Horizontalaufnahme

[237] Horizontalaufnahme (plane surveying; leves des plans; rilievo in piano) bezweckt die Darstellung der Horizontalprojektion oder des Grundrisses des Geländes in Lageplänen.

Man unterscheidet zwischen numerischen Aufnahmen, bei denen im Felde nur die Ergebnisse der Längen- und Winkelmessungen gewonnen werden, während die Herstellung der Lagepläne mit Hilfe dieses Materials nachträglich erfolgt, und Meßtischaufnahmen, bei denen die Lagepläne unmittelbar im Gelände entworfen werden.

Für jede H. ist im Gelände eine Reihe von Hilfspunkten (Messungspunkten) auszuwählen, die die Grundlage der Aufnahme bilden, und deren gegenseitige Lage zuerst zu bestimmen ist.

Hierzu kommen bei der numerischen Aufnahme drei Methoden zur Anwendung:

1. Bei kleinen Aufnahmen in unübersichtlichem Gelände Verbindung der Punkte durch ein Netz von geraden Linien.

2. Bei kleinen Aufnahmen in unübersichtlichem Gelände Verbindung der Punkte durch ein Polygonnetz.

3. Bei großen Aufnahmen Verbindung der Punkte durch ein Dreiecksnetz (Triangulation).

Für die Meßtischaufnahme erfolgt die Bestimmung der Messungspunkte ebenfalls durch ein Polygonnetz bzw. durch eine Triangulation.


I. Numerische Aufnahmen.


1. Zur Aufnahme mit Hilfe eines Liniennetzes sind erforderlich Hilfsmittel zur Messung von Längen (Meßband oder Meßlatten) und Hilfsmittel zum Abstecken rechter Winkel (Winkelspiegel, Winkelprisma, Kreuzscheibe). Im einfachsten Falle sind nur zwei Hilfspunkte erforderlich, deren Abstand zu messen[237] ist. Die Aufnahme erfolgt dann durch Messung der rechtwinkligen Koordinaten aller Geländepunkte, die im Lageplan darzustellen sind, wobei die Verbindungslinie der beiden Messungspunkte als Abszissenachse benutzt wird.

Bei größerer Ausdehnung der Aufnahme werden zunächst einige Hauptmessungspunkte ausgewählt, z.B. vier Punkte, die ein großes das Aufnahmegebiet umschließendes Viereck bilden. Durch Messen der vier Seiten und der Diagonalen des Vierecks bestimmt man die gegenseitige Lage der Punkte und kann dann nach Bedarf weitere Linien einschalten, die als Abszissenachsen für die Koordinatenaufnahme dienen können.

2. Ist das Gelände unübersichtlich, so wird eine größere Zahl von Hauptmessungspunkten angenommen, die um das Aufnahmegebiet herum liegen, und durch einen geschlossenen Vieleckszug (Polygonzug) verbunden werden. Die Punkte werden im Gelände sorgfältig vermarkt, damit sie später erforderlichen Falles wiedergefunden werden können. Die gegenseitige Lage dieser Punkte bestimmt man durch Messen der Winkel und der Seiten des Vielecks, wozu ein Theodolit und Längenmeßgeräte erforderlich sind. Hierauf werden diese Punkte und Linien ebenfalls durch ein Netz von geraden Linien für die Kleinaufnahme verbunden.

Da das Aufzeichnen des Vieleckszuges mit Hilfe eines Maßstabes und eines Transporteurs ungenau werden würde, so berechnet man für alle Punkte des Zuges rechtwinklige Koordinaten, indem man sich die Punkte auf eine wagrechte Ebene projiziert denkt und ein beliebiges Koordinatensystem annimmt.

3. Bei der Triangulation erfolgt die Bestimmung der Messungspunkte fast ausschließlich durch Winkelmessung. Handelt es sich um die Aufnahme einer Feldmark oder eines Komplexes von Feldmarken, so wählt man eine Reihe von Punkten (Dreiecks- oder trigonometrischen Punkten) aus, die sich zu einem Netz von möglichst gleichseitigen Drei ecken verbinden lassen und mit dem letzteren das ganze Aufnahmegebiet umfassen. Werden in jedem Dreieck die Winkel gemessen, so ist die Gestalt des ganzen Netzes bekannt; wird auch noch die Länge einer Dreiecksseite ermittelt, so kann man auch die Größe aller Dreiecksseiten angeben.

