Polen [3]

[251] Polen (Gesch.). Die Alten besaßen von P. nur dunkle Nachrichten; den dünn bevölkerten, waldigen Landstrich bis östlich zur Weichsel rechnete man zu Germanien, das Übrige zu Sarmatien. Im 6. Jahrh. waren bereits Slawen bis westlich zur Saale vorgedrungen u. vor diesen hausten zwischen Weichsel u. Oder die Ljechen (Lachen, Licicavici); von den einzelnen Stämmen derselben saßen die Polänen (d.h. Bewohner der Ebne) an der Warthe, die Morzovenan der mittlern Weichsel, die Belo- (Weiß-) Chrobaten an den Quellen der Weichsel, die Zlesanen od. Slesen an der Oder. Die mächtigsten unter ihnen waren die Polänen, weshalb ihr Stammname mit der Zeit den Geschlechtsnamen Ljcchen verdrängte; ihr ältester Fürst soll Lech gewesen sein u. 550 n.Chr. Gnesen auf der Stelle, wo er das Nest eines weißen Adlers fand (daher das Wappen P-s), erbaut haben. Seine Nachkommen regierten bis 700, worauf 12 Wojwoden die Herrschaft führten, deren Regiment Krak, der Fürst der Belo-Chrobaten, endigte; er soll der Erbauer Krakaus sein. Als sein jüngerer Sohn Lech den älteren Krak erschlagen hatte, trieb ihn seine Schwester Wanda (s.d.) aus dem Lande; nun sollte diese einen Fürsten heirathen, um das Geschlecht fortzuführen, aber sie hatte ewige Jungfrauschaft gelobt, u. um dies Gelübde nicht zu verletzen, stürzte sie sich in die Weichsel. Darauf regierten abermals die Wojwoden 10 Jahre, bis 760, um Einigkeit zum Schutz gegen die Einfälle der Ungarn zu erlangen, Przemyslaw an die Spitze trat, welcher die Feinde besiegte, worauf das Volk ihn als Leszek I. zum Könige wählte. Leszek II. gewann um 800 die Krone als Preis eines Wettritts, wurde aber mit Pferden zerrissen, als es sich fand, daß er Fußangeln auf die Bahn seiner Mitläufer eingegraben hatte. Sein Ankläger bestieg als Leszek III. den Thron; diesem folgte sein Sohn Leszek IV.; diesem Popiel I., unter welchem seine 20 natürlichen Brüder Pommern, Pomerellen, Mecklenburg, Rügen, die Havelländer etc. als Lehnsfürsten regiert haben sollen; Popiel II. verlegte seinen Sitz nach Gnesen u. dann nach Kruszwice am Goplosee; da er auf den Rath seiner Gemahlin, einer Deutschen, alle seine Oheime hatte umbringen lassen, soll er 823 lebendig von den Mäusen gefressen worden sein.

Nach einem Zwischenreich von 19 Jahren wurde 842 Piast, ein Landmann, welcher bei einer Hungersnoth die Hauptstadt Gnesen mit Lebensmitteln versorgte, von dem Volke zum Fürsten gewählt; er regierte bis 892, sein Sohn Ziemovit, welcher das Kriegswesen verbesserte, bis 924, Leszek V. bis 952 u. Ziemomysl bis 960. Mieczislaw I. schickte bei dem Vordringen des Markgrafen Gero von der Niederlansitz gegen seine Grenzen, gelegentlich des Wendenkrieges, Gesandte an den deutschen Kaiser Otto I., unterwarf sich demselben u. nahm das Land zwischen Oder u. Warthe von ihm zu Lehn. Diese Verbindung mit Deutschland u. der Einfluß seiner Gemahlin Dombrowka (Dubrawka), einer böhmischen Prinzessin, bewogen ihn 967 das Christenthum, u. zwar nach griechischem Ritus, anzunehmen, worauf er sein ganzes Volk zwang, sich ebenfalls taufen zu lassen; er gestattete auch die Gründung des ersten Bisthum zu Posen, welches Deutsche aufrichteten, weshalb es unter das Erzbisthum Magdeburg gestellt wurde. 973 erschien Mieczislaw auf dem Hoftage in Quedlinburg, führte 985 u. 986 unglückliche Kriege mit den Böhmen u. verlor 985 Rothrußland an den Großfürsten Wladimir den Großen von Rußland. Er st. 992. Sein Sohn Boleslaw I. Chrobry, d. i. der Große, ist der eigentliche Begründer der Macht P-s. Er führte das allgemeine Aufgebot ein, vermehrte seine Leibwache, drang bis an die Havel vor u. kriegte mit den Böhmen glücklich. 997 erkaufte er von den heidnischen Preußen den Leichnam des St. Adelbert u. ließ ihn in Gnesen beisetzen. Im Jahr 1000 kam Kaiser Otto III. nach Gnesen, krönte Boleslaw zum König u. erhob Gnesen zum Erzbisthum; dadurch wurde die erste umfassende Organisation der Polnischen Kirche vollzogen u. dieselbe dem Einflusse der Griechischen Kirche entzogen u. zum engen Anschluß an die Römische Kirche gebracht. Boleslaw eroberte auch die Lausitz u. Meißen u. erhielt darüber vom Kaiser Heinrich II. die Belehnung, machte sich 1003 Böhmen lehnbar, kriegte wiederholt gegen die Deutschen, mit denen er endlich 1018 in Budissin Frieden schloß, besiegte die Russen, erstürmte Kiew u. unterwarf Rothrußland wieder. Von da an lebte er in Frieden, weigerte sich jedoch den Kaiser Konrad II. als Lehnsherrn anzuerkennen u. st. 1025. Sein Sohn Mieczislaw II. der Träge, unthätig u. von seiner Gemahlin Rixa od. Richenza, einer Nichte des Kaisers Otto III., beherrscht, verlor an Jaroslaw Rothrußland, an Ungarn die Slawokei u. Mähren u. an Kaiser Konrad II. die Lausitz; nur Pommern konnte er im Gehorsam erhalten. Er erschien 1032 auf dem Hoftage in Merseburg als Lehnsmann des Kaisers u. st. 1034 im Wahnsinn. Kasimir I. der Wiederhersteller, Sohn des Vorigen, den Polen verhaßt, floh mit seiner Mutter nach Deutschland. Während seiner Abwesenheit nahm die Anarchie in P. überhand; Jaroslaw von Nowgorod u. Brzetislaw von Böhmen fielen in P. ein u. plünderten u. zerstörten die Städte, ja selbst das Heidenthum erhob sich wieder; daher beriefen die Polen Kasimir zurück, welcher mit Hülfe des Kaisers Heinrich III. 1040 die Herrschaft wieder erlangte u. Ruhe nach außen u. im Inneren herstellte; er unterwarf Masovien u. erhielt 1054 Breslau u.a. Städte von Böhmen zurück, gab gute Gesetze, stellte die Kirchen wieder her, baute viele feste Schlösser u. führte die Castellanwürde in P. ein, verstand sich auch zu einem Lehnzins an den Papst u. st. 1058. Sein ältester Sohn, Boleslaw II. der Kühne, hatte Anfangs gegen Empörungen zu kämpfen. Er zog dann seinem Schwager Bela von Ungarn gegen Andreas u. die Deutschen zu Hülfe, vertrieb 1060 die Böhmen aus Schlesien u. besiegte 1063 die Preußen u. 1068 die Russen. 