Symmetrie

Symmetrie. (Zeichnende Künste)

Das Wort bedeutet zwar nach seinem Ursprung das gute Verhältnis der Theile eines Ganzen gegen einander; man braucht es aber gemeiniglich in zeichnenden Künsten, um die Art der Anordnung auszudrüken, wodurch ein Werk in zwey gleiche, oder ähnliche Hälften getheilt wird. Diese Anordnung hat die Natur durchgehends in der äußern Form der thierischen Körper beobachtet. Niemand zweifelt daran, daß sie bey den thierischen Körpern, die vollkommenste sey. Wenn man z.B. voraussezet, daß dem Menschen gewisse Gliedmaaßen paarweise, hingegen andre nur einzeln nöthig gewesen; so läßt sich leicht begreifen, daß gleiche und ähnliche Theile, auch gleiche Stellen, jeder der einzelen aber auch seine ausschließende Stelle haben müsse, wenn die Form untadelhaft seyn sollte. Aus eben dem Grunde, warum der eine der beyden Aerme, auf der rechten Seite, so wie er ist, gesezt worden, mußte der andere linker Seite so gesezt werden; und dieses gilt auch von andern Gliedern, die doppelt nöthig waren. Daher ist die Symmetrie in der Gestalt der thierischen Körper entstanden. In den Werken der Kunst wird sie deswegen überall, wo gleiche und ähnliche Theile nothwendig sind, ebenfalls beobachtet. So siehet man, daß an Häusern die Fenster eines Geschosses, die gleich und ähnlich seyn mußten, auch rechts und links aus der Mitte des Gebäudes gleich ausgetheilt sind.

Weil die Symmetrie aus den zu einem Werke nothwendig gehörigen gleichen und ähnlichen Theilen entsteht, so muß sie nicht auf die Werke ausgedähnet werden, die nicht nothwendig solche Theile haben. Es ist deswegen gar nicht nöthig, daß z.B. auch in der innern Einrichtung eines Gebäudes die eine Hälfte der andern gleich sey, um Symmetrie zu erhalten. Dergleichen unnüze und willkührliche Regeln verrathen vielmehr einen völligen Mangel an Verstand und Ueberlegung. Man muß nicht der Symmetrie halber ohne Noth gleiche und ähnliche Theile machen, sondern erst denn, wenn diese nothwendig sind, auf symmetrische Anordnung derselben denken. Darum ist es auch einfältig, wenn man in Anlegung der Gärten eine so ängstliche Symmetrie sucht, als bey der Außenseite der Gebäude. Hier ist gar kein Grund dazu vorhanden, daß zu beyden Seiten einer Allee gleiche und ähnliche Theile seyn sollen; folglich fällt auch da die Symmetrie weg; sie schiket sich da eben so wenig, als in einer Landschaft. Auch der schlechteste Mahler wird sich hüten eine solche zu mahlen, die aus zwey gleichen und ähnlichen Hälften bestehet.

Eben so wird sie auch in den gewöhnlichen Balleten, da die Figuranten allemal rechts und links auf gleiche Weise vertheilt sind, gemißbraucht. Daraus entstehet ein eben so steifes und gezwungenes Wesen, als man in einigen alten Gemählden sieht, in denen die Personen symmetrisch gestellt worden.

Ueberhaupt ist also die Symmetrie diese besondere Art der Ordnung, daß gleiche Theile, auch gleich gestellt werden. Daher entstehet in den Werken, wo dieses statt hat, eine Mitte, die gleichsam den Augenpunkt ausmacht. Es ist aber für die symmetrische Anordnung vortheilhaft, daß das Auge sogleich nach dieser Mitte gerichtet werde, aus welcher das Ganze mit der größten Leichtigkeit zu übersehen ist. Daher kommt es, daß die Baumeister insgemein die Mitten der Außenseiten an Gebäuden durch besondere Zierrathen unterscheiden, damit sie sogleich bemerkt werden.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774.
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