Die Dreieckspunkte werden ihrer großen Wichtigkeit wegen so dauerhaft als möglich vermarkt, am besten durch Granitsteine, die auf ihrem Kopf ein eingemeißeltes Kreuz tragen. Die Winkelmessung erfolgt mittels des Theodolits, meistens nach der Methode der Richtungssätze (vgl. Winkelmessungen), während zur Messung der einen Dreiecksseite, der Basis des Netzes, die gewöhnlichen Längenmeßgeräte bei besonders sorgfältiger Handhabung genügen.

Bevor die Berechnung des Dreiecksnetzes begonnen werden kann, ist noch auf die unvermeidlichen Ungenauigkeiten der Winkelmessung Rücksicht zu nehmen. Letztere bewirken, daß einmal die Winkelsumme in den Dreiecken von 180° abweicht, außerdem aber auch noch andere Widersprüche in dem Dreiecksnetz auftreten. Man beseitigt diese Widersprüche, indem man zu sämtlichen Winkeln kleine Verbesserungen hinzufügt, u.zw. so, daß entsprechend dem Grundsatz der Methode der kleinsten Quadrate die Quadratsumme aller Verbesserungen möglichst klein wird.

Nach der Winkelausgleichung werden von der Basis ausgehend alle Dreiecksseiten nach den Regeln der ebenen Trigonometrie berechnet. Hierauf führt man wieder ein rechtwinkliges Koordinatensystem ein und ermittelt in ihm die Koordinaten aller Punkte.

Die weitere Aufnahme gestaltet sich nun so, daß die Dreieckspunkte je nach Bedarf durch Polygonzüge verbunden werden, deren Seiten etwa 200–300 m lang sind. Auch für diese Punkte berechnet man wieder die rechtwinkligen Koordinaten in dem bereits angenommenen System, wodurch die Anzahl der Messungspunkte bereits erheblich vergrößert wird.

Auf die Polygonpunkte stüzt sich wiederum das Liniennetz, das die Grundlage der Einzelaufnahme bildet. In Abb. 146 ist der Handriß für einen Teil einer Kleinaufnahme dargestellt, wie er im Gelände zum Einschreiben aller Messungszahlen nach dem Augenmaß entworfen wird.

In Kulturstaaten wird die Anlage eines selbständigen Kleindreiecksnetzes zurzeit kaum noch in Frage kommen, da hier überall ein allgemeines Landesdreiecksnetz zur Verfügung steht, dessen Punkte für alle Aufnahmen verwendet werden können. Die Landestriangulierung wird nach denselben Grundsätzen wie die Kleintriangulierung bearbeitet; da hier aber die Zahl der Punkte und infolgedessen auch die Zahl der sie verbindenden Dreiecke überaus groß ist, so würden die unvermeidlichen Messungsungenauigkeiten sich allzu sehr anhäufen. Man zerlegt deshalb ein Landesdreiecksnetz in verschiedene Ordnungen, indem man zuerst ein Netz erster Ordnung mit sehr großen Dreiecken von 50–100 km Seitenlänge mißt und hierin Punkte zweiter[238] Ordnung, dann solche dritter Ordnung und endlich auch noch Punkte vierter Ordnung einschaltet. Entsprechend den einzelnen Entfernungen werden bei den einzelnen Ordnungen Meßinstrumente verschiedener Genauigkeit benutzt, derartig, daß für die erste Ordnung sehr große Theodolite für die Winkelmessung und ein besonderer Basisapparat für die Grundlinienbemessung zur Verwendung gelangen. Das Ergebnis der Landesvermessung bilden die geographischen Längen und Breiten aller Punkte.