1070 ging er abermals nach Ungarn, wo er den König Salomo zwang, seinen Vettern Geysa u. Wladislaw 1/3 von Ungarn abzutreten,[251] u. eroberte von den Russen Volhynien u. 1077 Kiew. Von nun an wurde Boleslaw II. ein Tyrann; da er den Bischof Stanislaw von Krakau, welcher ihn wegen seiner rohen Gewaltthaten mit dem Bann belegt hatte, mit eigener Hand ermordet hatte, machte der ganze Adel eine Empörung, welche zu einem furchtbaren Bürgerkrieg ausartete. Boleslaw mußte flüchten u. st. in der Fremde. Sein Bruder, Wladislaw I. Hermann, bestieg nach zweijähriger Anarchie 1081 den Thron. mußte aber den Königstitel ablegen, weil der Papst ihn nicht anerkennen wollte, u. durfte nur den als Herzog führen. Er stellte die Ruhe her u. vermählte sich 1083 mit Judith, Tochter des Herzogs Wradislaw von Böhmen. Obgleich der Kaiser Heinrich IV. seinen Schwager, den Herzog Wratislaw von Böhmen, mit P. belehnte, blieb Wladislaw doch im Besitz u. versöhnte sich mit dem Kaiser, dessen Schwester Sophie er 1088, nach dem Tode seiner ersten Gemahlin, heirathete. Unter ihm fielen die Russen nach dem Tode seines Neffen Mieczislaw, welchen er mit der Tochter Isäslaws vermählt hatte, wieder ab; nach vielfachen Kriegen gegen Pommern, Preußen, Böhmen u. Russen st. Wladislaw 1102 in Plock. Boleslaw III. Krummmaul, des Vor. Sohn, mußte zugleich gegen seinen Bruder Sbigniew, die Mähren u. die Pommern die Waffen führen, siegte aber. Nun bewog Sbigniew den Kaiser Heinrich V. zum Kriege gegen Boleslaw, doch dieser schlug 1110 die Deutschen auf dem Hundsfelde bei Breslau u. schloß mit ihnen in Bamberg Frieden u. Bündniß; 1114 reizte Sbigniew die Böhmen u. Preußen zum Kriege gegen seinen Bruder, wurde aber gefangen u. unschädlich gemacht. In dem Thronstreite Boris' u. Bela's in Ungarn, half Boleslaw dem Erstern, erlitt aber, von dem eigenen Feldherrn u. Boris im Stiche gelassen, von den mit den Russen verbündeten Ungarn 1137 eine völlige Niederlage. Unterdessen waren die Böhmen in Schlesien eingefallen, wogegen die Polen in Böhmen das Vergeltungsrecht übten; der Friede in Glaz 1137 setzte diesen Kämpfen ein Ziel.

Boleslaw vertheilte darauf 1139 sein Land unter seine vier älteren Söhne; der älteste, Wladislaw II., erhielt Krakau, Sieradz, Lenczyc, Schlesien u. Pommern u. die Obergewalt über seine Brüder; Boleslaw Masovien, Kujavien, Dobrzyn u. Kulm; Mieczislaw Großpolen; Heinrich Sandomir u. Lublin; der jüngste, Kasimir, wurde bei der Theilung übergangen, beerbte jedoch später alle seine Brüder. Wladislaw II. wollte aber das ganze Land u. verbündete sich deshalb mit den Russen u. Deutschen, erhielt auch 1140 vom Kaiser Konrad, dem Stiefbruder seiner Gemahlin Agnes, die Belehnung über ganz P., wurde aber von dem Papste Eugen III. mit dem Bann belegt. Seine Unterthanen fielen von ihm ab; die Brüder besiegten ihn 1148 bei Posen u. vertrieben ihn nach Deutschland (von ihm stammen die piastischen Herzöge von Schlesien, welche 1675 ausstarben, s. Schlesien [Gesch.]). Boleslaw IV. der Krauskopf übernahm nun das Land des verjagten Bruders u. die Oberherrschaft, doch Kaiser Friedrich I. bekriegte ihn, fiel 1157 in P. ein, u. Boleslaw konnte ihn nur durch Verheißung eines großen Tributs u. der Lehnsfolge zum Abzuge bewegen. Doch als er seine Verheißungen nicht hielt, zog Friedrich 1158 abermals nach P. u. zwang ihn 1162 seinem Neffen Boleslaw Niederschlesien u. Ratibor, Mieczislaw aber Oberschlesien zu übergeben. Von den Sachsen, welche die obotritischen Herrschaften, den Brandenburgern, welche die Mittelmark, u. den Dänen, welche Rügen eroberten, wurden seit 1160 den Polen die Gebiete an der Oder u. an der Ostseeküste entrissen. 1164 u. 1165 thaten die Preußen Einfälle in P., u. als Boleslaw 1165 in ihr Land fiel, erlitt er dort eine Niederlage, bei welcher auch sein Bruder Heinrich blieb. Den Landtheil desselben nahm Kasimir, der jüngste Bruder. Boleslaw st. 1173. Mieczislaw III. der Alte, der dritte Bruder, Herzog von Groß-P., erhielt nun die Oberherrschaft, er war aber so unbeliebt, daß eine Verschwörung, an deren Spitze der Bischof von Krakau, Gideon Polka, stand, gegen ihn ausbrach u. er 1177 in Krakau festgenommen, der Oberherrschaft entsetzt u. diese seinem jüngsten Bruder, Kasimir II. dem Gerechten, übertragen wurde, welcher die Abgaben des Volkes minderte u. viele gute Einrichtungen machte, aber doch die Ruhe im Lande nicht zu erhalten u. den Adel nicht zu bändigen vermochte. Großpolen, welches sich ihm nach einem lebhaften Kriege, welchen Mieczislaw mit Hülfe Sobieslaws von Böhmen, Friedrichs von Lothringen u. Bernhards von Sachsen gegen ihn führte, unterwerfen wollte, nahm er nicht an, sondern übergab es 1179 Mieczislaws Sohne, Otto, das Herzogthum Auschwitz trat erden Herzögen von Schlesien ab; das pommersche Gebiet gab er an Boguslaw, Schwiegersohn Mieczislaws, u. die Danziger Mark an Sambor als Lehnsfürstenthümer. 