Maschine

[744] Maschine. (Epische und dramatische Dichtkunst)

Durch dieses Wort bezeichnet man die ganz unnatürlichen Mittel einen Knoten der Handlung in epischen und dramatischen Gedichten aufzulösen, dergleichen Wunderwerke, Erscheinungen der Götter, völlig außerordentliche, aus Noth von dem Poeten erdichtete Vorfälle, und andre Dinge sind, wodurch der Knoten mehr zerschnitten, als aufgelößt wird. Bisweilen dähnet man die Bedeutung auch noch auf andere der Handlung willkürlich eingemischte und blos in den Bedürfnis des Dichters gegründete Wesen, oder Vorfälle, aus; wie wenn Voltaire in der Henriade die Zwietracht, oder wenn man andre allegorische Wesen zu großen Veränderungen in die Handlung einführet. Aber eigentlich und ursprünglich bedeutet das Wort jene unnatürliche Auflösung des Knotens, und ist daher entstanden, daß die Alten die Erscheinung der Götter in den dramatischen Vorstellungen durch künstliche Maschinen veranstalltet haben, daher das Sprüchwort Deus ex Machina entstanden ist.

Die gesunde Critik verwirft diese Maschinen als Erfindungen, die der Absicht des epischen und dramatischen Gedichtes gerad entgegen sind. Beyde sollen uns durch wahrhafte, nämlich in der Natur gegründete Beyspiele zeigen, was für glüklichen, oder unglüklichen Ausgang große Unternehmungen haben, was für wichtige Veränderungen in dem Zustand einzeler Menschen, oder ganzer Gesellschaften durch große Tugenden, oder Laster, oder durch Leidenschaften [744] bewürkt werden. Das völlig Außerordentliche aber, das nie zur Regel dienen kann, ist zu dieser Absicht nicht tüchtig, und folglich zu verwerfen. Es giebt in dem menschlichen Leben Lagen der Sachen, da jederman höchst begierig wird zu sehen, was für einen Ausgang die Sachen haben werden. Die Erwartung wird aber nicht befriediget, wenn er nicht natürlich ist, oder nicht durch die in den handelnden Personen liegende Kräfte bewürkt wird.

Darum sollten die Dichter nicht einmal völlig zufällige Ursachen, ob sie gleich historisch wahr sind, zur Bewürkung des Ausganges brauchen; denn sie erfüllen unsre Erwartung eben so wenig, als die Maschienen. Wenn wir eine durch vielerley Unglüksfälle in Armuth gerathene Familie in einer höchst bedenklichen Lage sähen, die sich izt bald entwikeln müßte; so würden wir in unsrer Erwartung wegen des Ausganges der Sachen uns sehr betrogen finden, wenn sie von ungefehr einen in der Erde verborgen gewesenen Schaz fände, der sogleich ihrer Verlegenheit ein Ende machte. Ein solcher Ausgang wäre weder für die Kenntnis des Menschen, noch für den Gebrauch des Lebens lehrreich. Darum sagt Aristoteles, der Dichter habe mehr darauf zu sehen, ob die Sachen wahrscheinlich, als ob sie wahr seyen.

Aus diesem Grunde können wir auch mancherley Ursachen der Verwiklung und der Auflösung, die wir in alten Comödien finden, dergleichen die mancherley Vorfälle sind, die in der ehemals gewöhnlichen Wegsezung neugebohrner Kinder, oder in der Sclaverey ihren Grund hatten, nicht brauchen; weil sie izt bloße Maschienen wären, da sie in Athen oder Rom natürlich gewesen.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 744-745.
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