Eisenbahnbrücken

[45] Eisenbahnbrücken (railway bridges; ponts de chemins de fer; ponti ferroviari), Brücken, die im Zuge einer Eisenbahnstrecke liegen. Das Tragwerk der E. wird meist aus Eisen oder gewölbt aus Stein, neuestens auch aus Beton oder Eisenbeton (s. Eisenbetonbrücken) hergestellt. Holz spielt als Baustoff für E. eine untergeordnete Rolle und wird nur für ganz kleine Brücken (s. Durchlässe), in Hauptbahnen jetzt eigentlich nur für provisorische Überbrückungen (Holzprovisorien über später zu regulierende Flüsse, Notbrücken in zerstörten Bahnlinien u.s.w.), seltener auch für Brücken in billig zu bauenden Nebenbahnen angewendet.

Beim Entwerfen von E. ist besonders zu beachten, daß sich die Belastungen weitaus öfter wiederholen als bei Straßenbrücken, und daß sie infolge der Zugsgeschwindigkeit mit erhöhten dynamischen Einwirkungen verbunden sind. Bei der Wahl der zulässigen Inanspruchnahme (s. Eiserne Brücken) ist diesem Umstände Rechnung zu tragen. Auch sind die wagrechten Kräfte, die die bewegten Fahrzeuge äußern, u. zw. sowohl Horizontalkräfte quer zur Brückenlängsachse infolge der Seitendrücke der Fahrzeuge, namentlich aber infolge der Fliehkräfte in Gleiskrümmungen, als auch die nach der Längsachse wirkenden Bremskräfte nicht außer acht zu lassen.

Die Belastungsannahmen (s.d.) für E. sollen dem schwersten, auf der betreffenden Bahnlinie vorkommenden Zugsverkehre entsprechen. Sie sind in den meisten Ländern nach den Bahnarten (Haupt- und Nebenbahnen) durch behördliche Vorschriften festgesetzt. Es darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Entwicklung des Eisenbahnwesens eine fortschreitende Erhöhung der Achslasten der Lokomotiven und Wagen mit sich gebracht hat, so daß viele ältere E. sich für den wachsenden Verkehr zu schwach erwiesen haben und entweder verstärkt (s. Verstärkungen eiserner Brücken) oder gänzlich erneuert werden mußten. Dies gilt insbesondere für eiserne Tragwerke, während die massiven Steinbrücken den Vorteil bieten, daß bei ihnen auch eine namhafte Erhöhung der Verkehrslasten infolge der großen ständigen Belastung nur von geringer Bedeutung ist und ihre Sicherheit nicht wesentlich vermindert.

Hinsichtlich der Bauart der E. vgl. Eisenbetonbrücken, Eiserne Brücken, Hölzerne Brücken, Steinbrücken sowie die übrigen auf Brücken bezüglichen Artikel. Besonderheiten ergeben sich[45] in der Ausbildung der Fahrbahn. Die gewöhnliche Anordnung bei eisernen E. ist ein Querschwellenoberbau mit hölzernen Querschwellen, die unmittelbar auf die von Querträgern getragenen Fahrbahnlängsträger, bei kleinen Brücken unmittelbar auf die Hauptträger gelagert sind. Auf den Querschwellen liegt dann in der ganzen Brückenbreite eine Bedielung, seltener ein Belag aus Riffelblech oder Wellblech. In manchen Fällen wird aber auch auf eisernen Brücken der Oberbau so wie in der freien Strecke mit durchgehendem Schotterbett ausgeführt. Vorteile dieser Anordnung sind: Milderung der Stöße der Fahrzeuge durch die große Masse der Bettung; vollständig feuer- und tropfsicherer Abschluß der Fahrbahn nach unten; Schalldämpfung; Unabhängigkeit der Gleislage von der Anordnung des Trägergerippes der Fahrbahn, daher Möglichkeit, Gleisverschiebungen vorzunehmen oder Weichen und Kreuzungen einzubauen. Nachteile: schwere Tragkonstruktion infolge des großen Gewichtes der Bettung und der Notwendigkeit einer zusammenhängenden Fahrbahntafel. Die Kosten erhöhen sich namentlich bei größeren Spannweiten ganz wesentlich. Man findet daher das durchgehende Schotterbett nur bei kleineren Brücken in stark befahrenen Hauptbahnen, bei Brücken in Stationen und für Stadtbahnbrücken ausgeführt.

Bei Brücken ohne durchgehendes Schotterbett werden die Schwellen meist nicht weiter als 60 cm entfernt gelegt, um ein Durchbrechen entgleister Fährzeuge hintanzuhalten. Um das Ablaufen solcher Fahrzeuge und ein Anprallen gegen die Tragwände zu verhindern, werden auf Brücken von über 20 m Länge Leitschienen oder Sicherheitsschwellen angebracht. Nach den österreichischen Vorschriften sollen diese innerhalb des Gleises in einem lichten Abstand von 16 cm vom Fahrschienenkopfe liegen und diesen um nicht mehr als 3 cm überragen. Über das Brückenende hinaus sind die Sicherheitsschwellen um 10 m zu verlängern und in der Gleismitte spitzwinklig zusammenzuführen. Für die Längsverschiebung des Gleises infolge der Wärmewirkung sind Schienenauszugsvorrichtungen (s. Auszugsvorrichtungen) am beweglichen Auflager des Tragwerkes vorzusehen.

Bei mehrgleisigen Brücken kann entweder jedes Gleis sein unabhängiges Tragwerk erhalten, oder es werden zwei, seltener auch mehr Gleise auf gemeinsamem Überbau geführt. Erstere Anordnung empfiehlt sich für Brücken von kleiner oder mittlerer Spannweite, wogegen für große Spannweiten der doppelgleisige Überbau, mit bloß zwei Hauptträgern für beide Gleise, wirtschaftlich vorteilhafter ist, da für diese der Hauptträgerabstand ohnehin größer gewählt werden muß, als es das Lichtraumprofil für bloß ein Gleis (mindestens 4∙30 m im Lichten) verlangt.

Die E. werden vor Eröffnung der Bahn im Beisein der staatlichen Aufsichtsorgane durch Belastung und Schnellfahren erprobt (s. Brückenprobe).

Die Erhaltung der E. ist den Organen des Bahnunterhaltungsdienstes übertragen; mit der besonderen Überwachung größerer E. ist ein Brückenwärter betraut, der dem Bahnmeister untersteht.

Periodische, eingehende Untersuchungen aller Brückenbestandteile und wiederholte Probebelastungen werden durch Brückenmeister und technische Beamte des Bahnunterhaltungsdienstes gepflogen. Die Ergebnisse der Erprobungen werden in die Brückenrevisionsbücher (s. Brückenbuch) eingetragen.

Melan.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 4. Berlin, Wien 1913, S. 45-46.
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