1180 wurde eine Synode in Lenczyka gehalten, auf welcher den Fürsten die Plünderung der geistlichen Güter bei Strafe der Excommunication verboten wurde. Überhaupt waren die kirchlichen Verhältnisse in P. damals sehr gestört, da der Clerus oft mit dem Adel in Streitigkeiten lag. Darauf eroberte Kasimir von Rußland Brzest u. Przemysl. Die Erbfolge im Königthume wollte er, gegen die Bestimmung seines Vaters, seinen Kindern zusichern. Am meisten widerstrebte sein Bruder Mieczislaw, welcher sich wieder in Großpolen festgesetzt hatte. 1186 erbte er Masovien von seinem Neffen Leszek u. 1187 erhielt er auch das Fürstenthum Halicz, welches eine Zeitlang unter ungarischer Herrschaft gestanden hatte, durch freiwillige Unterwerfung. Während er 1191 auf einem Feldzuge gegen Rußland abwesend war, suchte Mieczislaw, wiewohl vergebens, sich Krakau's zu bemächtigen. Hierauf schlug Kasimir 1192 die Jadzwinger in Podlasien, schloß 1193 einen Frieden mit den Ungarn in Zips u. st. 1194. Ihm folgte sein sechsjähriger Sohn Leszek V. der Weiße od. Weißhaarige, unter der Regentschaft seiner Mutter Helena. Jetzt versuchte Mieczislaw der Alte abermals die Oberherrschaft wiederzuerlangen, er verlor zwar 1199 die Schlacht an der Mozgawa, wußte sich aber dennoch zu halten u. bekam 1201, in Folge einer neuen Revolution, Krakau u. die Oberherrschaft über P., st. aber 1202. Sein Sohn, Wladislaw III. Schmalfuß, kriegte bis 1206 mit abwechselndem Glück gegen Leszek, dann begab er sich der Herrschaft. Damals war die königliche Gewalt zur höchsten Unbedeutendheit gesunken, in Schlesien geboten Herzöge unumschränkt, in Masovien Konrad; auch Pommern hatte sich der Oberherrlichkeit P-s entzogen u. die Wojwoden u. Castellane hatten sich zu Fürsten gemacht. Leszek schlug 1207 die Russen bei Zawichost u. führte bis 1217 mit Ungarn Krieg. Sein Bruder Konrad, Herzog von Masovien u. Kujavien, verwirrte durch seine Umtriebe das Reich, wurde aber[252] selbst von den Preußen hart bedrängt u. zum Tribut gezwungen. Leszek wurde 1227 auf dem Reichstag in Gensawa durch den Fürsten Swentopolk ermordet. Ihm folgte sein minderjähriger Sohn Boleslaw V. der Keusche, unter Vormundschaft seines Oheims, des Herzogs Konrad von Masovien u. nachher des Herzogs Heinrich von Breslau. 1239 übernahm er die Regierung selbst. 240 brachen die Tataren in P. ein, plünderten das Fürstenthum Halicz u. das rechte Weichselufer bis Krakau u. gingen nach dem Siege bei Chmielnik 1240 nach Mähren u. Schlesien. Im nächsten Jahre fielen die Lithauer in Masovien ein u. vertrieben Boleslaw V. nach Ungarn. Herzog Konrad wollte sich nun in Besitz P-s setzen u. führte Krieg mit seinem Neffen bis 1246, wo er starb u. Boleslaw unangefochten wieder P. beherrschte. Ein neuer Einfall der Tataren 1258, wodurch Sandomir u. Krakau verheert wurden, zwang Boleslaw wieder nach Ungarn zu flüchten. 1264 machten die Jazygen eine Empörung u. 1266 gerieth P. mit Brandenburg, Masovien mit Preußen u. 1273 mit dem Herzoge von Oppeln in Krieg. 1297 st. Boleslaw kinderlos, indem er, ungeachtet seiner Vermählung, ein Gelübde immerwährender Keuschheit gethan hatte; ihm folgte Leszek VI. der Schwarze, Sohn Kasimirs, Herzogs von Kujavien u. Enkel Konrads von Masovien, schon 1265 zum Nachfolger ernannt. Er vereinigte sein väterliches Erbe Lenczyc u. einen Theil von Kujavien mit Kleinpolen, besiegte 1280 die Russen u. brachte das unter seinem Vorfahren an den Fürsten Daniel von Halicz verlorene Lublin an P. zurück; belagerte 1281 vergebens Breslau u. führte 1282 einen glücklichen Krieg gegen die Lithauer. 1283 beunruhigte Konrad II. von Masovien das Reich u. wollte sich der Oberherrschaft bemächtigen. Ein neuer Einfall der Tataren 1287 nöthigte Leszek VI. zur Flucht nach Ungarn. Als Leszek VI. 1289 kinderlos starb, stritten sich die Herzoge Boleslaw von Masovien u. Heinrich VI. von Breslau um den Thron, der Letztere wurde anerkannt, aber nun trat der Stiefbruder Leszeks VI., Wladislaw der Ellenlange, vom Adel unterstützt, als Thronbewerber auf. Er wurde aber 1290 von Heinrich vertrieben, u. als dieser bald darauf starb, stritten sich Przemislaw II., Herzog von Posen, u. Wenceslaw, König von Böhmen, um den Thron.

Przemislaw, welcher endlich das Reich behauptete, ließ sich 1295 zum König krönen, u. von nun an hießen die Oberherren von P. wieder Könige. Als er 1296, nach siebenmonatlicher Regierung, vom Markgrafen von Brandenburg erschlagen wurde, bestieg Wladislaw I. (IV.) Loketek, d. i. der Ellenlange (von seiner kleinen Gestalt so genannt), den Thron, doch bald stürzte ihn der Bann der unzufriedenen Geistlichen wieder herab, u. König Wenceslaw II. von Böhmen wurde nun von den Großpolen zum König ernannt. Er regierte mit Milde, konnte aber die Herzen der Polen nicht gewinnen. Als er 1305 in Prag starb, bekam Wladislaw I. (IV.) zum dritten Mal die Krone u. hielt sich gegen Wenceslaw III. u. Johann von Luxemburg. Wladislaw regierte nun weise, wenn gleich mit wechselndem Glück. Erst 1309 gelang es ihm, Großpolen zu unterwerfen u. durch die Vereinigung mit Kleinpolen den Kern der alten polnischen Lande wieder zu einem Ganzen zu vereinigen; dagegen ging um diese Zeit Pomerellen mit Danzig an den Deutschen Orden verloren. 