Max Weber

Die siebente deutsche Kriegsanleihe[226] 1

Die Oberste Heeresleitung hat gelegentlich der innerpolitischen Erörterungen im Juli die durch die bisherigen Ereignisse glänzend bewährte Garantie dafür übernommen, daß eine militärische Niederringung Deutschlands völlig ausgeschlossen und der endgültige Erfolg, falls die Gegner auf die deutsche Friedensbereitschaft auch jetzt nicht eingehen, nur eine Frage der Zeit ist. Durch die in Kenntnis dessen gefaßte Friedensresolution des Reichstags2 und das Verhalten der Regierung ist dem kämpfenden Heer und dem deutschen Volk die Gewähr gegeben, daß der Krieg nicht einen Tag länger dauern wird, als für die Sicherung von Deutschlands nationaler Existenz und wirtschaftlich freier Entwicklung unbedingt erforderlich ist. Kommt der Friede in diesem Jahr nicht zustande, so sichern die diesjährige Ernte und die Verfügung über die nunmehr hergestellten Produktivkräfte Rumäniens die Ernährung Deutschlands, unter Vermeidung früherer Irrtümer, bis zur nächsten Ernte voraussichtlich besser als im letzten Jahre. Die in Angriff genommene innere Neuordnung gibt die Sicherheit: daß Deutschland in Übereinstimmung mit dem Willen der Nation und ihrer gewählten Vertreter dauernd in einer Art politisch geleitet werden wird, welche die feste und weitsichtige Wahrnehmung unserer nationalen Interessen mit einer Vermeidung solcher Ungeschicklichkeiten und Mißgriffe verbindet, wie sie die Zustände vor dem Kriege zum Schaden auch der besten und loyalsten Absichten der deutschen Politik leider mehrfach zur Folge gehabt haben. Sie wird aber zugleich die Gewähr dafür geben, daß bei Ordnung der wichtigen Frage: wie unter unbedingter Sicherung aller Rechte der Staatsgläubiger die dauernde Steuerlast in erträglichen Grenzen gehalten werden kann, vor allem diejenigen Schichten in[226] gebührendem Maße, aber auch in geeigneter Form, herangezogen werden, deren Vermögensbesitz das kämpfende Heer mit seinem Blut verteidigt hat. Die vorauszusehenden gewaltigen Besitzabgaben und der Umstand: daß für deren Zahlung zweifellos die Kriegsanleihe und nur sie allein zum vollen Nennwert wie bares Geld in Zahlung genommen werden [wird], bieten schon allein für sich (ganz abgesehen von der bestimmt vorauszusehenden, durch die Erwartung der Wertsteigerung der deutschen Währung bedingte künftige Kauflust des Auslands) allen Anleihezeichnern die volle Sicherheit, daß nach dem Krieg ein mächtiger Vorzugsbegehr nach diesem Wertpapier im Verhältnis zu anderen eintreten wird, welcher ihren berechtigten Erwartungen voll gerecht wird und es schon im eigensten Interesse eines jeden, der dazu imstande ist, dringend empfiehlt, alle seine verfügbaren Mittel und Ersparnisse durch Zeichnung gerade darin anzulegen.

Abgesehen davon aber und in erster Linie ist diese Kriegsanleihe natürlich eine Angelegenheit unserer nationalen Existenz und: des Friedens. Jene ehrliche Probe, welche die Friedensresolution des Reichstags, in Übereinstimmung mit dem Willen der Nation, gemacht hat, ergab, bisher wenigstens, den Fortbestand der Kriegslust bei den feindlichen Machthabern. Eine durch den Reichstag gestützte deutsche Regierung wird im Innern stark genug sein, um jederzeit im Einvernehmen mit unseren Bundesgenossen einen rein sachlichen Frieden zu schließen.3.

Die Nation darf andererseits zuversichtlich erwarten, daß der deutsche Reichstag, gegenüber der gewissenlosen Agitation einer Hand voll politischer Narren, welche ihren völligen Mangel an Augenmaß – unbelehrt durch den von jedem Urteilsfähigen sicher vorauszusehenden Fehlschlag ihrer leichtfertigen öffentlichen Versprechungen über den Zeitpunkt der kriegsbeendigenden Wirkung des Tauchbootkriegs – auch jetzt wieder durch frivole Angriffe auf den Reichstag an den Tag legen, unerschütterlich festbleiben wird. Sie darf also erwarten, daß die ehrliche Probe: ob der Krieg in diesem Jahr durch sachliche Verständigung beendigt werden kann, auch weiterhin ohne Zweideutigkeit offen gehalten bleibt. Sie darf andererseits aber auch sicher sein, daß, wenn eine solche ehrliche Probe[227] durch Schuld der Gegner nicht zum Frieden führt, alle Parteien in Einigkeit die Konsequenzen daraus ziehen werden. Und sie darf schließlich auch mit Sicherheit gewärtigen, daß die für die Gewährleistung einer rein sachlichen Politik, einschließlich insbesondere einer für die schwer belasteten Schichten der Nation sachlich richtigen Finanz-und Übergangswirtschaft, erforderliche Neuordnung, – eine Neuordnung, welche vor allem die geordnete Mitbestimmung über die Schicksale des Vaterlandes nicht in die Hände einer kleinen Zahl daheimgebliebener Kriegsgewinnmacher und ihrer zum Teil von aller politischen Urteilsfähigkeit entblößten, zum Teil durch Kriegsgewinngelder geworbenen Gefolgschaft, sondern in die Hände der Masse der aus dem Feld heimkehrenden Krieger legen wird, – jetzt, ohne Verzug, in die Wege geleitet und rücksichtslos, mit allen Mitteln, gegen etwaige Widerstände, durchgeführt wird. Die dafür erforderliche Mehrheit steht dem Reichstag zur Verfügung und wird sich durch jene Interessenten nicht einschüchtern lassen.

Angesichts alles dessen darf das draußen kämpfende Heer sicher sein, daß die Daheimgebliebenen auch bei der Zeichnung der siebenten – hoffentlich letzten, jedenfalls aber für den Existenzkampf der Nation unentbehrlichen – Kriegsanleihe ihrer Mitverantwortung für das Schicksal Deutschlands voll gerecht werden.[228]


Fußnoten

1 Frankfurter Zeitung vom 18. September 1917.


2 Friedensresolution der Mehrheitsparteien des deutschen Reichstags zugunsten eines Verständigungsfriedens vom 19. Juli 1917, 6 Tage nach dem Rücktritt des Reichskanzlers v. BETHMANN HOLLWEG. (D.H.)


3 Es folgt eine Anzahl heftiger Ausfälle gegen die Führungen der Kriegsgegner, die zur Sache nichts austragen und für den Abdruck entbehrlich sind. (D.H.)


Quelle:
Max Weber: Gesammelte politische Schriften. Hrsg. von Johannes Winckelmann. Tübingen 51988, S. 229.
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