Universal-Nivellierinstrumente

[73] Universal-Nivellierinstrumente werden Nivellierapparate genannt, die nicht bloß zum Nivellieren, sondern auch zur Lösung aller jener geodätischen Aufgaben verwendet werden, die bei Bauausführungen, namentlich beim Trassieren von Straßen und Eisenbahnen, bei wasserbautechnischen Arbeiten, bei verschiedenen Absteckungen u.s.w. zu lösen sind. Das Fernrohr muß eine größere Bewegung im vertikalen Sinne zulassen, als es bei den gebräuchlichen Nivellierinstrumenten[73] der Fall ist, um Horizontalwinkel bei beliebiger Neigung der Visur und auch Vertikalwinkel messen zu können; überdies ist es notwendig, Distanzen und Höhenunterschiede indirekt auf optischem Wege zu ermitteln, zu welchem Zwecke das Fernrohr zur Distanzmessung eingerichtet sein muß.

Diese aus dem Bedürfnisse des Bauingenieurs hervorgegangenen Instrumente sind wahre Universalinstrumente, man kann sie auch als Tachymeter mit empfindlicher Nivellierlibelle ansprechen.

Mit Rücksicht auf die noch heute in der Praxis in Verwendung stehenden älteren Bauarten dieser Instrumente seien nachfolgend die drei typischen Formen:

1. Das U. mit umlegbarem Fernrohre und Aufsetzlibelle;

2. das U. mit durchschlagbarem Fernrohre und Aufsetzlibelle und

3. das U. mit durchschlagbarem Fernrohre und Doppellibelle kurz beschrieben und im Bilde durch die von der in Österreich führenden mathematisch-mechanischen Werkstätte Starke & Kammerer hergestellten Formen veranschaulicht.

Die erste Type (Abb. 44) besteht aus dem festen Unterteile mit Limbus, der mit einem soliden Dreifuß beim Gebrauch mit dem Stativ fest verbunden wird, und aus der drehbaren Alhidade mit dem Oberteile des Instruments. Die Hauptabmessungen des Instruments sind: Durchmesser des Horizontalkreises 15 cm, direkte Teilung des Kreises 10' und die Angabe diametraler Nonien 20'' bis 1'; der Vertikalkreis hat 12 cm im Durchmesser, ist durchlaufend 0–360° geteilt und die Nonienangabe beträgt 1' bis 20''; bei horizontal gerichteter Visur des Mittelfadens sind die Lesungen an den Nonien des Vertikalkreises 0° bzw. 180°. Das Fernrohr mit 34 mm Objektivöffnung, 35maliger Vergrößerung, einem Ramsdenschen Okular ruht in einer klemm- und fein verstellbaren Metallrinne, ist in seinen Lagern dreh- und umlegbar, besitzt zwei Anschlagzapfen, die an das mit dem Lager in fester Verbindung stehende Korrektionsschräubchen anstoßen, wenn bei vertikal gestellter Alhidadenachse der Querfaden des Fadenkreuzes im Räume horizontal ist; außerdem ist das Fernrohr mit Ringen von gleichem Querschnitt versehen, die eine sichere Drehung in den Lagern der Metallrinne zulassen und als Unterlage für die Aufsetzlibelle dienen.[74]

Kreuzlibellen als Alhidadenlibellen bezwecken die Horizontierung des Limbus; die Nivellierlibelle ist eine auf die Fernrohrringe aufsetzbare Reiterlibelle, die mittels zweier Schließen festgehalten wird; die Alhidade des Vertikalkreises trägt die Versicherungs- oder Vertikalkreislibelle, die bei wagrechter Lage der Nivellierebene (Ebene des Mittelfadens) und Einstellung der diametralen Nonien auf 0° und 180° einspielen muß; bei justierter einspielender Vertikalkreislibelle wird an den Nonien des Vertikalkreises unmittelbar der Vertikalwinkel abgelesen.

Zum Zwecke der Distanzmessung sind auf die Fadenkreuzplatte des Fernrohrs in gleichem Abstände vom Mittelfaden distanzmessende Fäden aufgespannt; die Hauptkonstante der Distanzgleichung ist zumeist 100 und die additionelle Konstante setzt sich aus der Brennweite und der Exzentrizität des Objektivs zusammen.

Zum Nivellieren, Distanz- und Höhenmessen werden gleichmäßig geteilte, zweckmäßig bezifferte Maßstäbe, Nivellier- und Distanzlatten benutzt; vielfach wird durch eine auf einer Konsole der Latte montierte Dosenlibelle für eine sichere Vertikalstellung der Lattenteilung gesorgt (für Präzisionsmessungen).