1326 u. 1327 lösten die schlesischen Herzoge die letzten Bande der polnischen Lehnshoheit u. unterwarfen sich den Böhmen, nur der Herzog von Schweidnitz blieb bei P. Ein Krieg mit dem Deutschen Orden von 1325 bis 1331 wurde mit wechselndem Glück geführt u. ein schlesisches Heer aus P. vertrieben. Wladislaw bewilligte dem Adel 1331 eine Art Reichstag. Als Wladislaw I. 1333 starb, folgte ihm sein Sohn Kasimir III. der Große unter schwierigen Umständen, denn die Herzoge von Masovien machten Ansprüche auf die Obergewalt, der Krieg mit dem Deutschen Orden dauerte fort u. die Tataren drohten mit einem Einfall; Kasimir trat aber in dem Vertrag zu Wissegrad 1335 an den Deutschen Orden Pomerellen ab, wogegen dieser auf Kujavien u. Dobrzyn Verzicht leistete, u. auf Grund dieses Vertrages, welcher erst nicht vom Reichstage genehmigt wurde, schloß der König doch endlich mit dem Orden 1343 den Frieden von Kalisch. Auch mit dem Könige Johann von Böhmen schloß Kasimir 1335 Frieden u. entsagte der Oberherrlichkeit über Schlesien u. einen Theil Masoviens, jener dagegen seinen Ansprüchen auf die Krone P-s; mit Ungarn machte er ein Bündniß u. sicherte 1339, in Ermangelung männlicher Erben, dem ungarischen Königsstamme, namentlich dem Kronprinzen Ludwig von Anjou, die Thronfolge in P. Das Versprechen, welches dieser dabei leistete, keinem Fremden ein Amt zu geben u. dem Adelstand keine neuen Abgaben aufzulegen, war die Grundlage zu den nachmaligen Pacta conventa, zu der Beschränkung des Königsthums u. zu dem endlichen Untergang P-s. 1340 brachte Kasimir Kleinrußland wieder an P. zurück; 1341 wies er einen Angriff der Tataren ab u. hatte 1343–45 einen neuen Krieg mit Böhmen wegen Schlesien. Auf einer großen Reichsversammlung in Wislica 1347, wo dem Adel Antheil an der Gesetzgebung eingeräumt wurde, beauftragte er mehre erfahrene Männer mit einer allgemeinen Umarbeitung der Reichsgesetze (die erste geschriebene Sammlung von Gesetzen in P.). 1349 verband er Halicz mit der Krone, 1352 eroberte er, mit Hülfe der Ungarn, Volhynien, vertauschte dann seine Lehnsansprüche auf Jauer u. Schweidnitz gegen die gegenseitigen auf Masovien u. gab 1360 den neu erworbenen Ländern eine Verfassung. Er stand dem Wojwoden Stephan von der Walachei gegen seinen jüngeren Bruder Peter bei, erlitt aber eine Niederlage. Dies war der Anfang einer Reihe Unglücksfälle, welche P. trafen, ihnen folgten Pest u. Hungersnoth. Kasimir zeigte sich aber als großer Fürst u. öffnete seine reichen Vorrathshäuser, rief neue Ansiedler nach P., förderte den Ackerbau u. schützte den Landmann gegen die Bedrückungen des Adels (weshalb er der Bauernkönig genannt wurde). Er zog auch die aus anderen Ländern vertriebenen Juden nach P., zu welcher letzteren Maßregel seine Maitresse Esther, eine Jüdin, viel beitrug. 1363 wurde er vom Kaiser Karl IV. u. König. Ludwig von Ungarn zum Schiedsrichter in ihren Streitigkeiten erwählt, wobei er Karl IV. mit großer Pracht seine Enkelin Elisabeth von Stettin in Krakau vermählte. 1365 vereinigte er Kujavien für immer mit der Krone. Er kriegte noch 1366 siegreich mit den Lithauern, denen er Rothrußland abnahm. Unter Kasimir dauerten auch die Streitigkeiten zwischen Clerus u. Adel wegen des Zehnten u. wegen der willkürlichen Ausdehnung der geistlichen Gerichtsbarkeit[253] fort. Der König selbst setzte sich gegen die Anmaßung des Papstes, welcher in das königliche Recht der Einsetzung der Bischöfe Eingriffe machen wollte. Gegen das große Verderben des Clerus hatten sich schon lange im Lande allerhand Secten erhoben u. eiferten dagegen, weshalb Papst Johann XXII. die Inquisition einzuführen befahl, welche zwar die antirömische Bewegung im Lande unterdrückte, aber nicht ausrottete. Kasimir st. 1370, u. mit ihm erlosch das Geschlecht der Piasten im Mannesstamm in P.

Ludwig, Sohn Karls von Anjou u. der Elisabeth, der Schwester Kasimirs des Großen, u. König von Ungarn, folgte ihm vermöge des Vertrages von 1339. Er wandte seine Thätigkeit mehr Ungarn zu, die Regierung von P. überließ er aber seiner Mutter u. hielt sich nur kurze Zeit in Krakau auf. Er zersplitterte das polnische Gebiet durch Schenkungen an seine Verwandten, entsagte 1372 seinen Ansprüchen auf Schlesien u. that den Einfällen der Lithauer in den Grenzlanden keinen Einhalt; nur 1376 führte er bei überhandnehmender Zerrüttung im Reiche die Regierung auf kurze Zeit persönlich, übergab sie aber bald darauf seiner Mutter wieder. 1377 zwang ihn ein Aufruhr u. ein gleichzeitiger Einfall der Lithauer nach P. zu kommen. Er dämpfte den Aufruhr, besiegte die Lithauer u. nahm ihnen mit Hülfe der Polen Rothrußland ab, aber er vereinigte dieses Land, dem Vertrage zuwider, mit Ungarn u. dadurch vermehrte er die Unzufriedenheit der Polen, welche aufs Höchste stieg, als er ihnen seinen Neffen, den Herzog Wladislaw von Oppeln, zum Statthalter setzte. Um es jedoch nicht zum Bruch kommen zu lassen, ernannte er 1381 auf dem Reichstage in Ofen drei polnische Große (den Bischof Zawisza, Dobieslaw, Castellan von Krakau, u. Sendziwog Szubin, Wojwoden von Kalisch u. Starosten der Hauptstadt) zu Statthaltern. Da Ludwig keine Söhne hatte, so bestimmte er seine Tochter Maria zur Erbin der Kronen von Ungarn u. von P., aber die Polen verwarfen deren Verlobten, den Markgrafen Sigismund von Brandenburg, Sohn des Kaisers Karl IV., noch vor Ludwigs Tode, welcher 1382 erfolgte, auf der Reichsversammlung in Zips u. ernannten den Herzog Ziemowit von Masovien zum König. Dagegen wurde auf dem Reichstage in Wislica von einer dritten Partei Ludwigs jüngere Tochter, Hedwig, als Königin von P. gewählt u. diese auch 1384 in Krakau gekrönt, zugleich aber gezwungen ihrem Verlobten, dem Herzog Wilhelm von Östereich, zu entsagen u. den heidnischen Großfürsten Jagello von Lithauen zu heirathen.