Für den Anschluß von H. werden die in das Aufnahmegebiet fallenden Punkte des Landesdreiecksnetzes benutzt und es müssen für diese Punkte wieder rechtwinklige Koordinaten berechnet werden. Man führt hierzu zu nächst ein rechtwinkligsphärisches Koordinatensystem ein, indem man, wie Abb. 147 zeigt, den Meridian eines willkürlich an genommenen Nullpunktes N. P. als Abszissenachse und die hierzu rechtwinklig liegenden Großkreisbogen als Ordinaten einführt. Der Vorteil dieses Koordinatensystems besteht darin, daß man es, falls die Ordinaten nicht größer als etwa 70 km werden, unmittelbar wie ein ebenes rechtwinkliges Koordinatensystem behandeln kann.

Wenn die innerhalb des Vermessungsgebiets liegenden Punkte des Landesdreiecksnetzes nicht ausreichen sollten, so werden weitere Hilfspunkte durch Winkelmessung eingeschaltet,[239] für die dann ebenfalls rechtwinklige Koordinaten zu berechnen sind.


II. Meßtischaufnahmen.


Die Aufnahme mit dem Meßtisch liefert im Gegensatz zur numerischen Aufnahme unmittelbar den Lageplan im Gelände. Über die hierzu erforderlichen Instrumente, Meßtisch und Kippregel, s. Winkelmessungen. Auch für diese Aufnahmemethode sind Messungspunkte erforderlich, die in der Regel wie bei der numerischen Aufnahme durch Triangulation bestimmt werden. Diese Punkte werden nach ihren Koordinaten auf das Meßtischblatt aufgetragen. Kleintriangulierungen können auch vermittels des Meßtisches selbst gemessen werden, wobei dann die Winkelmessung mit der Kippregel erfolgt. Man trägt hierzu die unmittelbar gemessene Grundlinie in dem Maßstabe des Lageplans auf und legt an diese Grundlinie in ihren beiden Endpunkten die beiden Winkel des ersten Dreiecks mit Hilfe der Kippregel an. Auf diese Weise erhält man das erste Dreieck auf dem Meßtischblatt und kann die weiteren Dreiecke nacheinander durch jedesmaliges Antragen der Winkel bilden.

Auch polygonale Züge können mit Hilfe des Meßtisches gemessen werden, indem man die Winkel mit der Kippregel zeichnet und die Längen mit dem Meßband oder mit Meßlatten bestimmt. Auch können dabei die in der Tachymetrie üblichen indirekten Entfernungsmesser verwendet werden.

Die Geländeaufnahme geschieht im Anschluß an die vorher bestimmten Messungspunkte meistens nach rechtwinkligen Koordinaten, die im Gelände gemessen und dann in das Meßtischblatt eingetragen werden. Bequemer ist es aber, alle Geländeeinzelheiten von den Messungspunkten aus durch Polarkoordinaten aufzunehmen, wobei wieder Hilfmittel zur indirekten Entfernungsmessung vorhanden sein müssen.

Der Meßtisch ist für H, bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts, besonders in Süddeutschland, sehr viel gebraucht worden, hat dann aber auf diesem Gebiet der numerischen Aufnahme vollständig weichen müssen. Die Hauptmängel der Meßtischaufnahme bestehen darin, daß für die ganze Aufnahme ein und derselbe Maßstab verwendet werden muß, und daß aus der Aufnahme nur ein einziger Plan hervorgeht. Bei der numerischen Aufnahme ist man in der Lage, nachträglich über den Maßstab beliebig verfügen zu können, auch kann man auf Grund der Vermessungsakten jederzeit neue Pläne herstellen. Dagegen wird die Meßtischaufnahme auch heute noch für Pläne mit Höhendarstellung verwendet, wie man sie z.B. bei Eisenbahnvorarbeiten braucht. Vor allem aber ist der Meßtisch für topographische Aufnahmen bis heute das wichtigste Hilfsmittel geblieben.

Literatur: Jordan, Handb. d. Vermessungskunde, Bd. 2, 8. Aufl. 1914.

Eggert.

Abb. 146. Handriß für eine Horizontalaufnahme.
Abb. 146. Handriß für eine Horizontalaufnahme.
Abb. 147.
Abb. 147.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 237-240.
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