Metonymie

[763] Metonymie. (Redende Künste)

Namensverwechslung. Ist ein Tropus, in welchem eine Sache nicht mit ihrem eigentlichen Namen, sondern mit dem Namen einer Sache, die ihr auf gewisse Weise angehört, genennt wird. Es giebt eine große Menge solcher Namensverwechslungen, davon wir die Vornehmsten nur anführen wollen.

1. Die Verwechslung der Ursache und Würkung. Z.B. die Feder für die Schrift selbst. Der lateinische Ausdruk stylum vertere, für ausbessern oder auslöschen, was man geschrieben hat. Hier wird die Ursach genennt, und die Würkung verstanden. Wenn Ovidius sagt:


Nec habet Pelion umbras.


so will er sagen, er der Berg sey kahl von Bäumen. Also nennet er die Würkung, und versteht die Ursache.

2. Die Verwechslung des Behältnisses einer Sache mit der Sache selbst. Er liebt die Flasche, d.i. den in der Flasche enthaltenen Wein. Der Himmel freuet sich, d.i. die Seeligen des Himmels.

3. Mit dieser ist die Verwechslung des Ortes mit der Sache fast einerley. Wenn man sagt, dies ist die Anatomie, d.i. das Gebäude auf welchem die Anatomie gelehrt wird.

4. Die Verwechslung der Sache mit dem willkührlichen Zeichen derselben. Z. E. der Preußische Adler, der Preußische Zepter, anstatt das Preußische Reich.

5. Einen Theil des Leibes, um eine Eigenschaft des Gemüths anzuzeigen. Ein gutes Herz, ein seichtes Gehirn.

6. Der Name des Besizers einer Sache für die Sache selbst. Jam proximus ardet Ucalegon. Ein Friedrichsd'or. Ein Philipp.

Es giebt aber außer diesem noch viel andre Wortverwechslungen, die wir einen müßigen Grammatiker herzuzählen, und wenn er will auch mit ihren besondern griechischen Namen zu belegen, überlassen.

Man sieht leicht, daß dergleichen Verwechslungen bald aus Mangel der eigentlichen Wörter, bald aber aus Eil, oder aus Lebhaftigkeit der Einbildungskraft, oder aus andern zufälligen Ursachen, entstehen. In der Dicht- und Redekunst, thun dieselben bisweilen kleine Dienste, bald zur Abkürzung, bald zur Vermeidung des Gemeinen, bald zu einer kleinen Erwekung der Aufmerksamkeit. Wie aber diese Würkung erhalten werde, und wo die Metonymie auch aus Wahl müßte gebraucht werden, kann ein mittelmäßiger Geschmak weit besser empfinden, als es zu beschreiben wäre.

Wichtiger wär es für den Gebrauch des Philosophen, wenn aus allen Sprachen alle Arten der Metonymie gesammlet würden, weil daraus die mannigfaltigen Wendungen des menschlichen Genies in Verbindung der Begriffe am besten erkennt werden [763] können. Auch würde dadurch immer begreiflicher, wie aus der kleinen Anzahl wahrer Stammwörter ein so sehr großer Reichthum des Ausdruks in den ausgebildeten Sprachen entstanden ist.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 763-764.
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