Jagello kam den 12. Febr. 1386 nach Krakau, ließ sich den 14. Febr. taufen, wobei er den Namen Wladislaw (V.) II. Jagello annahm, u. vermählte sich den 15. mit Hedwig, worauf bald die Krönung erfolgte. Mit ihm kam das Haus Jagello auf den polnischen Thron. Ganz Lithauen wurde durch den Übertritt seines Großfürsten dem Christenthume zugewandt. Durch die Verbindung mit Lithauen wurde P. eine Hauptmacht in Osteuropa u. konnte nun seine volle Kraft gegen den Deutschen Orden wenden. Wladislaw II. fand schon einen Krieg mit dem Orden vor; gleichzeitig brachen Unruhen in Großpolen aus u. in Lithauen empörte sich sein Bruder Audreas. Diesen unterwarf aber Jagello's Vetter Witold (welchen Wladislaw 1392 zum Großfürsten von Lithauen einsetzte) u. durch Unterhandlungen wurden die Feindseligkeiten mit dem Deutschen Orden wenigstens unterbrochen; dann eroberte er Roth-Rußland wieder, zog 1395 die von dem Herzog von Oppeln besessenen Fürstenthümer Wielun u. Dobrzyn wieder ein u. führte deshalb einen Krieg mit dem Herzog von Oppeln. Mit der Königin Hedwig starben 1399 die Piasten auch im Weibsstamm in P. aus. 1404 wurde Samogitien von Lithauen an den Deutschen Orden abgetreten, wogegen das an denselben verpfändete Dobrzyn wieder eingelöst wurde. Durch die Abtretungen an den Deutschen Orden wurde die Macht P-s sehr geschwächt, indem es seine nördliche Vertheidigungslinie u. den Seehandel verlor. 1409 begann der Krieg mit dem Orden durch einen Einfall der Ritter in Kujavien von Neuem, aber Wladislaw, von den Lithauern u. den Tataren unterstützt, besiegte das Ordensheer in der großen Schlacht bei Tannenberg den 15. Juli 1410 (s. u. Preußen) u. belagerte darauf u. eroberte Marienburg, die Hauptfeste des Ordens, mit Ausnahme des Schlosses. Wladislaw verlor aber durch Zögern seine Vortheile u. mußte sich schließlich, da der Orden wieder Streitkräfte gesammelt hatte u. auch der König Sigismund von Ungarn eine Diversion gegen Krakau machte, mit der Abtretung von Dobrzyn u. mit Samogitien begnügen. 1412 verpfändete der Kaiser Sigismund die Zipser Städte um 36,000 Prager Groschen an P.; 1413 wurde festgesetzt, daß die Könige von P. u. die Großfürsten von Lithauen nur mit Beistimmung beider Völker gewählt werden sollten, wodurch die Vereinigung beider Staaten gesichert wurde. 1415 unterwarf sich der Wojwode der Walachei der Lehnshoheit P-s; 1416 fielen die Tataren in der Ukraine ein. Bei Gelegenheit der dritten Vermählung Wladislaws mit Elisabeth Pilecka, 1417, wurde der Erzbischof von Gnesen vom Kostnitzer Concil zum Primas von P. erhoben, welche Würde auch seinen Nachfolgern verblieb. Die letzten Jahre der Regierung Wladislaws wurden durch Verdrießlichkeiten mit dem Großfürsten Witold in Lithauen ausgefüllt, welcher sogar als König in P. folgen wollte, u. nach dessen Tode mit dem neuen Großfürsten Boleslaw (s. Lithauen). 1433 zog Wladislaw noch einmal gegen den Deutschen Orden ins Feld, richtete aber Nichts aus u. st. 1434. Unter Wladislaw wurde, da bisher die Polen meist in Prag studirt hatten, die Universität Krakau gestiftet, u. von da aus verbreitete sich schon früh die Hussitische Lehre in P., welcher sich bes. der Adel sehr geneigt zeigte. Wladislaw (VI.) III., Wladislaws II. zehnjähriger Sohn aus vierter Ehe mit seiner Nichte Sophie, folgte ihm. Sein Vater hatte bei der Geburt mehrer Söhne verordnet, daß ihm der Würdigste folgen solle, u. so den Ständen die Gelegenheit zu Errichtung des nachmaligen Wahlreichs gegeben. Nur durch den Bischof von Krakau, Sbigniew, konnte Wladislaw die Anerkennung unter Vormundschaft seiner Mutter erhalten. Parteiungen zerrütteten aber P.; der Deutsche Orden u. der Großfürst Boleslaw von Lithauen drohten mit Krieg, aber der Großfürst Sigismund schlug das Ordensheer in Livland, u. darauf kam 1435 der Friede zu Brzeck zu Stande, durch welchen der Orden die Neumark gegen das Versprechen, sich nicht mehr in die lithauischen Händel mischen u. den halben Thorner Zoll abtreten zu wollen, erhielt. 1436 wurde ein Landfriede festgesetzt; darauf eroberten die Polen Smolensk, Polock u. Witepsk. 1439 übernahm [254] Wladislaw selbst die Regierung u. wurde auch zum Könige von Ungarn gewählt. Hier aber brach er den 1444 auf 10 Jahre beschworenen Frieden mit den Türken nach wenigen Monaten, erlitt jedoch bei Varna den 11. Novbr. 1444 eine Niederlage u. blieb selbst in der Schlacht. Die Polen wählten nun nach zweijähriger Thronvacanz (man glaubte nämlich, Wladislaw lebe noch) 1446 den Bruder Wladislaws, den Großfürsten von Lithauen, Kasimir IV., zum König. Anfangs fanden Streitigkeiten zwischen P. u. Lithauen statt, da sich beide wegen der ihnen zugehörigen Provinzen nicht vereinigen konnten; dann wurde P. von Tataren beunruhigt, welche aber zurückgeschlagen wurden. Der Deutsche Orden hatte Städte u. Adel arg bedrückt, diese boten daher 1454 ihre Unterwerfung unter polnische Oberherrlichkeit an u. bekriegten mit P-s Hülfe den Orden bis 1466, wo in dem Vertrag von Thorn Kulm u. die Weichsel bis Elbingen an P. abgetreten wurde; das lang ersehnte Ziel der Polen, die Ordensmacht zu brechen, wurde so erreicht. Des Königs Sohn Kasimir wurde zum König von Ungarn berufen, doch Matthias Corvinus vertrieb ihn, u. nun wurde P. den Angriffen dieses ausgesetzt, bis 1478 der Friede zu Olmütz erfolgte, in welchem sein älterer Sohn Wladislaw Böhmen erhielt, Kasimir aber Ungarn an Matthias Corvinus abtreten mußte. 1480 bemächtigte sich der Großfürst Iwan I. von Moskau eines Theils von Weiß-Rußland, u. Kasimir führte bis 1485 vergeblich Krieg zur Wiedereroberung. 1489 erfocht er einen großen Sieg über die Tataren. Nach dem Tode Kasimirs IV., 1402, wählten die Polen dessen zweiten Sohn, Johann I. Albrecht, zum König; unter ihm plünderten die Tataren Roth-Rußland u. die Walachen, Türken u. Tataren fielen in Kleinpolen ein; die Türken brachen 1499 abermals in Halicz ein u. zwangen Johann Albrecht einen Bund mit ihnen zu schließen, wodurch er jedoch die Tataren gegen sich aufregte. Er st. 1501 in Thorn. Unter seinem Bruder Alexander, welcher ihm folgte, währten die innern Zerrüttungen fort; Tataren verheerten das Land u. der Adel versagte allen Gehorsam. Alexander starb bald nach dem Siege Glinskis 1506 über die Tataren bei Kleck. Sigismund I. der Alte, jüngerer Bruder des Vor., wurde von den Polen u. Lithauern erwählt. Zuerst erregte Michael Glinski Unruhen, wurde aber von Johann Firley vertrieben, u. der Czar, welcher ihn unterstützte, mußte um Frieden bitten. 