Portal

[917] Portal. (Baukunst)

Diesen Namen giebt man den Haupteingängen der Kirchen, Paläste und andrer großen Gebäude. Es unterscheidet sich von der Thür nicht nur durch seine Größe, sondern vornehmlich dadurch, daß das Portal durch prächtige Verziehrungen mit Säulen, oder Pilastern, und den dazu gehörigen Gebälken, als ein beträchtlicher Haupttheil der Außenseite der Gebäude in die Augen fällt, auch wol zu beyden Seiten der Hauptöfnung noch kleinere Eingänge hat, die aber mit dem Haupteingang durch die gemeinschaftlichen Verziehrungen in Eines gezogen sind.

Es scheinet sehr natürlich, daß bey großen Gebäuden der Haupteingang sogleich das Aug auf sich ziehe, damit man ihn nicht suchen dürfe. Nach der heutigen Bauart ist insgemein an einer oder mehrern Hauptseiten das Portal gleichsam der Augenpunkt, auf den sich alles bezieht. Das Aug fällt zuerst darauf, und von da aus übersieht es hernach die Theile der Fassade. Darum sollte der Baumeister es sich zur Hauptregel machen, durch das Portal [917] gleich die Art und den Geschmak des ganzen Gebäudes anzukündigen. Ein Portal von schlechter toscanischer, oder auch dorischer Ordnung, schiket sich nicht zu einem Gebäude, dessen andere Theile den Reichthum der corinthischen Ordnung anzeigten; so wie ein in seinen Verziehrungen sehr einfaches Gebäude, auch nicht ein reiches Portal verträgt. Eine so natürliche Regel aber, wird oft übertreten. Man sieht bisweilen Kirchen, an deren Portale aller Reichthum der Baukunst verschwendet ist, da das übrige nichts, als eine sehr einfache und bescheidene Baukunst zeiget. Diesen Fehler haben auch die Baumeister mittlerer Zeiten an den so genannten Gothischen Kirchen begangen. Wann der ganze äußere Umfang der Kirche noch so einfach und einigermaassen bäurisch ist, findet man doch bisweilen die größte Pracht und den größten Reichthum der Verziehrung an dem Portal.

Es scheinet nicht, daß die Alten etwas von dieser Art in ihrer Baukunst gehabt haben. Da ihre großen Gebäude entweder ganz mit Säulen oder mit Bogenstellungen umgeben gewesen, oder an der Hauptseite vorgesezte Säulenlauben hatten; so zeigte sich an der Außenseite alles in völliger Einförmigkeit. Man gieng zwischen den Säulen, oder durch die Bogen durch, und fand innerhalb des Porticus die Thüren zum Eingang, die nach Art bloßer Thüren gemacht waren, wie man aus dem Vitruvius sieht.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 917-918.
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