Harper, Familie

[371] Harper. Harper ist ein auch in Deutschland wohlbekannter Name, der Repräsentant eines der größten Verlagsgeschäfte der Welt, das mit dem deutschen Buchhandel von jeher in lebhaften Wechselbeziehungen gestanden hat.

Der Gründer dieser Weltfirma James Harper, wurde als der Sohn eines einfachen Farmers im Jahre 1795 zu Newton, einem kleinen Dorfe auf Long Island geboren. Mit 16 Jahren kam er in die Buchdruckerei von Paul & Thomas in die Lehre, nicht viel früher, als auch sein jüngerer Bruder John Harper bei einem andern Drucker Namens Seymour als Lehrling eintrat. Während ihrer Lehrzeit hatten es die beiden strebsamen und fleißigen Brüder dahin gebracht, sich allmählich ein kleines Kapital von etwa 500 Dollar zusammenzusparen. Hiermit und ein wenig noch von ihrem Vater unterstützt, machten sie sich nun, sobald ihre Lehrzeit beendigt war, selbständig und gründeten eine kleine Druckerei in Dover Street, New-York.

Mit rastlosem Fleiß arbeiteten sie, ganz auf sich selbst angewiesen, und langsam aber stetig vergrößerten sie ihr Geschäft. Während sie in der ersten Zeit hauptsächlich Werke für andere Verleger wie besonders für Evert Duyckinck, damals einer der ersten New-Yorker Buchhändler, druckten – das erste, welches 1817 ihre Presse verließ, war Senecas Morals – wagten sie sich erst 1818 mit einem eigenen Verlagsunternehmen hervor. Es war dies Lockes Essay upon the Human Understanding, wovon Duyckinck vorweg auf 500 Exemplare subskribiert hatte. Bevor sie sich an die Herausgabe eines neuen Verlagswerkes machten vergewisserten sie sich, welche Anzahl die großen Sortimenter ihnen abnehmen würden, dann erst bestimmten die Auflage etc. Besondere Sorgfalt verwandten die Brüder auf die typographische Ausstattung, worin sie wirklich Hervorragendes leisteten.

1825 traten zwei jüngere Brüder Joseph Wesley Harper und Fletcher Harper als Teilhaber in das Geschäft ein, in welchem sie vorher auch ihre Lehrzeit durchgemacht hatten. Die Firma wurde in[371] »Harper & Brothers« geändert und das Geschäft in größere Räumlichkeiten verlegt. 1834 schrieb »The Bookseller's Advertiser«: »Die Zahl der von den Harpers gedruckten und verlegten Werke ist 234 in 413 Bänden. Vor 10 Jahren standen die Brüder noch selbst an der Buchdruckpresse und erst seit dieser Zeit betreiben sie ihren Verlag; gegenwärtig beschäftigen sie 200 Angestellte und verbreiten Litteratur und Wissenschaft unter Millionen, während ihre Firma bekannt ist, wo auch immer die englischen Sprache gesprochen wird«. Zwanzig Jahre später betrug die Anzahl ihrer Verlagswerke über 2000 und gegenwärtig weist ihr Verlagskatalog an Zahl das fünffache auf. Werke, deren Inhalt sich mit ihrer strengen, sittlichen Ueberzeugung nicht vereinbaren ließen, verlegten sie nicht, selbst wenn sie bedeutenden Gewinn daraus hätten ziehen können.

Am 10. Dezember 1853 wurde das ganze Geschäftsgebäude mit sämtlichem Inventar ein Raub der Flammen. Doch die Brüder ließen sich nicht entmutigen; bereits einige Tage nach dem furchtbaren Brande bezogen sie provisorisch andere Geschäftsräume; aufs schleunigste wurden neue Pressen und neues Inventar angeschafft, und ein Jahr später wurde das neue großartige massive Geschäftsgebäude am Franklin-Square bezogen, in dem das Geschäft sich noch befindet.

