Pfeiler

[900] Pfeiler. (Baukunst)

Bedeutet jeden langen aufrecht stehenden maßiven aber dabey unverziehrten Körper, der zum unterstüzen, oder tragen einer Last gesezt ist. Gewölber, Bogen, Deken großer Säle, hangende Bodendächer, werden vielfältig durch untergesezte Pfeiler gestüzt und getragen. Ehe man in der Baukunst auf Schönheit dachte, wurd jeder Baum, jede gemauerte Stüze da gebraucht, wo man nachher zierlich geformte Säulen brauchte. Der Pfeiler ist als die erste rohe Säule der noch nicht verschönerten Baukunst anzusehen. Da er niemals zur Zierde, sondern immer zur Nothdurft gebraucht wird, so haben die Baumeister weder über seine Gestalt, noch über seine Verhältnisse Regeln gegeben. Man hat runde, vierekigte und mehrekigte Pfeiler. Sie sind nach ihrer Dike merklich in der Länge verschieden, verjüngen sich aber nicht, wie die Säulen, wenigstens sehr selten, obgleich Skamozzi sie immer verjüngt hat.

Um aber doch das Nothwendigste dabey zu beobachten, damit das Aug auch da, wo es eben keine Zierlichkeit sucht, nichts Anstößiges finde, giebt man in guten Gebäuden den Pfeilern einen Fuß, und oben einen Gesims, auf welchen die Last zu liegen kommt; beyde platt und ohne Glieder, zugleich aber überschreitet man die Verhältnisse nicht so, daß die Pfeiler zu dünne und der Last nicht gewachsen, auch nicht zu dike und von übermäßiger Stärke scheinen.

Pfeiler sind überhaupt nach Verhältniß der Höhe diker, als Säulen, tragen also mehr, und werden da gebraucht, wo die Säulen zu schwach wären; besonders wo Kreuzgewölber zu unterstüzen sind. Man findet in verschiedenen so genannten gothischen Gebäuden Pfeiler, die aus viel an und in einander gesezten Säulen bestehen, deren zwar jede ihren Knauff hat, alle zusammen aber, um einen einzigen Pfeiler zu machen, über den Knäufen noch durch ein allgemeines Band, das den Knauf oder Kopf des Pfeilers vorstellt, verbunden werden, und eben so auf einem gemeinschaftlichen Fuß stehen, ob schon jede Säule für sich ihren Fuß hat.

In Bogenstellungen werden die Pfeiler, welche die Bogen tragen mit Säulen oder Pilastern verziehret, wie in der davon gegebenen Zeichnung zu sehen ist.1 Die neueren Stadtthore in Berlin haben statt der Pfosten darin die Thorangel befestiget [900] sind, starke ansehnliche Pfeiler, deren freye Seiten mit zwey dorischen Säulen oder mit Pilastern verziehrt sind. Der Kranz des Gebälkes macht eine große über den Pfeiler und die Säulen gehende Platte, auf welcher endlich eine pyramidenförmige Trophee gesezt ist; und dadurch bekommen diese Thore ein gutes Ansehen. Man kann eben dieses auch bey Portalen an großen Höfen oder Gärten anbringen.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 900-901.
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