Masken

[745] Masken. (Schauspiel; Baukunst)

Die Masken, deren sich die Alten in Schauspielen bedient haben, und die bisweilen noch in Balleten gebraucht werden, sind von Pappe, oder einer andern leichten Materie gemachte Gesichter, oder ganze hole Köpfe, die man über die natürlichen Gesichter legt, entweder um unerkannt zu bleiben, oder eine beliebige zum Zwek des Schauspieles dienliche Gestalt anzunehmen. Es gehört nicht zu unserm Zwek ausführlich von den Masken der Alten zu sprechen, da ihr Gebrauch völlig abgekommen ist. Wer darüber nähern Unterricht verlanget, kann Bergers Abhandlung de personis s. larvis, und die von Piccard nach alten Zeichnungen gestochenen Masken in Daciers Terenz, zurathe ziehen. Gegenwärtig werden bisweilen zu den niedrig comischen Balleten noch Masken gebraucht, wo poßirliche Gesichtsbildungen und Carricaturen zum Inhalt der Stüke nothwendig sind. Wenn sie geistreich ausgedacht sind, so thun sie zur Belustigung ihre gute Würkung. Würklich überraschend und seltsam sind die Masken, die über den ganzen Leib gehängt werden, wodurch Tänzer von gewöhnlicher Statur in Zwerge verwandelt werden.

In der Baukunst werden Menschenköpfe, die an Schlußsteinen der Bogen ausgehauen werden, von den Italiänern Mascaroni, im Deutschen Masken oder Larven genennt. Diese Zierrath hat, wie alle andern Zierrathen der Baukunst ihren Ursprung in der Nachahmung einer alten Gewohnheit. Man findet nämlich, daß bey verschiedenen barbarischen Völkern, wie bey den alten Galliern, diejenigen, welche einen Feind in der Schlacht erlegt, dessen Kopf hernach oben an ihren Hausthüren, als ein Siegeszeichen angenagelt haben. Wie also die Schädel der Opferthiere in den dorischen Fries aufgenommen worden,1 so sind auch die Masken entstanden, und auf eine ganz ähnliche Weise die Trophäen von eroberten und an den Häusern der Eroberer aufgehängten Waffen.

Es ist angenehm zu sehen, wie das menschliche Genie zu allen Zeiten und in allen Ländern sich auf eine ähnliche Weise äußert. Alle wesentliche Zierrathen der griechischen Baukunst sind aus Nachahmung gewisser, bey den noch rohen Hütten, die älter, als die schöne Baukunst sind, natürlicher Weise vorhandenen Theilen, entstanden.2 Ich habe in nordischen Seestädten eine gothische Zierrath an alten, nach damaliger Art prächtigen Gebäuden gesehen, die gerade auf eine ähnliche Weise entstanden ist. Die Gebäude sind von gehauenen Sandsteinen aufgeführt, an der Mauer unter den Fenstern sind diese Steine sehr sauber so ausgehauen, daß sie einen von Weiden geflochtenen Zaun vorstellen. Ohne Zweifel haben die nordischen Völker ihre Hütten ehedem so gebaut, daß sie den offenen Raum zwischen den dazu aufgerichteten Pfeilern mit einem Zaungeflechte von Weiden ausfüllten. Also hat der longobardische, oder wendische Baumeister seine [745] Zierrathen gerade auf die Art erfunden, wie der Griechische die seinigen. Ich kann noch ein anderes Beyspiel anführen. Es ist an vielen Orten, wo der Geschmak der Bauart eben noch nicht verfeinert worden ist, gebräuchlich die Thüren mit zwey ins Creuz über einander gestellten Baumstämmen, an denen noch etwas von den abgehauenen Aesten sizet, zu bemahlen. Eine offenbare Nachahmung der an vielen Orten auf dem Lande noch vorhandener Gewohnheit, die Eingänge in Gebäude mit zwey solchen Bäumen zu versperren, damit dadurch wenigstens das grössere Vieh vom Eingang abgehalten werde.

Uebrigens verdienen hier die Masken, welche an dem Berlinischen Zeughause über die Fenster an dem innern Hofe dieses prächtigen und in der That schönen Gebäudes angebracht sind, einer besondern Erwähnung. Sie sind alle nach Modelen des großen und doch wenig berühmten Schlüters3 gearbeitet, und stellen in der Schlacht sterbende Gesichter mit solchem Leben und solcher Mannigfaltigkeit des leidenschaftlichen Ausdruks vor, daß jeder Kenner in Bewundrung derselben gesezt wird. Der sehr schäzbare Berlinische Historienmahler Rohde hat sie in Kupfer geäzt herausgegeben.4

1S. Dorisch.
2S. Gebälke.
3Dieser fürtrefliche Künstler verdienet näher bekannt zu seyn. Er war ein eben so großer Baumeister, als Bildhauer in Diensten König Friedrichs des ersten in Preußen. In Berlin sind außer dem Königlichen Schloße und einigen andern Gebäuden von seiner Erfindung, noch fürtrefliche Werke des Meissels vorhanden, davon schon viele vom Herren Rohde geäzt worden. Unter andern sind die beyden in der Berlinischen Schloß- und Dohmkirche stehenden Särge Friedrichs des Ersten und seiner zweyten Gemahlin, Denkmale von großer Schönheit, die kein Kenner ohne Bewundrung und kein Künstler ohne Nuzen betrachten wird.
4Sie sind mit einem kurzen Vorbericht unter dem Titel: Larven, nach den Modelen des berübmten Schlüters von B. Rohde in klein Folio herausgekommen.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 745-746.
Lizenz:
Faksimiles:
745 | 746
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika