschlag des Absoluten4.

Wenn nun Jemand fragt: Was ist das Absolute? so antworte ich: Das Absolute ist die höchste, erhabenste, äusserste, grösste Fundamental – Normalurkraft, – alle Menschen sind durch das Absolute und alle Dinge sind durch das Absolute. Tscheou tse nennt das Absolute die höchste, äusserste und grösste Fundamental-Normaltugend des Himmels und der Erde, des Menschen und aller Wesen.

Die geistreichsten Schriftsteller sagen, das Absolute umschliesse, seiner Natur nach, das ruhende und das bewegende Princip wie ein Gürtel. Als diese aber, das ruhende | und das bewegende Princip, und die Urmaterie noch nicht wie mit einem Gürtel umspannt waren, hielten das Absolute und die Natur fest zusammen; das Streben zum Losreissen war deutlich vorhanden, aber das gewaltsam erfolgende Auseinandergehen war noch nicht möglich.

Frage. Zuerst war, wie es hiess, das sogenannte Absolute, und hernach entstand die Natur; daraus sollen wiederum das ruhende und das bewegende Princip und die fünf Elemente hervorgegangen seyn. Was heisst das nun Natur?

Antwort. Wenn man diese alte Benennung (Natur, Sing) überdenkt und sie wohl erwägt: so findet man, dass die Namen (Absolutes und Natur, Tai ky und Sing) keineswegs gleichbedeutend sind. Das Wort Natur (Sing) verhält sich zu dem Worte Himmel (Thian), wie das Absolute (Tai ky) zu der Urkraft (Ly); die auf einander folgenden und wechselnden Generationen[46] können aus ihr (der Natur) nicht hervorgehen. Im Iking heisst es: Das ruhende und das bewegende Princip (In und Yâng) zusammen nennt man die Norm (Tao), das sie Vereinende; die letzte Vollendung führt den Namen Natur. Man nennt aber dieses Himmel, welches in Beziehung steht zu Menschen und Sachen; Menschen und Sachen stehen in Wechselbeziehung zum Himmel.

Man könnte sagen: Das Absolute an sich verbirgt seinen Ursprung; bewegt es sich, so gleicht es dem bewegenden, und bewegt es sich nicht, so gleicht es dem ruhenden Princip. Das Absolute ist die Urkraft des noch versenkten bewegenden und ruhenden Princips. Hält sie an sich, so kann sie sich vermittelst der Bewegung und Ruhe nicht in Macht (potentia) und Wirkung (actus) zerspalten; denn | die Macht entsteht aus der Ruhe des Absoluten, so wie die Wirkung aus der Bewegung des Absoluten. Man denke an einen Blasbalg. Wird der Blasbalg bewegt, so erfolgt eine Wirkung; lässt man ihn los, so bleibt bloss die Macht. Eben so bleibt die Urkraft Urkraft, wenn auch die Thätigkeit nachlässt; ist sie in Bewegung, so bleibt die Urkraft ebenfalls Urkraft.

Frage. Leang wen scho fragt: Enthält das Absolute bloss Thätigkeit und Ruhe, und ist diess Alles?

Antwort. Das Absolute ist nicht Bewegung und Ruhe, sondern Bewegung und Ruhe sind in ihm enthalten. Freude und Schmerz, Trauer und Lust waren noch nicht erzeugt, und es war schon das Absolute; Freude und Schmerz, Trauer und Lust waren erzeugt, und es war ebenfalls das Absolute. Aus dem Absoluten allein floss die Quelle des Gewordenen; ehe diese zu fliessen begann, war die Masse (das Viele) in jener (der Urkraft) verborgen.

