H

[503] H. (Musik)

Mit diesem Buchstaben bezeichnet man die zwölfte oder oberste Sayte unserer heutigen diatonisch-chromatischen Tonleiter, deren Länge 8/15 von der ganzen Länge der untersten Sayte C ist. In der älteren diatonischen Leiter war sie die zweyte Sayte, und wurde deswegen mit dem Buchstaben B bezeichnet. Wenn man aber in der lydischen Tonart sang, wo F. der erste Ton war, so war dieses B. ob es gleich der vierte Ton war, für die wahre Quarte des Grundtones zu hoch, und mußte deswegen niedriger gesungen werden. Daher kam es, daß in dem Liniensystem, auf welches die Noten geschrieben wurden, auf die Linie, die mit B bezeichnet wurd, bald ein höherer, bald ein niedriger Ton, zustehen kam: beyde wurden mit B bezeichnet; der höhere mit einem vierekigten B, woraus unser heutiges Hentstanden ist; der tiefere mit einem runden B. Nachher hat man dem Ton, der auf dieser Stuffe durch das erstere B bezeichnet worden, den Buchstaben H zugeeignet, und nur den tiefern B genennt. Da gegenwärtig alle Linien und Intervalle des Notensystems in dem Falle sind, daß die darauf stehenden Noten um einen halben Ton höher oder tiefer seyn können, so ist aus jenem doppelten B auch die heutige Gewohnheit entstanden, die Erhöhung oder Vertiefung der Töne mit den Zeichen H(welches vermuthlich aus Hentstanden, ist) und b anzuzeigen; das vierekigte B aber, oder H, wird itzt da gebraucht, wo man anzeigen will, daß der Ton, der durch b vertieft oder durch Herhöht worden, nun wieder um einen halben Ton höher oder niedriger zu nehmen sey.

In der älteren blos diatonischen Musik, konnte der Ton H, (der Alten ihr B) nicht zum Grundton, oder zur Tonica genommen werden, weil ihm ein wesentliches Intervall, nämlich die Quinte, fehlte. Denn der fünfte Ton davon, F, macht nur ein Intervall von 45/64 aus, welches dissonirt, und daher die falsche Quinte genennt wird. Nach unsrer itzigen Einrichtung aber kann H, so wol in der grossen, als kleinen Tonart zur Tonica genommen werden, weil es seine Quinte Fis hat.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 503.
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