Bauangebot

[475] Bauangebot, Bauofferte (offer; offre; offerta), mündlicher oder schriftlicher Antrag eines Bauunternehmers (s.d.) auf Übernahme einer bestimmten baulichen Herstellung gegen eine genau bezeichnete Vergütung und unter den sonstigen im Angebot enthaltenen Bedingungen.

Mündliche B. werden meist nur beim Regiebau und dort, wo es sich um kleinere Arbeiten handelt, entgegengenommen. Auf Grund solcher mündlichen B. werden sonst auch Handakkorde unter Eintragung im Baubuche (s.d.) oder in eigens zu diesem Zweck aufgestellte Vordrucke abgeschlossen.

Größere Arbeiten werden auf Grund schriftlicher, über Aufforderung des Bauherrn eingereichter B. vergeben (s. Bauausschreibung). Für die Einreichung der Angebote werden, um möglichst einheitliche und leicht vergleichbare B. zu erlangen, den Unternehmern meist Bedingungen und Vordrucke für die B. vom Bauherrn zur Verfügung gestellt, oder es werden in der Bauausschreibung genaue Anweisungen dafür gegeben.

Das B. muß entsprechend der Bauausschreibung in der Regel enthalten: eine Beschreibung der zu leistenden Arbeiten, die dafür geforderten Einheits- oder Pauschalpreise, eine Bestätigung über die Höhe der hinterlegten Sicherheit, über die Vollendungsfrist, die Bedingungen und den Ort der Zahlungsanweisung, über die Dauer der Gültigkeit des Anbotes sowie Abweichungen von den Bestimmungen der Bauausschreibung, die sich der Anbotsteller vorbehält. Zur Aufklärung über die Einzelheiten der zu vergebenden Arbeiten werden den Angebotstellern seitens des Bauherrn je nach den Verhältnissen mehr oder weniger eingehende Entwurfspläne, Preisverzeichnisse, Kostenanschläge, allgemeine und besondere Bedingungen (s. Verdingungswesen), Baubeschreibungen, geologische Aufnahmen[475] und ähnliche Unterlagen schon bei der Bauausschreibung zur Verfügung gestellt. Diese Unterlagen sind von dem Bauunternehmer in dem in der Bauausschreibung bestimmten Umfang anzuerkennen und dem Angebote beizufügen; diese Anerkennung ist im Angebote zu bestätigen. Ein derartiges B. ist geeignet; nach seiner Annahme die Stelle des Bauvertrages (s.d.) zu vertreten.

Die Form des B. hängt hauptsächlich von der Arbeitsgattung, dem Umfang des Baugeschäftes und dem Bausystem (s.d.) ab. Handelt es sich um einfache Leistungen, z.B. Erd- und Felsarbeiten, um Arbeiten geringen Umfanges oder um eine Vergebung des Baues gegen Aufmaß und nach Einheitspreisen, wodurch dem Bauherrn ein weitgehender Einfluß auf die Ausgestaltung der Anlage gewahrt wird, so wird dem B. eine weniger ausführliche Beschreibung (s. Baubeschreibung) der auszuführenden Arbeiten zu gründe gelegt, als bei Vergebung von Leistungen feinerer Art, besonders, wenn diese im Pauschalakkord vergeben werden sollen.

Soll der Bau nach Einheitspreisen vergeben werden, so können zur Festsetzung dieser Preise zwei Wege eingeschlagen werden. Entweder enthält das der Ausschreibung zu gründe liegende Preisverzeichnis die vom Bauherrn ermittelten Einheitspreise und der Unternehmer stellt sein Angebot, indem er in Prozenten einen Nachlaß auf alle Preise gewährt oder einen Aufschlag verlangt; dies führt häufig zu Mißhelligkeiten, weil der Unternehmer bei schlechtem Geschäftsgänge unter dem Vorwand, einzelne Preise seien unrichtig bemessen, Nachzahlungen zu erhalten versucht, besonders wenn Arbeitsgattungen mit knappen Preisen sich sehr vermehren oder solche mit reichlichen Preisen sich sehr verringern. Dies wird vermieden, wenn dem Unternehmer die vom Bauherrn ermittelten Preise nicht bekanntgegeben werden und es ihm überlassen bleibt, die leere Preisspalte des Preisverzeichnisses mit den von ihm selbst berechneten Einheitspreisen auszufüllen, wie dies bei den großen österreichischen Bauten und allgemein in Preußen gehandhabt wird. Allerdings erfordert bei diesem Vorgang die Auswahl des günstigsten Anbotes große Sorgfalt, weil man hier bei der Verschiedenheit der Preise auch die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit größerer Verschiebungen in den Mengen nicht außer acht lassen darf.

Die Eröffnung des B. erfolgt zu dem in der Bauausschreibung festgesetzten Zeitpunkt und an dem bestimmten Orte, zumeist durch einen vom Bauherrn eingesetzten Vertreter oder eine Kommission, deren Aufgabe es ist, das Ergebnis der Bauausschreibung durch Feststellung der Anzahl der eingelaufenen Anbote und ihres wesentlichen Inhaltes sowie deren Übereinstimmung mit den Bedingungen der Bauausschreibung und etwaige Abweichungen aktenmäßig festzustellen und beim Bauherrn begründete Anträge auf die Annahme eines oder mehrerer oder Abweisung aller Anbote zu stellen (s. Bauvergebung).

v. Enderes.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 475-476.
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