Das großartigste Verlagsunternehmen der Firma Harper & Brothers ist »Harper's Magazine«. Die Idee dazu ging von dem ältesten Bruder James aus, doch lag die Herausgabe und Verwaltung fast ausschließlich in den Händen von Fletcher Harper. Die erste Nummer, 144 zweispaltig gedruckte Oktavseiten stark, erschien im Juni 1850. In dem gleichzeitig ausgegebenen Prospekt hieß es, daß es die Aufgabe des neuen Unternehmens sei, »gleichzeitig mit dem Erscheinen in England alle neuen Romane von Dickens, Bulwer, Croly, Lever, Warren und anderen hervorragenden britischen Schriftstellern zu bringen, desgleichen alle bedeutenderen Aufsätze der britischen Vierteljahresschriften; Besprechungen der litterarischen Erscheinungen des Tages, Reden und Vorträge bedeutender Männer über allgemein interessante Tagesfragen, Berichte über neue Forschungen und Entdeckungen auf dem Gebiete der Altertumskunde, der Technik, der Geographie, wie überhaupt dem der Wissenschaft, Litteratur und Kunst. Dabei beabsichtigten die Verleger, diese Monatsschrift zu einem so billigen Preise herauszugeben, der im umgekehrten Verhältnis zu dem Werte des Gebotenen stünde, daß es seinen Weg[372] in die Familie eines jeden Gebildeten der Vereinigten Staaten finden könne«.

Die erste Nummer wurde in 7500 Exemplaren gedruckt; innerhalb 6 Monaten hatte es sich so rasch eingebürgert, daß der Absatz auf 50000 Exemplare gestiegen war, und gegenwärtig erscheint Harper's Monthly in einer Auflage von 250000 Exemplaren der amerikanischen und 40000 der englischen Ausgabe. Der »American Bookseller« schätzt die Unkosten für jede Nummer auf durchschnittlich 10000 Dollar (= 42000 Mark) und mancher der illustrierten Artikel kostet für die Illustrationen allein gegen 2000 Dollar. – Während der Inhalt der ersten Nummer von Harpers Magazine allerdings dem im Prospekt mitgeteilten Plane gemäß nur aus nachgedruckten Beiträgen bestand, erschien schon in der sechsten Nummer der erste Originalartikel »A Pilgrimage to the Cradle of Liberty« von Benson J. Lossing, und mit dem dritten Jahrgang begannen die Originalbeiträge die nachgedruckten allmählich ganz zu verdrängen. Seitdem sind mit Harper's Monthly Magazine, vielmehr mit Harpers Verlag überhaupt, die Namen aller litterarischen Größen von Amerika eng verbunden, und eine Geschichte des Hauses Harper & Brothers zu schreiben würde fast gleichbedeutend mit einer amerikanischen Litteraturgeschichte der neuesten Zeit sein, gleichwie Harper's Magazine in seinen Bänden die beste Geschichte des Holzschnitts und der Buchillustration in Amerika giebt.

Alle die übrigen bedeutenden Verlagsunternehmen der Firma anzuführen würde zu weit führen; zu erwähnen sind aber noch an Zeitschriften »Harper's Weekly« eine wöchentlich erscheinende illustrierte Zeitung, »Harper's Bazar« (Modezeitung) und »Harper's Young People« (eine illustrierte Zeitung für die Jugend, die 1879 ins Leben trat). »Harper's Franklin Square Library«, bringt in billigen Ausgaben von 10-25 Cents alle hervorragenden neuen Werke der schönen Litteratur in England.

Am 25. März 1869 starb James Harper, der älteste der drei Brüder, ganz plötzlich; ein Unfall mit seinem Wagen, dessen Pferd scheu geworden war, kostete ihm das Leben. James Harper, der im Jahre 1844 die Würde eines Mayor von New-York bekleidet hatte, war einer der geachtetsten und populärsten Bürger der Stadt. Bald folgten ihm auch seine Brüder nach: am 14. Februar 1870 starb Joseph Wesley; am 24. April 1875 John und am 29. Mai 1877 Fletcher Harper. Die Firma wurde nunmehr von Philip J. A. Harper fortgeführt.[373]

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, 1888; vergl. auch die im Katalog der Leipziger Börsenvereins-Bibliothek angegebenen englischen Zeitschriftenaufsätze.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 371-374.
Lizenz:
Faksimiles:
371 | 372 | 373 | 374

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Therese. Chronik eines Frauenlebens

Therese. Chronik eines Frauenlebens

Therese gibt sich nach dem frühen Verfall ihrer Familie beliebigen Liebschaften hin, bekommt ungewollt einen Sohn, den sie in Pflege gibt. Als der später als junger Mann Geld von ihr fordert, kommt es zur Trgödie in diesem Beziehungsroman aus der versunkenen Welt des Fin de siècle.

226 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon