Calydonischer Eber

[121] Calydonischer Eber (Gr. M.). Oeneus, König von Calydon, hatte allen Göttern ein feierliches Dankopfer gebracht, nur der Diana vergessen, welche ihm dafür ein Thier in Ebergestalt, doch von der Grösse des grössten Stieres, mit Borsten gleich Pfeilen, mit Hauern gleich Elephantenzähnen zuschickte; es spie Feuer, verwüstete die Weinberge, die Wälder, reutete die Kornfelder aus, tödtete das Vieh und zwang die Menschen, in die Stadt Calydon zu flüchten. Jetzt vereinigte der tapfere Meleager die heldenmüthigsten Jünglinge von ganz Griechenland zu einer grossen Jagd auf diess Unthier. Echion, Jason und Mopsus warfen ihre Speere vergeblich nach dem Ungeheuer, Eupalamus und Pelagon wurden von demselben niedergestreckt, so auch Enäsimus, und Achilles' Vater entging dem Verderben nur, indem er sich auf einen Baum schwang, an welchem nun der Eber seine Zähne wetzte, um sie in die Seite desselben zu setzen und ihn mit den Wurzeln auszuheben, als Castor und Pollux sich naheten, vor deren Speeren das Thier sich in dem Dickicht des Waldes verbarg. Da schoss Atalanta einen gefiederten Pfeil auf dasselbe und traf es am Ohre. Meleager rühmte ihren Schuss, sagend, sie erringe sich den Preis der Männer; prahlend wollte nun Ancäus zeigen, was ein Mann für Thaten vollführe im Vergleich mit dem Weibe, und rief: »wenn Diana selbst den Eber schützte, sollte derselbe ihr zum Trotz doch erliegen;« so erhob er seine Streitaxt, aber noch ehe sie niederfiel, waren ihm die Weichen aufgeschlitzt; Peleus wollte das Wild tödten und traf seinen Schwiegervater Eurytion, und noch manches Unglück folgte, bevor Meleager zwei Speere nach dem Eber warf, worauf dieser todt niederstürzte. Die Gefährten eilten jubelnd herbei und tauchten ihre Waffen in das Blut des grimmigen Feindes, aber Meleager nahm die Siegesbeute, Haut und Kopf des Thieres, und schenkte beides der Atalanta, weil sie demselben die erste Wunde beigebracht hatte, worüber nun ein förmlicher Krieg mit Meleagers Oheimen entstand. Des Weitere unter Atalanta.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 121.
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