Ariette

[80] Ariette.

Eine kleine Arie, die nur aus einem Theil besteht. Der Dichter bringt sie an die Stellen, wo die Handlung einen gemäßigten Grad der Gemüthsbewegung hervor bringt, die eben nicht lang anhalten, noch einen sehr tiefen Eindruk machen soll. Der Tonsetzer folget seinem Beyspiel. Er dehnet den Ausdruk weniger aus, als in der Arie; er zergliedert die Empfindungen nicht, und läßt den Ausdruk etwas schnell vor uns vorüber fahren. Dieses ausgenommen, wendet er sonst wegen der Richtigkeit des Ausdruks eben dieselbe Sorgfalt an, als auf die Arie. Die Ariette wird in den Opern zu sehr versäumt, da man durchgehends nur große Arien macht. Eine Abwechslung von Arien und Arietten wäre um so viel besser, da es gar oft wider den guten Geschmak streitet, daß geringere oder bald vorüber gehende Empfindungen, in eben der Ausdehnung sollen vorgestellt werden, als die, welche die Hauptempfindungen des Drama ausmachen.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 80.
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