Wenn nun Jemand fragt: Was ist das Absolute? so antworte ich: Ehe noch Hervordringung war, war schon die Urkraft vorhanden; nach der Hervordringung war die Wirkung. Diess heisst eben so viel, als wenn ich sage: Die Bewegung erzeugt das bewegende Princip, und alsdann war die Wirkung.

| Das Absolute ist gleichsam die Spitze des Gebäudes, die Spitze des Himmels; denn es enthält Alles: die äusserste Spitze der Urkraft ist die Bewegung des bewegenden und die Ruhe[47] des ruhenden Princips. Ohne das Absolute ist weder Bewegung noch Ruhe, und nur die Urkraft ist Bewegung und Ruhe. Die Urkraft selbst kann nicht gesehen werden, sie kann bloss dadurch erkannt werden, dass sie sich auf das ruhende und das bewegende Princip stützt. Die Urkraft hängt oberhalb In und Yâng, wie ein Mensch, der reitet. Durch das Hervortreten der fünf Elemente erlangt die verborgene Urmaterie ihr Fundament. Jegliches Ding und jegliche Natur ist, in Allem ist aber das Absolute.

Frage. Sagt nicht Lieou tse, dieses sey das Wesen (die Mitte) des Himmels und der Erde, und nennt Tscheou tse dieses nicht das Absolute?

Antwort. Diess ist ganz gleich, nur der Name ist verschieden. Der Name Wesen (Mitte) ist sehr passend in Betreff des Ortes. So sagt der Schuking: Der Himmel lässt sich herab in Gradheit zum Volke hienieden. Dieser Name ist demnach sehr passend in Betreff des Ortes. Mit dem Namen Absolutes (die Spitze) bezeichnet man nicht die Mitte, sondern, dass das Absolute das Ding selbst ist. Es ist in der Mitte, wie in einer Kerze die Flamme in der Mitte die Spitze ist. Diese Vergleichung | passt sehr gut, ohne dass man Etwas hinzuzusetzen braucht; diese Vergleichung passt sehr gut, ohne dass man Etwas hinwegzunehmen braucht.

Das Absolute ist der grosse Ursprung aller Dinge und Handlungen. Die vier Enden, das Obere und das Niedere werden Weltgebäude genannt, die immerwährende Bewegung Ewigkeit. Als noch kein Ding war, war der grosse Ursprung, die Form des Weltgebäudes. Die vier Enden sind nicht das Absolute; Oben und Unten sind nicht das Absolute, die Spitze; das Viele und das Wenige sind nicht der grosse Ursprung. Als noch kein Ding war, war immerdar ohne Ende die unermessliche Form. Ich glaube, dass man dieses fassen kann. Wenn man mich fragt: Wessen Worte sind diess? so sage ich; Das sind die Worte der Altvordern (alten Weisen). Die Siangschan (Buddhisten) wollen diese Worte immer erläutern, aber ihre Erklärung bleibt immer dasselbe; sie dringen nicht in das Innere und geben bloss schöne Worte, welche, betrachtet man sie näher, bloss auf die Redensarten: grosser Ursprung, Quelle[48] des Leeren u.s.w., hinauslaufen, was man hinlänglich in dem Hong khiu sy ming ersehen kann. Gleich Anfangs merkt man, dass es bloss schöne Worte sind und blosser Schein.

| Hier handelt man ausführlicher von jener unermesslichen Form.

Spricht man von irgend Etwas in Beziehung auf (das Seyn der) Urkraft, so kann man nicht sagen, dass es ist; spricht man aber von irgend Etwas in Beziehung auf einen Gegenstand, so kann man nicht sagen, dass es nicht ist. Es fragte Jemand Kang tsie und sprach: Die Norm (Tao) ist wohl das Absolute? Wiederum fragte er: Der Geist ist wohl das Absolute? Die Norm, diess zeigt an, dass die Urkraft des Himmels, der Erde und aller Dinge daraus geflossen ist; der Geist, diess zeigt an, dass die Menschen durch die Urkraft sind; er ist der Herr des Körpers? Dieser antwortete: Sicherlich ist's so, nur möge man immer bedenken, dass das Absolute eine Einheit ist und dass es kein anderes giebt.

Das Absolute ist die Urkraft der fünf Elemente, des ruhenden und des bewegenden Princips, und Alles ist in ihm enthalten; nicht aber ist das Leere das Fundament der Dinge und Handlungen, wenn es überhaupt ein Leeres giebt, wie die Anhänger des Schakia (Buddha) die Natur erklären.

