Northern Securities Company

[367] Northern Securities Company ist eine der größten Vereinigungen von Eisenbahngesellschaften der Vereinigten Staaten von Amerika, deren Zweck war, unter Ausschluß des Wettbewerbs ein ausgedehntes Verkehrsgebiet ausschließlich zu beherrschen. Ihre Organisation war im wesentlichen die einer Holding Company (s.d.). Wenngleich die Gesellschaft nur kurze Zeit bestanden hat, so haben die Vorgänge bei ihrer Bildung und ihrer Auflösung doch so großes Aufsehen erregt und sind auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Zustände der Vereinigten Staaten von so nachhaltigem Einfluß gewesen, daß sie eine besondere Behandlung verdient. Auch in der Fachliteratur wird die N. als ein vorbildliches Schulbeispiel häufig erwähnt.

Die Entstehung der N. ist zurückzuführen auf lebhafte Kämpfe zwischen den Herren der Northern Pacific- und der Great Northern-Eisenbahnen (James Hill und Pierpont Morgan,[367] s.d.) einerseits und dem Herrn der Union Pacific-Eisenbahn, Harriman (s.d.), anderseits. Im Jahre 1901 setzten sich die ersteren, um eine Fortsetzung ihrer Linien nach Chicago und damit einen Anschluß an das östliche Eisenbahnnetz der Vereinigten Staaten zu gewinnen, in den Besitz der Mehrheit der Aktien der Chicago Burlington- und Quincy-Eisenbahn. Die Union Pacific, die davon eine Schädigung ihrer Interessen, vor allem im Überlandverkehr befürchtete, machte einen Gegenzug, indem sie unter der Hand eine möglichst große Anzahl, fast die Hälfte, der Aktien der Northern Pacific-Bahn ankaufte. Als dies bekannt wurde, suchten die Gegner den Ankauf weiterer Aktien zu verhindern und es entspann sich ein Kampf um den Besitz von Aktien der Northern Pacific-Bahn, deren Kurse bis auf 1000 Dollar für die Aktie von 100 Dollar hinaufgetrieben wurden. Das führte am 9. Mai 1901 zu einer verheerenden Börsenkrise, durch die das ganze Wirtschaftsleben in den Vereinigten Staaten erschüttert wurde. Die gegnerischen Parteien suchten, um die traurigen Folgen dieser Krisis zu beseitigen, nach einer Verständigung und gründeten gemeinschaftlich die N., die die Interessen aller Teile vertreten sollte, mit einem Aktienkapital von 400 Mill. Dollar, wovon allerdings nur 30.000 Dollar eingezahlt wurden. Der neuen Gesellschaft wurden die Aktien der drei feindlichen Gesellschaften übertragen, die dagegen Aktien der N. erhielten.

Diese Vereinbarung erregte das größte Aufsehen. Man befürchtete in den von den 4 großen Bahnnetzen durchzogenen Gebieten eine Monopolisierung des gesamten Verkehrs, die Gouverneure der Weststaaten, unter Führung von Minnesota, erhoben Anklage gegen die Bahnen auf Grund des sog. Sherman-Gesetzes von 1890 (Anti-Trust-Gesetz), durch das derartige den Verkehr schädigende Vereinbarungen untersagt werden. Gleichzeitig wies der Präsident der Vereinigten Staaten, Roosevelt, den Generalstaatsanwalt an, vor den Bundesgerichten gegen die N. vorzugehen. Die Urteile der Gerichtshöfe lauteten verschieden. Die Sache kam jetzt vor das oberste Bundesgericht, das in einem Urteil vom 14. März 1904 mit 5 gegen 4 Stimmen die N. für ungültig erklärte. Die Gesellschaft löste sich nun auf, über die Verteilung ihres Besitzes unter die einzelnen Unternehmungen ergaben sich neue Streitigkeiten, über die das oberste Bundesgericht in einem Urteil vom 6. März 1905 endgültig entschied. Seitdem hat die N. aufgehört und der frühere Rechtszustand ist, soweit möglich, wieder hergestellt; neue Kämpfe dieser Überlandbahnen sind nicht eingetreten.

Die Richtigkeit des Urteils des Oberbundesgerichts ist von vielen Seiten angefochten worden; Rechtslehrer und Eisenbahn Verwaltungen haben die Gründe der Minderheit für überzeugend erklärt, man hat der Mehrheit der Oberbundesrichter vorgeworfen, daß sie sich weniger von rechtlichen, als von politischen und wirtschaftspolitischen Erwägungen habe leiten lassen. Die öffentliche Meinung ist jedoch im großen ganzen der Mehrheit beigetreten und das Urteil hat wohl mit dazu beigetragen, daß die Eisenbahnen und andere große Erwerbsgesellschaften bei Bildung der Holding Company vorsichtiger geworden sind.

Literatur: B. H. Meyer, History of the Northern Securities case. Madison 1906. – Daggett, Railroad reorganization. Boston und New York 1908, S. 258 ff. Die amtlich veröffentlichten Prozeßschriften und Urteile in Sache der Northern Securities case. Washington 1903, 1904.

v. der Leyen.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 367-368.
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