Polen

[384] Polen (M. der alten Polen). Die Polen, ein slavisches Volk, hatten eine mit den andern slavischen Mythologien durchaus übereinstimmende Götterlehre, und falsch ist, was frühere und spätere Schriftsteller über die P. anführen, dass sie Feueranbeter gewesen wären, oder, wie Andere behaupten, römische Götter gehabt und angebetet hätten. Gnesen, der Sitz des Erzbischofs, das Grab des heiligsten Märtyrers, den P. kennt, des edlen Adalbertus, dessen prachtvolles, ganz von Silber gearbeitetes Monument mit den Reliquien des Apostels den Dom ziert, war schon in frühesten Zeiten der Sitz der Gottesverehrung, und wie jetzt das kleine Oertchen von kaum 5000 Seelen sechszehn Kirchen hat, so zählte das ehemalige prachtvolle Gnesen, die Hauptstadt P.s, der Sitz des Fürsten Primas, eine Reihe grosser Tempel, von denen man nur noch in den Fundamenten des isolirt auf einem Berge liegenden Domes einige Spuren findet. Dort stand der Tempel des Nija, des Seelengottes, des Perun, des Donnergottes etc. etc.; dort, und später in Kiew, wurden die Hauptgötter des slavischen Heldenthums durch blutige Opfer verehrt. Das kriegerische Volk hatte viele kriegerische Götter, doch viele waren auch den einfachsten häuslichen Verrichtungen vorgesetzt; nicht nur der Jagd, dem Walde, dem Felde, dem Ackerbau, der Viehzucht, standen Götter schützend vor, sondern sogar das Auslöschen der Lichter, das Backen des Brodes, das Brauen von Meth und Bier, das Füllen der Säcke mit Moos (zum Lager, zur Schlafstelle der gemeinen Leute dienend) hatte Götter, denen allen grössere oder geringere Opfer gebracht wurden. (Das Uebrige siehe unter Slavische M.)

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 384.
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