Das Absolute ist die höchste Spitze der Normalurkraft; mit einem Worte, die Urkraft des Himmels, der Erde und aller Dinge ist das Absolute. Das Absolute ist das Allerhöchste, weiter kann man nicht gehen, das Erhabenste, das Vortrefflichste, das Vollkommenste, das Geistigste. | Lien ky zweifelt, dass das Wesen (Tao) des Menschen eine Form sey des Absoluten, deshalb sagt er: Das Unbegrenzte (Wu ky, Endlose) ist auch das Absolute; dieses ist nämlich in dem Unbegrenzten (Endlosen), und dieses (das Unbegrenzte) ist die Urkraft des Absoluten.

Frage. Das Absolute ist also die Urkraft selbst: wie kann nun die Urkraft Bewegung und Ruhe enthalten? Erst muss sie doch eine Form haben, bevor Bewegung und Ruhe erfolgen kann; das Absolute hat aber keine Form, dann kann wohl auch von Bewegung und Ruhe keine Rede seyn?

Antwort. Die Urkraft enthält Bewegung und Ruhe; denn[49] die Urmaterie enthält Bewegung und Ruhe. Wenn nun die Urkraft keine Bewegung und Ruhe enthielte, könnte dann wohl die Urmaterie Bewegung und Ruhe enthalten? Hieraus geht klar hervor, dass sie (die Urkraft) in den Handlungen und Dingen vorhanden ist und erkannt werden kann; hieraus geht klar hervor, dass das ruhende und das bewegende Princip vom Absoluten getragen wird, und hieraus geht wiederum klar hervor, dass es die Quelle und der Ursprung ist, dass nämlich das ruhende und das bewegende Princip von dem Absoluten hervorgebracht wird.

Frage. Gleicht das Absolute wohl der höchsten Kraft des Menschengeistes?

Antwort. Die Handlungen und Dinge, Alles wird von dem Absoluten zusammengehalten, d.h. von dem Letzten oder Aeussersten der Normalurkraft.

Frage. Gleicht des Herrschers Menschlichkeit und des Unterthanen Ehrfurcht dem Absoluten?

| Antwort. Was in den Dingen und Handlungen ist, das ist das Absolute; die Urkraft ist, mit einem Worte, in dem Himmel, in der Erde und allen Dingen, und sie ist das Absolute. Man heisst sie deshalb die Quelle, – sie ist die Musterkraft.

Das Absolute gleicht einem emportreibenden Stamme: er spaltet sich in Zweige, bringt Blüthen und Blätter hervor, treibt und treibt ohne Unterlass, bis die Früchte gereift sind; innerhalb dieser bleibt aber die Zeugung ohne Ende verschlossen. Die Zeugung tritt heraus, und endlos wirkt das Absolute; Nichts hindert mehr die Ausdehnung, bis die Früchte gereift sind in der Zeit, dann erfolgt in der That Ruhe. Ist es bis dahin gekommen, so findet keine Zeugung mehr Statt, sondern Alles bleibt in der Ruhe. Diess nennt man das Ende des Fundamentes aller Dinge: Nichts besteht vor dem Endziel; ist das Endziel gekommen, dann bleibt bloss die Idee der zeugenden Ausathmung.

Es ist so mit jeglichem Dinge und jeder Handlung (im Allgemeinen in Beziehung auf die Urkraft), wie mit allen Dingen zur Herbst- und Winterszeit. Jedes Ding ist dann wie in einem Sarge eingeschlossen und begraben; steigt aber der[50] Frühling wiederum nieder, so treiben plötzlich alle Gewächse, und Zweige schiessen empor. Wie diess nun bei den Elementen der Fall ist, dass sie bald | sterben bald leben, so auch bei dem Menschen: wenn seine Zeit der Ruhe gekommen ist, dann geht er in die Ruhe; schreitet die Zeit der Bewegung heran, dann ist er in Bewegung. Sie (die Urkraft) erfüllt die Berge, blau und gelb, den Stein Py und die Pflanze Lo, – wo ist nicht das Absolute! Ich nenne aber dieses das Absolute, welches von dem ruhenden und dem bewegenden Princip nicht getrennt werden kann, sondern (deren) belebendes Wort ist; ich nenne dieses das Absolute, welches auch mit dem bewegenden und dem ruhenden Princip nicht vermischt werden kann, sondern (deren) belebendes Wort ist.

