Baunscheidtismus

[808] Baunscheidtismus, eine von dem Mechaniker Baunscheidt zu Endenich bei Bonn im Jahre 1851 zuerst veröffentlichte neue Heilmethode. Durch den angeblich überraschend günstigen Erfolg einiger Mückenstiche auf seinen rheumatisch afficirten Arm kam der Erfinder auf das seiner Meinung nach unfehlbare Heilungsprincip aller nur bekannten Krankheiten. Er verfertigte nämlich ein Instrument, welches eine den Mückenstichen analoge Wirkung hervorbringen sollte. Dieses ist eine Zusammenstellung sein gespitzter Nadeln, welche dazu bestimmt sind, durch ihre Stiche in die Haut künstliche Poren zu erzeugen, durch welche allen, in Folge einer gestörten Hautthätigkeit an den leidenden Stellen des Körpers angehäuften, die Gesundheit tödtenden Krankheitsstoffen ein einfacher u. natürlicher Weg zum allmäligen Abzuge geöffnet wird. Das Instrument selbst besteht aus einem Hornetui, aus welchem zwischen dem abschraubbaren Deckel u. der Bewegungskammer die Nadeln hervorstehen; man setzt dasselbe auf die Haut auf, nachdem mittelst des Handgriffes die Nadeln in die Bewegungskammer zurückgezogen sind, läßt den Handgriff los, so daß die Nadeln vermöge einer in der Hülfe befindlichen Drahtfeder in die Haut eingeschnellt werden. Zur Applicationsstelle benutzt man den Rücken; die Beugeseiten der Gelenke, als angeblich zu zart organisirt, soll man vermeiden. Je nach der Schwere u. Gefährlichkeit der Krankheit richtet sich die mehr od. minder häufige Anwendung dieser Procedur. Die so behandelten Hautstellen werden darauf mit einem Öle (Oleum Baunscheidtii) eingerieben. Außerdem sollte dieses Instrument auch als Lebensmesser (Vitameter) benutzt werden, indem sich nämlich nach der früher od. später eintretenden, mehr od. minder starken Röthung der Haut nach Anwendung des Instruments die Lebensfähigkeit eines Individuums sicher bestimmen lasse. Dieses Heilsystem, obgleich ohne wissenschaftlichen Grund, fand bald große Verbreitung. Vgl. C. Baunscheidt, Der Baunscheidtismus, Bonn 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 808.
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