1509 empörte sich der Hospodar der Walachei, Bogdan, wurde aber 1510 zum Gehorsam gezwungen. Die Tataren erlitten bei Wiesniowiec 1512 eine Niederlage u. ebenso 1514 die Russen bei Borisow, doch drangen sie, als die Polen 1519 gegen die Tataren eine Schlacht verloren, aufs Neue ins Land, u. der Hochmeister des Deutschen Ordens, Albrecht von Brandenburg, überzog P. mit Krieg, doch kam ein Waffenstillstand zu Stande, dem 1525 ein Friede folgte, Albrecht nahm Preußen als weltliches Herzogthum von P. zum Lehen, vgl. Preußen (Gesch.). 1526 fiel das Herzogthum Masovien durch das Erlöschen des Herzogstammes an P. zurück. Der Krieg mit Rußland wurde erneuert u. 1534 ein Sieg bei Starodup erfochten. 1546 starb der König Sigismund I.; er hatte für die Aufnahme des Reichs viel gethan, Ackerbau, Gewerbe u. Wissenschaften blühten unter ihm. Sein Sohn, Sigismund II. August (August I.), hatte eine Partei des Adels gegen sich, doch mit Hülfe des Castellans Dombrowski von Krakau besiegte er alle Gegner. 1551 wurde der Hospodar der Walachei der Krone P. unterworfen. In Livland versagte der Ordensmeister den Gehorsam, doch wurde er schnell gedemüthigt, u. als sich der Czar von Moskau 1558 eines Theils von Livland bemächtigte, unterstellte der Ordensmeister Gothard Kettler 1561 dieses Land der Krone P. u. wurde nun Herzog von Kurland. Der lithauische Adel erhob sich 1560 u. vertrieb die Russen aus Livland. Der Krieg mit Rußland währte bis 1567 fort, u. auch die Schweden, welche auf Livland Ansprüche machten, wurden darein verwickelt, machten aber 1570 Frieden mit P. Unter der Zeit hatte die Kirchenreformation in P. Eingang gefunden u. sich so sehr verbreitet, daß über die Hälfte des Senats protestantisch war, u. auf dem Reichstag zu Wilna 1563 wurden den Protestanten gleiche Rechte mit den Katholiken ertheilt. Jedoch hemmte die Einführung der Jesuiten in P. durch den Bischof Hosius von Ermland 1566 die Fortschritte des Protestantismus u. erhielt P. der Römischen Kirche. 1569 erfolgte auf dem Reichstage in Lublin die völlige Vereinigung Lithauens mit P. u. die Gleichstellung beider Länder. 1570 wurde die Universität in Wilna gestiftet. 1572 st. Sigismund August, mit ihm erlosch die Dynastie der Jagellonen im Mannesstamme, unter deren Herrschaft P. den höchsten Punkt der Macht u. der Adel wesentliche Vorrechte erlangt hatte. Derselbe hielt seit 1404 Districtslandtage, auf welchen Vorbesprechungen zum Reichstage gehalten wurden, wodurch sich Parteien bildeten; nach dem Reichstagsbeschluß zu Wilna 1430 durfte kein Adeliger wegen eines Verbrechens außer auf frischer That od. nach Überführung festgenommen werden; durch den zu Nieszawa 4454 erhielt er das Recht der Beschließung über Krieg u. Frieden, nur aus dem einheimischen Adel durfte der König Erzbischöfe, Bischöfe, Wojewoden, Castellane u. Minister ernennen, u. diese bildeten auf dem Reichstag die Kammer der Senatoren (Senat) als ersten Reichsstand; seit 1468 erfolgte die Sitte, daß jeder District zwei Landboten zum Reichstag sendete, welche nach der erhaltenen Instruction stimmten; u. seit König Alexander hatte der Reichstag das Münzrecht, das Recht der Promulgation der Gesetze u. der Oberaufsicht über die Gerichtshöfe.

Nach dem Erlöschen der Dynastie der Jagellonen wurde P. ein Wahlreich; der gewählte König hatte die Wahlcapitulation (Pacta conventa) zu beschwören, welche seine Macht sehr beschränkte. Nach Sigismund Augusts Tode traten der König Johann von Schweden, der Czar Iwan Wasiljewitsch von Rußland, der Erzherzog Ernst von Österreich u. der Herzog Heinrich von Anjou als Bewerber um die polnische Krone auf. Die Verhandlungen deshalb währten beinahe ein Jahr lang, endlich wurde 1573 Heinrich von Anjou zum König gewählt u., nachdem er die Wahlcapitulation beschworen hatte, 1574 gekrönt. Verfolgungssucht machte ihn den protestantischen Ständen, Leichtsinn, Verschwendung, Wortbrüchigkeit u. Unsittlichkeit auch den Katholiken verhaßt, ihm dagegen war die Beschränkung der königlichen Gewalt durch die großen Vorrechte des Adels u. bes. durch die Pacta conventa zuwider, u. da der Tod seines Bruders Karl IX. ihn auf den Thron von Frankreich rief, so verließ er schon vier Monate nach seiner Krönung[255] P. in heimlicher Flucht. Die polnischen Stände setzten ihm einen Termin zur Rückkehr, u. als er nicht erschien, schritten sie 1575 zur neuen Königswahl. Eine Partei wählte den Kaiser Maximilian II., die andere Stephan Bathori, Wojwoden von Siebenbürgen, mit der Bedingung, daß er Anna, Tochter des Königs Sigismund I. u. Schwester des Königs Sigismund II. August, heirathe. Stephan mußte noch den Frieden von Marienburg 1577 erzwingen, wo erst alle Magnaten u. Preußen nebst Danzig sich ihm unterwarfen, führte einen siegreichen Krieg gegen Rußland, in welchem er die ganze Wojewodschaft eroberte u. welcher 1582 durch einen Frieden auf 10 Jahre beendigt wurde; auch Livland mit Riga nöthigte er zur Unterwerfung; darauf begann er die Rechte der Krone wiederherzustellen, st. aber bereits 1586. Nun bildeten sich zwei Parteien, welche sich über die Wahl des neuen Königs mit den Waffen bekämpften; die Zamojski'sche Partei wollte den Prinzen Sigismund von Schweden, den Sohn des Königs Johann III. u. der Katharine, der jüngeren Tochter Sigismunds I.; die Glorowskische dagegen den Erzherzog Maximilian von Österreich u. brachte für denselben 20,000 Mann zusammen. Zamojski schlug diese aber bei Krakau u. Sigismund III. wurde König. Als der Erzherzog noch einmal die Waffen erhob, wurde er 1588 bei Bitschen geschlagen u. gefangen. Sigismund nahm zuerst seine Residenz in Warschau. Er war ein schwacher Mann, entfernte alle würdige Männer, so auch Zamojski, welchem er die Krone dankte, von sich u. schickte ihn gegen die Türken, doch mit so beschränkter Vollmacht, daß er nichts ausrichten konnte. Die über Rußland erfochtenen Vortheile benutzte er nicht, sondern schloß einen Waffenstillstand auf 11 Jahre. Wider seinen Eid verfolgte er von Jesuiten umgeben, die Protestanten u. zerstörte deren Kirchen. 