Streckentelegraph

[243] Streckentelegraph, eine in einer Wärterbude auf der freien Bahnstrecke aufgestellte Telegrapheneinrichtung, die mit den beiden benachbarten Stationen verbunden die Möglichkeit bietet, von der Strecke aus beim Liegenbleiben eines Zuges oder bei Unfällen telegraphisch Hilfe anzufordern. Solche S. waren früher auf allen verkehrsreichen Strecken in Abständen von 2–4 km aufgestellt. Sie haben sich aber nicht bewährt, weil es stets große Schwierigkeiten bereitete, den Bahnwärtern die erforderliche Fertigkeit und Sicherheit im Telegraphieren beizubringen und sie genügend in der Übung zu erhalten. Auch die Mitführung der Telegrapheneinrichtung in den Zügen hat sich im allgemeinen nicht bewährt. Bei einigen Bahnen hat man selbsttätige Zeichengeber eingerichtet, die mit den bei den Bahnwärterposten aufgestellten Läutewerken verbunden waren. Damit konnte eine geringe Anzahl ein für allemal festgesetzter Zeichen oder »Hilfssignale« nach den beiden benachbarten Stationen gegeben werden, ohne daß dazu die Kenntnis des Telegraphierens erforderlich war. Ein am Läutewerk angebrachter Telegraphiertaster wurde durch eine beim Ablaufen des Läutewerks in Umdrehung versetzte gezahnte Scheibe in Tätigkeit gesetzt. Die Zähne auf der Scheibe stellten in abgekürzter Morseschrift das Nummerzeichen des Wärterpostens und ein bestimmtes Hilfszeichen dar. Zu jedem Läutewerk gehörten 6–8 Scheiben mit verschiedenen Hilfszeichen, z.B.:

»Lokomotive dienstunfähig«,

»Hilfslokomotive senden«,

»Zug entgleist«,

»Bahnmeister und Arbeiter senden«,

»Beide Gleise unfahrbar«,

»Ärztliche Hilfe erforderlich«.

Vor Abgabe eines Hilfssignals mußte die auf den Fall passende Zeichenscheibe auf das Laufwerk aufgesteckt werden. Dann wurde das Laufwerk einigemal mit der Hand ausgelöst, wobei die Zeichenscheibe jedesmal 4 Umdrehungen machte und ebensoviele Male der durch die Scheibe bewegte Telegraphiertaster das Hilfszeichen in die Leitung abtelegraphierte, wo es von den beiden benachbarten Stationen auf den Morsewerken aufgenommen wurde. Nach Abgabe des Hilfssignals mußte die Zeichenscheibe wieder vom Läutewerk abgenommen werden. Aber auch bei dieser Einrichtung fehlte den Bedienenden meistens die erforderliche Übung in der Handhabung. Mit der Einführung des Fernsprechers an Stelle der S. ist ein bequemeres und sichereres Verständigungsmittel zwischen der freien Strecke und den Stationen geschaffen worden (s. Streckenfernsprecher).

Fink.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 9. Berlin, Wien 1921, S. 243.
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