Piano

[902] Piano. (Musik)

Wo dieses italiänische Wort, das meistens abgekürzt, blos durch p. angedeutet wird, in geschriebenen Tonstüken vorkommt, bedeutet es, daß die Stelle, bey der es steht schwächer oder weniger laut, als das übrige soll vorgetragen werden. Damit die Spiehler sehen, wie lang dieser schwächere Vortrag anhalten soll, wird da wo man wieder in der gewöhnlichen Stärke fortfahren soll f, oder forte gesezt. Bisweilen wird ein doppeltes p nämlich p p. gesezt, welches andeutet, daß dieselbe Stelle höchst sanft oder schwach soll angegeben werden.

Wie ein geschikter Redner, auch da wo er überhaupt mit Heftigkeit spricht, bisweilen auf einzele Stellen kommt, wo er die Stumme sehr fallen läßt, so geschieht dieses auch in der Musik, die überhaupt die natürlichen Wendungen der Rede nachahmet. Wie nun in einer mit Feuer und Stärke vorgetragenen Rede, eine vorkommende zärtliche Stelle durch Herabsezung der Stimme und einen sanften zärtlichen Ton, ungemein gegen das andere absticht, und desto rührender wird; so wird auch der Ausdruk eines Tonstüks durch das piano, das am rechten Orte angebracht ist, ungemein erhoben. So findet man in verschiedenen Graunischen Opernarien, darin überhaupt ein heftiger Ausdruk herrscht, einzele Stellen, wo die Stimme plözlich ihr Feuer und ihre Stärke verläßt, und ins Sanfte fällt, und dieses geschieht so glüklich, daß man auf das innigste dadurch gerührt wird.

Deswegen ist das Piano am rechten Ort angebracht ein fürtrefliches Mittel den Ausdruk zu erhöhen. Es giebt aber auch unwissende und von aller Urtheilskraft verlassene Tonsezer, die sich einbilden, ihren unbedeutenden Stüken dadurch aufzuhelfen, daß sie fein oft mit Piano und Forte abwechseln. Daher wiederholen sie dieselben kahlen melodischen Gedanken unter beständiger Abwechslung von Piano und Forte so ofte, daß jedem Zuhörer davor ekelt.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 902.
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