1592 erbte er durch den Tod seines Vaters die schwedische Krone u. ging im Herbst 1593 mit Genehmigung des Reichstages zur Krönung dahin. Nach P. zurückgekehrt, führte er deutsche Sitten bei Hofe ein. 1598 ging er wieder nach Schweden, um die Regierung seinem Oheim, Karl von Südermanland, zu entreißen, er richtete aber nichts aus u. verwickelte P. in einen Krieg mit Schweden, als er Esthland zu P. schlug. Von seiner Untüchtigkeit überzeugt, bestieg nun sein Oheim als Karl IX. 1604 den Thron von Schweden, gegen Sigismund III. bildete aber der beleidigte polnische Adel 1606 eine Conföderation. Es kam zur Schlacht, u. nur die Tapferkeit des Feldherrn Chodkiewicz rettete dem König die Krone. Wegen dieses Bürgerkrieges hatte Chodkiewicz Livland verlassen müssen, wo die Schweden nun große Eroberungen machten. 1609 wurde Sigismund dadurch, daß er den falschen Demetrius bei seiner Thronprätension in Rußland unterstützte, in einen Krieg mit dem Czar verwickelt, er schlug die Russen 1610 bei Kluzyn u. eroberte Moskau; doch kurz darauf verjagten die Russen die Polen aus Moskau. Diese eroberten zwar Smolensk, doch mußten sie die Eroberung Rußlands aufgeben, bes. da der über diesen Krieg unzufriedene Reichstag die fernere Geldhülfe verweigerte. Prinz Wladislaw setzte indessen nicht ohne Glück den Krieg gegen Rußland fort u. erkämpfte die Provinzen Czernizow, Severien u. Smolensk, die in dem Waffenstillstande 1616 an P. abgetreten wurden. Nun wurde der Krieg gegen die Schweden, doch ohne Glück, fortgesetzt. 1620 ging Riga verloren; darauf erlitt ein polnisches Heer eine Niederlage durch die Tataren, auch die Pforte erklärte 1621 den Krieg, wurde aber durch Chodkiewicz nach dem Siege bei Choczim zum Frieden gezwungen. Seit 1621 führten die Schweden den Krieg in P. wieder mit Energie u. Glück; sie eroberten Livland, Kurland, Lithauen u. Polnisch-Preußen, nur Koniecpolski hielt die Schweden vom weiteren Vordringen ab, bis durch französische Vermittelung 20. Sept. 1629 ein Waffenstillstand in Stuhm auf 6 Jahre geschlossen wurde, durch welchen Schweden im Besitz seiner Eroberungen blieb u. nur einen Theil von Livland u. einige Städte in Preußen zurückgab. Sigismund III. st. 1632, u. sein Sohn Wladislaw (VII.) IV. folgte. Gleich nach seinem Regierungsantritte wurde P. von den Türken u. Russen zugleich bekriegt. Letztere belagerten Smolensk, aber Wladislaw zwang das Belagerungsheer sich zu ergeben u. nöthigte den Czar Michael zum Frieden. Dadurch erschreckt, verstand sich auch die Pforte schnell zum Waffenstillstand. Mit Schweden wurde 1635 der Waffenstillstand auf 26 Jahre erneuert, durch welchen Preußisch-Polen wieder an P. kam. Wladislaw wollte den Frieden benutzen, um die Mängel der polnischen Verfassung zu heben, aber der Widerstand des Adels vereitelte dies, eben so scheiterte sein Plan, die Religionsstreitigkeiten durch das Religionsgespräch in Thorn (s.d.) 1644 zu dämpfen. Unter Chmielnicki machten die Kosacken einen gefährlichen Aufstand u. schlugen die polnischen Heere bei Korsun. Wladislaw st. 20. Mai 1648. Sein Stiefbruder Johann II. Kasimir, bis dahin Geistlicher (s. Johannes 43), wurde nun zum Könige gewählt; der Aufstand der Kosacken dauerte unter ihm fort, sie verbanden sich mit den Tataren unter Khan Girey, wurden zwar 1651 bei Berestezko u. 1652 wiederholt geschlagen, aber begünstigt durch die Parteistreitigkeiten im Innern, rissen sie sich 1654 ganz von P. los u. begaben sich unter Rußlands Schutz. Daraus entstand ein Krieg P-s mit Rußland, in welchem Smolensk an Rußland verloren ging. 1655 brach Karl Gustav von Schweden durch Pommern in Großpolen ein, schlug die Polen überall, drang bis Krakau vor, zwang das polnische Heer sich ihm zu ergeben u. unterwarf den größten Theil P-s. Der König floh nach Schlesien, u. als er mit einem Heere wiederkehrte u. die Kosacken auch gegen die Schweden vorrückten u. Warschau entsetzten, verbündete sich Karl Gustav mit Friedrich Wilhelm dem Großen, Kurfürsten von Brandenburg, u. durch die brandenburgischen Truppen verstärkt, griff er das polnische Heer den 18. Juni 1656 bei Warschau an. Diese dreitägige Schlacht endigte mit der Niederlage der Polen. Warschau wurde eingenommen u. der König floh nach Lublin. Schon damals kam die Theilung P-s zur Sprache, der Kurfürst aber, nicht Willens, P. zu vernichten, um Schweden groß zu machen, trennte nach diesem Siege seine Streitkräfte von den Schweden u. trat bald darauf zum Beistande P-s auf. Rußland, ebenfalls eifersüchtig auf Schwedens Macht, schloß Frieden mit P. 1658 begann der Krieg mit Rußland wegen des Abfalls des Kosackenhetmanns wieder, u. die Polen siegten bei Lacheviece u. Mohilew. Im Frieden mit Schweden zu Oliva 3. Mai 1660 trat P. Livland, Esthland u. die Insel Ösel an Schweden ab u. entsagte der Lehnshoheit über Preußen, welches Brandenburg[256] seit 1618 besaß; den Krieg mit Rußland endigte der Friede zu Andrissow 14. Januar 1667, in welchem P. Smolensk, Severien, Czernizow u. die Ukraine bis zum Dnieper an Rußland zurückgab. Aber nicht durch diese Kriege allein litt P., auch im Innern ging es schlimm her; die gesetzliche Einführung des freien Veto (Liberum veto), wodurch jeder einzelne Landbote einen Reichstagsbeschluß ungültig machen konnte, führte zur Anarchie. Die Protestanten wurden auf Anlaß der Königin verfolgt, u. es entstanden zwischen den Glaubensparteien blutige Kriege. Wegen dieser inneren Zerwürfnisse legte Johann Kasimir 16. Sept. 1668 zu Gunsten seines Anverwandten, des Prinzen Condé, die Krone nieder u. ging nach Frankreich in ein Kloster. Die Reichsstände nahmen aber bei der Wahl auf den Prinzen keine Rücksicht u. machten das Gesetz, daß kein König von P. ohne Einwilligung der Reichsstände der Krone entsagen solle, geltend. Nun fanden wieder heftige Wahlstreitigkeiten Statt, da mehre auswärtige Fürsten sich Anhänger unter dem mächtigen