Schlußstein

[1035] Schlußstein. (Baukunst)

Ist der mittelste oder oberste Stein eines gemauerten Bogens, oder Gewölbes. Es gehöret zum mechanischen der Baukunst, zu wissen, wie der Schlußstein müsse beschaffen seyn, daß der Bogen, oder das Gewölbe dadurch seinen festen Schluß und seine Hältniß bekomme. Wir betrachten ihn hier nur, in so fern er unter die Zierrathen der Baukunst kann gerechnet werden.

Man ist gewohnt die Schlußsteine der großen Bogen bey Portalen, Thüren und Bogenstellungen von den andern Steinen zu unterscheiden, und gar ofte wird er mit mancherley Schnizwerk verziehret. Die besondere Auszeichnung des Schlußsteines, wenn sie auch in nichts bestünde, als daß man ihn über die Fläche der Mauer etwas heraustreten ließe, scheinet darin ihren Grund zu haben, daß es natürlich ist das Ansehen der Festigkeit dadurch zu vermehren, daß man den Stein, auf den das meiste ankommt, dem Auge merkbar mache, und denn auch noch darin, daß dadurch das nakende und etwas kahle Ansehen eines großen Bogens etwas gemindert wird. Wie denn überhaupt diese Aeußerung eines etwas subtilen Geschmaks sich darin überall zeiget, daß bey ganz einförmigen Gegenständen, da ein Mittelpunkt ist, dieser insgemein mit einem Knopf, oder einer andern Zierrath besonders ausgezeichnet wird.

Will man sie etwas zierlich machen und nicht glatt lassen, so werden sie nach Art der Kragsteine oben mit einem kleinen Gesims versehen und wie doppelte Rollen oder Voluten ausgehauen. Es ist an einem andern Orte angemerkt worden1, woher die Gewohnheit gekommen, Schlußsteine, als angeheftete Menschenköpfe zu bilden. Diese Zierrath, die in der Ruhm- und Rach-sucht ganz wilder Völker ihren Ursprung hat, ist eben nicht zu empfehlen. Aber völlig ungereimt ist es an die Schlußsteine lebendige Menschen- oder gar als Engels-köpfe auszuhauen. Denn auch die ausschweifendste. Einbildungskraft wird keinen Grund entdeken, warum lebendige Wesen den Kopf aus einer Mauer herausstreken.

1S. Masken. S. 745.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1035.
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