Frage. Es ward aus einander gesetzt, dass die Dinge weder die Urkraft noch die Urmaterie selbst sind: wie ist nun Alles und Jedes in dem Absoluten vorbereitet?

Antwort. Wenn man sagt: durch die Urkraft sind die Dinge vorbereitet, so heisst diess so viel, als durch das Endlose und das Absolute; nur bedenke man, dass sie formlos und bloss Urkraft sind. Tscheou tse zweifelt daran, dass der Mensch aus dem Absoluten hervorgegangen sey; er verwirft deshalb den Namen Absolutes (Tai ky) ganz und setzt dafür das Unbegrenzte (Wu ky, Endlose). Wenn man aber das Letzte das Unbegrenzte nennt, kann alsdann wohl nach einer gründlichen Forschung eine Fundamental-Normalurkraft abstrahirt werden?

Frage. Das Absolute ist wohl das Fundament der Bewegung des bewegenden Princips?

Antwort. Die Ruhe des ruhenden Princips ist die Quelle des Absoluten; ist die Ruhe des ruhenden Princips, so entsteht daraus die Bewegung des bewegenden und das Werden. Ruhe und Bewegung | ist Beginnen und Enden, oder Oeffnen und Schliessen. Aus diesem Beginnen und Enden geht das Ganze hervor; je mehr man es erforscht, desto mehr steigert es sich zur Spitze ohne Ende. Könnte es demnach nicht das Beginnungsprincip genannt werden?

Frage. Nan hien fragte und sprach: Die Macht des Absoluten ist also die höchste Ruhe, wie ist diess möglich?

Antwort. Dem ist nicht so.[51]

Wiederum sprach er: Nennt man diess die höchste Ruhe, das Verbindungsglied nämlich, welches die Zeugung bewirkt, selbst aber nicht zeugen kann? Darauf antworte ich: In der That, wäre dieses nicht, so wäre dieses eine Vollkommene nicht das Unwandelbare, das Fundament des Kleinen wie des Grossen, es wäre, mit einem Worte, nur ein ungenügendes Absolute.

In dem All wohnt das doppelte, gegenseitig in nothwendiger Beziehung stehende Princip: Bewegung und Ruhe, das ewig kreisende, ohne Ende (ein anderes giebt es nicht), und diess ist I (Wandelung, wovon der Iking seinen Namen hat); seine Bewegung und Ruhe erheischt aber nothwendig eine Urkraft der Bewegung und Ruhe, – und diese ist das benannte Absolute.

Was man das Absolute nennt, das ist innerhalb des ruhenden und des bewegenden Princips; was man das ruhende und das – bewegende Princip nennt, das ist innerhalb des | Absoluten. Man könnte jetzt auch sagen: Das Fundament des ruhenden und des bewegenden Princips ohne Gestalt und ohne Schatten ist als ein anderes innerhalb des Absoluten. Das Wort Natur (Sing) bedeutet eben so viel, als Absolutes; das Wort Herz oder Geist (Sin) bedeutet eben so viel, als die Benennung: ruhendes und bewegendes Princip. Das Absolute ist innerhalb des ruhenden und des bewegenden Princips und kann von beiden nicht getrennt werden; deshalb wird das Höchste das Absolute genannt. Das Absolute setzt sich selbst als Absolutes (ganz wörtlich: »aus dem Absoluten wird das Absolute«); In und Yâng setzen sich als In und Yâng, sie verhalten sich gegenseitig wie Natur und Geist (wie das Allgemeine zum Besondern), und diess nennt man das Eins und das Zwei, das Zwei und das Eins.

Das Wort Tao ist ebenfalls gleichbedeutend mit dem Worte Absolutes; nur ist dieses dann in Beziehung auf die Wandelungen gedacht: das Eins ist Jâng, eine ungleiche Zahl, das Zwei ist In, eine gleiche Zahl, das Drei ist die ungleiche und gleiche Zahl zusammen, d.h. die Zwei erzeugt die Drei, welches eben so viel ist, als: die benannte Zwei und Eins sind Drei. Das grad aufrecht stehende (noch ruhende) Eins ist das Absolute; es geht deshalb recht gut, das erzeugende (in Thätigkeit übertretende) Eins Tao zu nennen.[52]

| Bewegung und Ruhe sind nicht das Princip selbst; In und Yâng sind nicht der Ursprung, von diesem gilt weder früher noch später. Der Mittelpunct, woraus diese (In und Yâng) sich trennten, wird Ursprung genannt, und von diesem kann weder früher noch später ausgesagt werden. Dieses genau betrachtend, sagte Tscheou tse: Dieses nenne ich das Absolute, welches sich bewegt und Yâng erzeugt, woraus folgt, dass es sich früher nicht bewegte, sondern fest in Ruhe beharrte. Wiederum sprach er: Das ruhende Absolute kehrte endlich wieder, nachdem es sich bewegt hatte, zur Ruhe zurück, welche nothwendig die Bewegung fest in sich verschlossen hält; wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter, wie 1. 2. 3. 4. in steter Ordnung auf einander folgen; denn wenn kein Winter ist, kann kein Frühling seyn, ohne die Eins keine Vier (ohne Anfang keine Vollendung). Diess ist ganz klar, und man kann daraus erkennen, wie früher und später zu verstehen ist.

Oben nannte ich dieses das Absolute, welches sich von dem ruhenden und dem bewegenden Princip nicht trennt; nach der jetzt vollendeten Untersuchung nenne ich aber dieses das Absolute, welches nicht von In und Yâng getragen wird, sondern im Gegentheil dasjenige, welches als ein Vereinigtes das ruhende und das bewegende Princip erzeugt, und zwar ist es so beschaffen, dass es der Form nach vom Anfange an | im ganzen Universum (allein) das Volle ist, ohne Vermischung. Deshalb sage ich: es ist innerhalb In und Yâng, ich erkläre, dass es im Verhältniss und formal auch im ganzen Universum ist und (mit den Dingen) nicht vermischt werden kann; deshalb sage ich: das Absolute kann von dem ruhenden und dem bewegenden Princip nicht getrennt werden, obgleich ich zugleich behaupte, dass es von diesen durchaus verschieden ist; denn vom Anfange an, vor irgend einem Beginnen war es verschieden.

Die Stetigkeit des Absoluten, das unbeweglich Stehende wird die höchste Spitze der Urkraft genannt. Ist die Urkraft, so gehen daraus die Dinge hervor; es gilt aber von ihr weder früher noch später, weder Rang noch Ordnung. Deshalb sagt der Iking: Ist das Absolute, so besteht es darin, dass es innerhalb des ruhenden und des bewegenden Princips ist, aber nicht so, dass es von In und Yâng getrennt werden könnte.[53] Man könnte es wohl durch die Benennung: grosser Mittelpunct (grosses Wesen), bezeichnen; man könnte es das von Himmel und Erde Untrennbare, die grosse in der Zeit noch nicht getrennte Fülle nennen; man möchte wohl sagen: die Form und zwar die obere oder erste heisst Norm (Tao), die Form und zwar die untere oder zweite heisst Gestalt. So erkläre ich nun das Absolute und sage, dass sein eigentliches Wesen Geist ist, dass es, ehe Himmel und Erde getrennt waren, mit der Urmaterie vereinigt, eine Einheit bildete. | Diess möchte man wohl behaupten können. Daraus folgt auch, dass das Absolute Bewegung und Ruhe in sich enthalten muss; deshalb wird es Urquelle und Macht genannt. Weil nun das Absolute Bewegung und Ruhe in sich enthält, so folgt, dass jede Thätigkeit daraus fliesst. Es kommt auf dasselbe hinaus, wenn man sagt: das Absolute ist gleich der Bewegung und Ruhe; denn nur aus ihm, nämlich der Form des noch ungetrennten Ersten und Zweiten, konnte sich das All entwickeln. Die Wandelungen sind das Leben und die Macht des Absoluten.