Beim Gebrauche wird das U. auf der Kopfplatte eines Scheiben- oder Tellerstativs aufgesetzt und mittels einer Herz- oder Zentralschraube mit demselben fest verbunden.

Die zweite Type der U. (Abb. 45) vermeidet den Übelstand der Nivellierinstrumente mit umlegbarem Fernrohr (zu große Abnutzung der Ringe) und gewährt dieselben Vorteile in bezug auf Leichtigkeit der Rektifikation; sie ist charakterisiert durch das durchschlagbare Fernrohr und eine Aufsetzlibelle als Nivellierlibelle.

Der Horizontal- und Vertikalkreis sind so dimensioniert wie bei der ersten Type, hingegen ist das Fernrohr, da es zum Durchschlagen eingerichtet werden muß, kürzer, um die für das Nivellierinstrument zulässigen Dimensionen der Konstruktion nicht zu überschreiten.

Die dritte Type der U. mit durchschlagbarem Fernrohr und Doppellibelle wurde vom Mechaniker Starke in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre des verflossenen Jahrhunderts eingeführt und ist heute das beliebteste Instrument des Bauingenieurs (Abb. 46).

Der Unterschied gegen die ersten zwei Typen der U. besteht nur in der Verwendung der Doppellibelle als Nivellierlibelle, die auf einem durchschlagbaren Fernrohr justierbar montiert ist.

Die Doppellibelle am bequem durchschlagbaren Fernrohr hat gegenüber der Aufsetzlibelle die folgenden Vorteile:

1. Die umständliche und zeitraubende Rektifikation der Aufsetzlibelle entfällt; die Rektifikation der Doppellibelle reduziert sich auf die Einstellung der Blase durch eine Korrektionsschraube.

2. Es entfallen die Fehlerquellen, die durch Abnutzung der Fernrohrringe entstehen; die Doppellibelle erfährt durch den Gebrauch keine Änderung.

3. Die Parallelstellung der Visierlinie zu den Haupttangenten an den Marken der Doppellibelle geschieht durch eine bequeme Justierung der letzteren; hierbei entfällt die Verschiebung der Fadenplatte im vertikalen Sinne, was beim U. mit Aufsetzlibelle notwendig ist.

4. Die Aufsetzlibelle ist ein Stück für sich und ist beim Abheben und Umsetzen sowie beim Transporte Beschädigungen ausgesetzt, was bei der Doppellibelle ausgeschlossen ist.

5. Die Beobachtungen in zwei Lagen des Fernrohrs: »Doppellibelle oben und unten« sind bequemer ausführbar als bei der abnehm- und wieder aufsetzbaren Reiterlibelle (Aufsetzlibelle).

Die abgebildeten U. besitzen einen gedeckten Horizontalkreis zum Schutze der wertvollen[75] Teilung; diese Einrichtung ist bei Grubeninstrumenten schon lange eingeführt, sie ist aber auch bei Instrumenten für Arbeiten über Tage von Vorteil.

Die U. sind speziell in Deutschland vielfach unter der Bezeichnung Nivellier-Theodolit und Nivellier-Tachymeter bekannt, wobei insbesondere die letzteren die Höhenlage von Punkten nur durch wagrechte Ziellinie zu bestimmen gestatten oder mit einer einfachen Ablesung geneigte Ziellinien auf die wagrechte zurückführen lassen; da kommen die Tangentenschraube und die Stampfersche Sehnenschraube zur Verwendung.

Nicht selten wird die Tangentenschraube durch Anbringung einer entsprechenden Skala zur Gefällsschraube ausgestaltet, so daß der Ziellinie Neigungen bestimmter Prozente oder Promille erteilt werden können, wodurch ein derartiges U. im Straßen-, Eisenbahn- und Wasserbau wertvolle Dienste leisten kann.

Die geschilderten drei Typen von U. können statt des Vertikalvollkreises einen Vertikalbogen oder ein Segment besitzen; hierdurch entfällt die äußerst praktische Vertikalkreislibelle und an ihrer Stelle muß der eine vorhandene Nonius als fliegender Nonius zum Verstellen eingerichtet sein.


Näheres über U. findet man in den Werken: Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde. Stuttgart 1890. – Hartner-Doležal, Hand- und Lehrbuch der Niederen Geodäsie, II. Bd., Wien 1910. – Lorber, Nivellieren 1894. – Stampfer-Doležal, Theoretische und praktische Anleitung zum Nivellieren. Wien 1902.

Doležal.

Abb. 44.
Abb. 44.
Abb. 45.
Abb. 45.
Abb. 46.
Abb. 46.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 73-76.
Lizenz:
Faksimiles:
73 | 74 | 75 | 76
Kategorien:

Buchempfehlung

Pascal, Blaise

Gedanken über die Religion

Gedanken über die Religion

Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.

246 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon