Dschaeschik

Fig. 100: Dschaeschik
Fig. 100: Dschaeschik

[176] Dschaeschik, (Lamaismus.), ein Buddha, der die Buddha-Religion, von welcher der Lamaismus eine Ausartung ist, nach Tübet brachte, was 407 Jahre n. Chr. geschehen sein soll. Dschakschiamuni, der fünfte göttliche Burchan, der oberste Gott der Lamaiten, liess ihn aus der prachtvollen Padmablume entspringen, wusste, welche Heiligkeit er erlangen würde, und übertrug ihm daher die Erlösung der Menschheit. D. übernahm es zwar nur, die im Norden der Schneeländer wohnenden Menschen[176] zu erlösen, doch dieses Werk auch mit aller möglichen Beharrlichkeit durchzuführen, widrigenfalls sein Kopf in zehn und sein Körper in tausend Stücke zerspringen solle. - Er stieg in die Höllenreiche hinab, besuchte zuerst das Reich der Ungeheuer (Birid), dann das der Thiere, der Menschen, der bösen Genien, Assuri und Tägri, und vernichtete dort alle Qualen und Schmerzen, so dass die ganze Hölle auf einmal aufhörte zu sein, bloss indem sein überaus heiliger Mund die Erlösungsworte, Om-ma-ni-pad-mä-hum, aussprach. Nachdem er diess gethan, trat er seine Reise auf der Erde an und ging in die Länder jenseits der Schneeberge; auch dort liess er seine Zauberworte ertönen, vernichtete das Böse, brachte Gutes hervor und führte die Menschen zur wahren Religion. Nun erhob er sich durch die Lüfte und flog in das Götterland auf den rothen Berg. Dort sah er zu seinem Jammer wieder viele Millionen Wesen auf das Schrecklichste gepeinigt, indem sie in dem flammenden Otangmeer gebadet wurden. Die Qual dieser Unglücklichen entlockte jedem seiner Augen eine Thräne, aus denen zwei Göttinnen wurden, welche, gerührt von seinem liebevollen Herzen, ihm Beistand versprachen und sich in seine Augen versenkten, aus denen nun ihre Macht durch die Blicke des D. wirkte. Er sprach nunmehr auch hier die oben angeführten sechs Worte aus und erlöste damit alle Verdammten, bekehrte sie zum Glauben an den grossen Gott Dschakschiamuni, und hatte nun sein Werk beinahe vollbracht; allein noch waren nicht alle Erlösten fest im Glauben, und diess bekümmerte ihn; er sehnte sich von der bösen Welt zurück nach dem ewigen Freudenreiche, seiner Heimath; alsbald zersprang sein Kopf in zehn und sein Körper in tausend Stücke. - Burchan setzte seinen Körper wieder zusammen und tröstete ihn über das Unglück, indem er ihm sagte, sein Körper würde das grösste Heiligthum der Welt werden. Die tausend Theile sollten zu so vielen Händen, jede mit einem Auge, werden, als Monarchen regieren, und die tausend Buddhas eines vollkommenen Weltalters vorstellen. Man bildet den D., wie wir ihn hier sehen, als einen Mann mit eilf Köpfen und acht Händen, deren jede ein Auge trägt. Die zehn untern Köpfe sind die Theile des zersprungenen, der eilfte ist sein eigener, welcher über allen andern thront.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 176-177.
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