Das Absolute ist die Urkraft der Doppelgestalt (In und Yâng), der vier Formen und der acht Kya. Es kann nicht Nichts genannt werden; man kann nur behaupten, dass die Form noch nicht herausgetreten war. Deshalb sagte ich: das Absolute erzeugt In und Yâng. Hierin bestehen nämlich die Doppelgestalt, die vier Formen und die acht Kua; es ist das Erzeugende, und Alles geht daraus hervor, der Ordnung gemäss. Diese Kraft ward von Niemanden recht aus einander gesetzt; von Kong tse bis auf den heutigen Tag vermochte sie kein Mensch zu erforschen. Schao kang tsie behauptet, dass das Absolute die Urkraft und den Willen als gegenseitig durchaus getrennte in sich enthalte. Diess geht an, und ich bin der Meinung, dass man diese Erklärung nicht übersehen dürfe; nur muss man tiefer in den Stoff eindringen.

| Vor dem Werden ruhete das Absolute; nachdem das Werden begonnen hatte, war das Absolute in Bewegung.

Wenn man mich demnach auf das Bestimmteste fragt: Kann zu dem Seyn des Absoluten, zu der gründlichen Erforschung des letzten Grundes Nichts hinzugefügt werden? Bedient man sich passend des Namens der Urkraft, um anzuzeigen,[54] dass Alles ohne irgend einen Zusatz daraus geflossen sey? Folgt nun auch daraus, dass das Absolute durchaus im Wesen der Dinge, dass es der Hang, das Streben der Dinge selbst sey? – Die Dinge sind demnach nicht, sie können durchaus nicht existiren, ausser durch das ursprünglich Herrschende; sie können nicht bestehen, ausser dass es (das Absolute) darin ist. Daraus folgt nun auch, dass es der Vernunft angemessen, dass es innerhalb (der Dinge) ist, wie wiederum im Gegensatze aus der Erklärung des Absoluten folgt, dass sie (die Dinge) das Innere nicht sind. Wir nennen das Absolute die Form: gleichsam wie der Dachstuhl das Ende des Hauses ist, so ist die sich herum bewegende Himmelssäule dessen Letztes; sie ist überall in den Dingen, auf allen vier Seiten, auf allen acht Enden. Von dieser austheilenden, aufrechtstellenden Hoffnung trennen sich die tausend und zehntausend Gegenstände; sie ist die Quelle des Werdens, was der Liky das Aeusserste der Menschheit nennt und der Schuking das Ende der Welt, | die vernunftgemässe Einheit. Weiss man nun nach dieser vollendeten Untersuchung, oder weiss man nicht, wie sich diess Alles verhält? Ich antworte: Ja, man weiss es.

1

Diess sind die fünf verschiedenen Lüfte oder Klimate. Wahrscheinlich sind die fünf Khy nicht sehr von den fünf Elementen (Hing genannt) verschieden. Vergl. Morrison unter Khy, N. 5311.

2

Vergl. die Tabelle der entgegengesetzten Wörter in Klaproth's Supplément S. 82. Lin. 3.

3

Tscheou tse ist der berühmte Tscheou lien ky, von welchem wir in der Einleitung gesprochen haben. Er fing seine Tabelle des Absoluten mit folgendem Satze an: Am Anfange war das Endlose (Wu ky), hernach ward das Absolute (Tai ky). Die Meinungen der Chinesischen Ausleger über den Unterschied zwischen Wu ky und Tai ky hat Prémare gesammelt, Chou king, Discours prélim. 47. Tschu tse scheint beide Benennungen dem Wesen nach für gleichbedeutend zu halten.

4

So möge man nun immer die Ruhe als Folge der Bewegung auffassen; sie ist der aus der Bewegung und durch dieselbe sich ablösende Niederschlag.

Quelle:
Die Natur- und Religionsphilosophie der Chinesen. In: Zeitschrift für die historische Theologie. Neue Folge, Stück 1, Nr. 1, Gotha 1837, S. 41-55.
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