Hanfstaengl, Franz

[369] Hanfstaengl, F. Hofrat Franz Hanfstaengl wurde im Jahre 1804 als Sohn schlichter Landleute im Weiler Bayernrain im bayr. Hochgebirge geboren und erweckte schon als Knabe – die Särge der Landbewohner mit Blumen bemalend – die Aufmerksamkeit Aller, die ihn sahen. Er wollte Künstler werden und versuchte sein Heil in München; hier war er einer der fleißigsten und begabtesten Eleven der von Prof. Mitterer gegründeten Zeichnungsschule, die mit der Münchener Feiertagsschule verbunden war.

Mitterer, der Erfinder der Lithographiekreide, erkannte bald die ungewöhnliche Begabung des Knaben und nahm ihn als Gehülfe in seine lithographische Anstalt herüber. Hier konnte Hanfstaengl den ganzen Entwickelungsgang dieses kaum erst durch Senefelder bekannt gewordenen neuen Kunstzweiges verfolgen und so an des Meisters Versuchen, Senefelders Erfindung zu vervollkommnen, teilnehmen.

Dann ging Hanfstaengl zur Akademie über, deren Schüler er sechs Jahre blieb, und an welcher er sich so auszeichnete, daß ihm ein Reisestipendium bewilligt wurde, von dem er aber keinen Gebrauch machte.

Hanfstaengl machte damals als erster Porträtlithograph von Bedeutung Epoche, denn er war der erste, der seine Bildnisse unmittelbar nach der Natur auf den Stein zeichnete. Adel der Auffassung, die lebendigste Charakterisierung und Individualisierung zeichneten alle seine Porträts jeden Alters und Geschlechts aus.

Als Mitterer 1829 starb, wurde Hanfstaengl zu seinem Nachfolger bestimmt; er legte diese Professur an der Feiertagsschule jedoch 1833 wieder nieder und gründete eine lithographische Anstalt.

Von dem Porträtfach schritt er zu den lithographischen Kunstübersetzungen von Gemälden berühmter älterer und neuerer Meister: »Diese lithographischen Kopien sind in Manier, in malerischem Gusse, in Haltung und Wirkung wider selbständige Kunstwerke«. Hervorragende[369] Arbeiten sind vor allem die 190 Blätter aus der Dresdener Galerie. Sein zu diesem Zwecke in Dresden 1835 unter der Firma Fr. Hanfstaengl errichtetes Atelier überließ er seinen Brüdern Hanns und Max Hanfstaengl, während er selbst einem zweiten großen Atelier in München vorstand. Das Dresdener Geschäft wurde von den Brüdern mit ihrem eigenen 1864 gegründeten Kunstverlag unter der Firma Hanns Hanfstaengl fortgeführt. 1868 erwarb es August Teich, von dem es 1876 an Paul Adolf Müller überging, der es unter seiner Firma fortführte. Die Berliner Filiale der Dresdener Firma ging 1872 an den Hof-Kunsthändler Ed. Müller über, der sie seitdem unter der Firma Hanfstaengls Nachfolger in Berlin als Kunstverlag verbunden mit Sortiment und Kommissionsgeschäft fortführt.

Hanfstaengl hielt es stets mit dem Fortschritt und so war es selbstverständlich, daß er sich alsbald nach dem Auftauchen der von seinem Freunde Fz. v. Kobell erfundenen Galvanographie dieser zuwandte, die inbezug auf die Herstellung soviel Aehnlichkeit mit der Lithographie hat und dabei wieder viele Vorzüge und Mittel der Kuperstichkunst bietet. Eine große Reihe galvanographischer Blätter sind aus Hanfstaengls Offizin hervorgegangen; eins der schönsten ist das Münchener Kunstvereinsblatt »Kolumbus, nach Ruben«.

Mit Eifer wandte sich Hanfstaengl nunmehr der Photographie zu mit dem Ergebnis, daß er nach verhältnismäßig kurzer Zeit als Porträtphotograph als der erste in Deutschland und bald der gesamten Welt dastand. Als größte Auszeichnung muß wohl die Thatsache betrachtet werden, daß 1876 bei einer Konkurrenz von zweiundzwanzig der ersten deutschen photographischen Kunstanstalten um die Herausgabe der Hauptwerke der Münchener Pinakothek der Preis ihm zufiel.

Erwähnenswert sind hier vor allem seine photographischen Sammelwerke, wie die Galerie moderner Meister, Pinakothek und Glyptothek in München, historisches Museum in Dresden, Bayr. Nationalmuseum, Galerien der Zeitgenossen und weiblicher Originalkostüme, Madonnen-, Münchener- und Düsseldorfer Künstleralbum, Album italienischer und französischer Meister, Beyschlag-, Friedr. Voltz-, Defregger-, Grützner- und Bonifazius-Album u.s.w.

Hanfstaengl starb am 18. 4. 1877, das Geschäft ging an den jetzigen Besitzer Hofrat Edgar Hanfstaengl, über. Es umfaßt folgende verschiedene Zweige: Photographische Kunstanstalt; Kunstverlag;[370] Ateliers für Porträtaufnahmen, Lichtdruck, Kohlephotographie, Photogravure, Aquarellgravure, farbige Reproduktion in verschiedenen Methoden; Autotypie und Zinkographie, Kuperdruckerei und Galvanoplastik. Filialgeschäfte befinden sich in London und New-York.

Quellen: Illustr. Zeitung Nr. 799, 1768; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1877.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 369-371.
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