Geneigte Ebenen

[274] Geneigte Ebenen (inclined planes; rampes; rampe) nennt man stark geneigte Eisenbahnstrecken, auf denen die Beförderung der Züge durch ein Drahtseil mit oder ohne Zuhilfenahme von Lokomotiven erfolgt. G. wurden in den ersten Jahrzehnten des Eisenbahnwesens mehrfach ausgeführt. Sie sind im Betriebe unbequem und wegen des starken Verschleißes der Drahtseile recht teuer. In dem Maße, als es gelang, leistungsfähige Lokomotiven für Steilrampen zu erbauen und durch künstliche Linienentwicklung starke Steigungen zu vermeiden, verloren die G. an Bedeutung. Sie dürften heute bei der Erbauung von Hauptbahnen nicht mehr in Frage kommen. Der Betrieb erfolgt entweder mit stetig umlaufendem geschlossenem Seil, das von einer ortfesten Maschine angetrieben wird und an das die Züge mittels besonderer Mitnehmerseile angeschlossen werden, oder man verwendet ein offenes Seil, das am oberen Ende der G. über Umlenkrollen läuft; mit dem einen Seilende ist der zu Berg gehende Zug, mit dem andern ein zu Tal fahrender Zug oder eine einzelne Lokomotive verbunden. Ist die Neigung so stark, daß geschlossene Züge nicht mehr befördert werden können, so wendet man besondere Förderwagen an; sie haben eine wagerechte Plattform, auf die einzelne Wagen heraufgestellt und bergangezogen werden (Schrägaufzüge).


Als Beispiel einer G., auf der geschlossene Hauptbahnzüge mittelst offenen Seiles befördert werden, sei die Ebene zwischen Erkrath und Hochdahl der Strecke Elberfeld-Düsseldorf erwähnt. Sie ist 2∙44 km lang und hat eine Neigung von 33‰. Für die Zugförderung bergauf sind zwei Gleise vorgesehen; auf dem einen fährt eine ziehende Lokomotive herab, auf dem andern steigt der Zug empor, derselbe ist mit jener durch ein 32 mm starkes Drahtseil, das oben über Umlenkrollen läuft, verbunden. Um Leerläufe des Seiles zu vermeiden, werden diese beiden Gleise abwechselnd benutzt. Für die zu Tal fahrenden Züge ist ein drittes Gleis vorhanden.

Ein anderes Beispiel bietet die North British Railway unmittelbar vor der Queen Station in Glasgow; die Länge der G. beträgt hier 500 m, die Steigung 23 bis 25‰. Es wird hier ein endloses Drahtseil, das von einer ortfesten Maschine angetrieben wird, benutzt. Der Zug wird mittels einer Kette an das Seil angeschlagen.

Bei diesen Beispielen bildet die G. nur ein verschwindend kurzes Stück normaler Reibungsbahnen. Anders liegen die Verhältnisse auf der brasilianischen Bahn Santos – Sao Paulo; dort ist auf der kurzen Strecke von 11 km ein Höhenunterschied von fast 800 m zu überwinden. Man hat daher trotz der hohen Betriebskosten eine Seilbahn gebaut, die auf einer 10∙6 km langen Strecke in fünf Stufen diesen Höhenunterschied bewältigt (s. Bd. II, S, 484). Die mittlere Steigung der vier G. beträgt hier 102‰. Jede Seilebene ist von den folgenden durch eine 76 m lange Strecke mit abwärts gerichteter Neigung von 13 getrennt. Die Züge werden von zweiachsigen Tenderlokomotiven befördert, die mit Greifern die geschlossenen Drahtseile festpacken.

Besondere Plattformwagen (Schrägaufzüge) fanden sich früher an zwei Stellen der Ugandabahn, wo Neigungen von 420–470 zu überwinden waren. Ihr Gewicht betrug 7 t; sie konnten Eisenbahnwagen von etwa 15 t Gewicht aufnehmen.


Auch auf Straßenbahnen sind G. bisweilen zur Ausführung gekommen, z.B. Palermo-Montreale (s. Bd. IV, S. 281, Elektr. Bahnen).

Literatur: Hb. d. Ing. W. V, 8, Leipzig 1906. S. 141.

Oder.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 274.
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