Sandschakbahn

[299] Sandschakbahn (vgl. Abb. 167), das den vormaligen türkischen Kreis (Sandschak) Novipazar durchziehende, bisher noch unausgebaute Mittelstück der von der alten österreichisch-türkischen Reichsgrenze an der Save (Doberlin) durch Bosnien, Altserbien und Makedonien nach Salonik führenden Linie des im Jahre 1869 dem Baron Hirsch konzessionierten Bahnnetzes der europäischen Türkei. Von der bezeichneten Linie ist im Süden die 363 km lange Strecke Salonik-Üsküb (Skoplje)-Mitrovitza, im Norden dagegen nur die kurze Strecke Doberlin-Banjaluka (101∙5 km) vollspurig zur Ausführung gelangt. Da der Finanzierung des obigen Bahnnetzes eine kilometrische Staatssubvention zu grunde lag und den Handelsinteressen der Westmächte am besten mit Sackbahnen von der Seeküste nach dem Innern der Balkanhalbinsel gedient war, blieb der technisch schwierigste und kostspieligste Teil der Linie – die das innere Bosnien und den Sandschak durchziehende Zwischenstrecke Banjaluka-Mitrovitza – unausgeführt. Als nun in Erweiterung des während der Okkupation geschaffenen schmalspurigen Bahnnetzes die bosnische Ostbahn Sarajevo – Uvac (Sandschakgrenze) mit 137∙6 km und über 90 Tunnele in einer für den späteren Umbau auf Vollspur geeigneten Linienführung im Juli 1906 vollendet war, wurde seitens der österreichisch-ungarischen Regierung in Ausübung des der Monarchie im Berliner Vertrag von 1878 eingeräumten, im Übereinkommen mit der Türkei vom 26. Februar 1909 gewahrten Rechtes, im Sandschak Militär- und Handelsstraßen zu erbauen, der Plan ins Auge gefaßt, den Anschluß der bosnischen Ostbahn an die Saloniker Linie der orientalischen Bahnen durch Ausfüllung der Lücke Uvac-Sandschak-Mitrovitza sicherzustellen. Hierdurch wäre eine wenn auch bis zur Normalisierung der bosnischen Zwischenstrecken 2maligen Spurwechsel bedingende Bahnverbindung der Monarchie mit[299] den orientalischen Bahnen unabhängig von Serbien erreicht worden. Die kundgegebene Absicht der österreichisch-ungarischen Regierung, die S. zur Ausführung bringen zu lassen, begegnete bei der Pforte anfangs Schwierigkeiten und rief in Rußland und Serbien heftigen Widerstand hervor, der auch nach dem durch den Balkankrieg 1912 herbeigeführten Übergang des Sandschaks an Serbien fortdauerte. Nach den für die S. im Jahre 1909 aufgestellten allgemeinen Plänen der Betriebsgesellschaft der orientalischen Bahnen kommen für die Trassenführung Alternativen in Betracht. Die für den Bau und Betrieb günstigere Trasse läuft von Uvac über Priboj und Priepolje im Limtal flußaufwärts bis knapp an die vormalige montenegrinische Grenze, durchbricht nach Osten abbiegend im Tunnel den Sattel von Rožhaj und gelangt sodann in das Ibartal, dem sie bis Mitrovitza folgt. Diese Linie würde ein wenig bevölkertes, z.T. waldreiches Gebiet durchziehen und hätte stellenweise ziemliche Bauschwierigkeiten zu überwinden. Das Gelände stimmt im Limtal mit dem der bosnischen Ostbahn überein, deren Ausführungsweise (76 cm Schmalspur) den Plänen zu gründe lag. Die Bahnlänge beträgt 210 km. Die andere, kürzere, aber schwierigere Trasse führt gleichfalls von Uvac bis Priepolje im Limtal, verläuft aber fortan viel näher der vormaligen serbischen Grenze. Sie steigt von Priepolje (Meereshöhe 442 m) im Tal der Miloševa an, durchfährt im Tunnel bei 1150 m Höhe die erste Wasserscheide (Jadocnik) vor Sjenica, sodann, fortwährend die Höhenlage von 900–1000 m beibehaltend, mittels eines weiteren Tunnels in 1100 m Höhe die zweite Wasserscheide (Sucha gora), von der sie sich nach dem Becken von Novipazar (540 m) herabsenkt; die von dort bis Mitrovitza noch zu überwindende dritte Wasserscheide (Rogosna Planina) von 850 m Höhe bietet keine besonderen Schwierigkeiten. In Sjenica und Novipazar berührt die Linie, die zwischen dem erstgenannten Ort und dem Limtal nutzbare Wälder durchzieht, größere Ortschaften mit lebhaftem Marktverkehr; in der Nähe Novipazars sind ausgedehnte Eisenerzlager vorhanden. Bei gleichfalls schmalspuriger Herstellung würde diese Linie 140 km lang sein; die Kostensumme wurde im Jahre 1909 mit 24 Mill. K (pro km 171∙430 K) berechnet. Die Regierungsvorlage von 1913 über die Ergänzung des bosnisch-herzegowinischen Eisenbahnnetzes veranschlagt die Kosten der gleichartige Verhältnisse aufweisenden Schmalspurbahn Bugojno-Arzano mit dem kilometrischen Aufwand von 309.000 K. Bei dieser Annahme würde die S. nach der kürzeren Trasse 43∙26 Mill. K nach der längeren nicht unter 60 Mill. K kosten. Durch den Bau der S. würden Bosnien und die benachbarten Länder der Monarchie dem Gebiet Altserbiens, Mazedoniens und dem Hafen von Salonik namhaft nähergerückt. Für Wien und Budapest würde der neue Bahnweg dagegen keine Abkürzung bringen, da die Bahnentfernung von Wien nach Salonik auf der bestehenden Linie über Budapest, Belgrad und Üsküb 1322 km beträgt und auf der neuen Linie durch Bosnien und den Sandschak, die Wahl der kürzeren Trasse vorausgesetzt, 1490 km, also um 168 km mehr betragen würde. Für Budapest-Salonik, jetzt über Belgrad und Üsküb 1063 km, würde die Mehrlänge auf dem Wege über Bosnien und den Sandschak (1355 km) um 292 km steigen.

v. Wittek.

Abb. 167.
Abb. 167.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 8. Berlin, Wien 1917, S. 299-300.
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