Adel erkauft hatten, während der niedrige Adel auf die Wahl eines Einheimischen drang u. es durchsetzte, daß Michael Wisniowiecki, ein ganz gewöhnlicher Mann, 1669 gewählt wurde. Aber unvermögend die Achtung des Adels zu gewinnen, mußte er große Demüthigungen erdulden, u. P. versank in die schrecklichste Zerrüttung. Unpolitische Maßregeln gegen die Kosacken veranlaßten diese den Schutz der Türken nachzusuchen, welche 1672 P. mit Krieg überzogen, u. weil der Krongroßfeldherr Sobieski keine hinlängliche Unterstützung erhielt, so mußte ihnen in dem Vertrage zu Buczacz Podolien abgetreten u. ein jährlicher Tribut von 20,000 Ducaten bewilligt werden. Dagegen schlug Sobieski die auf einem Rückzug bis Lemberg vordringenden Tataren. Auch die Türken, welche sich wieder rührten u. bei Choczim ein festes Lager bezogen hatten, schlug er den 12. Nov. 1673 entscheidend. Tags vorher war Michael gestorben. Der bisherige Krongroßfeldherr wurde nun als Johann III. Sobieski 21. Mai 1674 einstimmig zum König gewählt. Ohne die Krönung abzuwarten, zog er gegen die Türken u. bemächtigte sich der Ukraine; sein Widersacher Michael Pac zog aber mit einem Theil des Heeres ab u. hinderte ihn, seine Vortheile zu verfolgen. Die Türken eroberten nun einen Theil von Podolien, doch Johann gewann gegen sie 1675 einen Sieg u. vertrieb sie. 1676 wurde er mit 10,000 Mann im Lager von Zurawno von 80,000 Türken eingeschlossen, er vertheidigte sich aber so gut, daß ein billiger Friede zu Staude kam. Nun erst ließ er sich krönen. Durch seine Gemahlin, Marie Casimire Luise geb. Marquise Legrange d'Arquien, bewogen, war Johann III. dem französischen Interesse ergeben, bis die Königin, durch Ludwig XIV. beleidigt, ihn antrieb, sich mit Österreich zu verbinden. In Folge hiervon zog er, als 1683 die Türken Wien belagerten, dem Kaiser mit 20,000 Polen zu Hülfe u. entsetzte in Verbindung mit den Deutschen die Hauptstadt durch den Sieg 12. Sept. 1683. Nun zog er gegen die Türken, konnte aber, ohne Unterstützung gelassen, die P. früher entrissenen Gebiete nicht wieder zurückgewinnen. In dem Frieden mit Rußland 1686 bestätigte er die Abtretungen seines Vorgängers an dies Reich. Zuletzt verlor er wegen der Ränke seiner Gemahlin die Liebe der Polen u. st. nach manchen Kränkungen 17. Juni 1696.

Nachdem Tode Johanns III. machte Ludwig XIV. große Anstrengungen, um die Wahl auf den Prinz von Conti zu leiten, u. dieser war so nahe daran gewählt zu werden, daß er schon mit einer französischen Flotte bis nach Danzig kam. Aber sein Nebenbuhler, der Kurfürst August II. von Sachsen trug doch den Sieg davon; er hatte nicht allein die Summe von 10 Millionen Thaler an die Wähler richtig bezahlt, sondern war auch bes. deshalb zur Römischen Kirche übergetreten u. hatte in der Wahlcapitulation versprochen, die ehemals zu P. gehörigen Länder wieder zurückzuerobern; so wurde er 29. Juni 1697 gewählt u. 15. Septbr. in Krakau gekrönt. Er drang sofort in das damals türkische Podolien ein, u. da die Pforte im Kriege gegen Österreich unglücklich war, so erlangte P. 1699 im Frieden zu Karlowitz Podolien mit der Festung Kaminiec zurück. August hatte ferner mit Rußland u. Dänemark ein Bündniß gegen Schweden geschlossen, um Livland wieder zu gewinnen, der Reichstag versagte ihm aber allen Beistand dazu, u. König Karl XII. von Schweden zwang den König von Dänemark schnell zum Frieden von Travendal (18. Aug. 1700), besiegte den Czar Peter den Großen bei Narwa u. schlug die Sachsen bei Klissow (20. Juli 1702) u. Pultusk (1. Mai 1703), eroberte Warschau u. ließ nun durch einen polnischen Reichstag 14. Febr. 1704 den Thron für erledigt erklären, worauf 12. Juli Stanislaw Leszczynski, Wojwode von Posen, zum König von P. erwählt wurde. Zwar suchte die Conföderation zu Sandomir die Absetzung Augusts zu hindern, aber Karl XII. trieb August nach Sachsen u. zwang ihn 1706 in dem Frieden zu Altranstädt der polnischen Krone zu entsagen u. Stanislaw Leszczynski als König von P. anzuerkennen. Aber nach der Vernichtung des schwedischen Heeres bei Pultawa 1709 kehrte August nach P. zurück, u. Stanislaw entfloh. Über alles dies s. u. Nordischer Krieg. August II. verband sich nun wieder mit Peter dem Großen gegen Schweden u. führte den Krieg bis zum Waffenstillstand von 1719, welcher 1732 in einen Frieden verwandelt wurde. Der Adel fuhr indessen fort, sich zu befehden, u. gegen die sächsischen Truppen kam es zu einer Conföderation unter Ledekuski. Die Sachsen u. Polen waren einander gram u. bekämpften sich, bis 1716 in Folge des Warschauer Vertrags die sächsischen Truppen P. verließen. Das Hauptbestreben Augusts II., die königliche Macht zu erweitern u. die Krone, mit Abtretung eines Theils von P. an Rußland, erblich an sein Haus zu bringen, glückte ihm aber nicht. Die Dissidenten im Lande ließ der König durch die von ihm begünstigten Jesuiten verfolgen, u. sie wurden seit 1717 in ihren Rechten sehr beschränkt, 7. Dec. 1724 das Blutgericht in Thorn (s.d.) über sie verhängt u. sie auf den Reichstagen 1733 u. 1736 von allen öffentlichen Ämtern u. von der Wählbarkeit zu Landboten ausgeschlossen. Des Königs Prachtliebe verleitete die Polen zur Nachahmung, u. nun wurde Verschwendung herrschend u. beschleunigte den Untergang P-s. August II. st 1. Febr. 1733 in Warschau. Jetzt machte Stanislaw Leszczynski, von Frankreich unterstützt, abermals Anspruch auf den polnischen Thron, aber durch Rußlands Einfluß wurde August III., Augusts II. Sohn u. Nachfolger im Kurfürstenthum Sachsen, 3. Oct. 1733 zum König gewählt (aber erst 1736 im Warschauer Friedenscongreß[257] allgemein anerkannt). Stanislaw Leszczynski, von Rußlands Heeren verfolgt, mußte nach Danzig, u. da dies von den Russen belagert wurde, von da nach Frankreich entfliehen; über den dadurch erregten Krieg in Italien u. Deutschland s. Polnischer Thronfolgekrieg. Der Antritt der Regierung des prachtliebenden u. sinnlichen August III. wurde durch die fortgesetzten Verfolgungen der Dissidenten bezeichnet, was nicht nur innere Unruhen veranlaßte, sondern auch Rußland den Vorwand gab, sich in P-s Angelegenheiten zu mischen. Die inneren Gährungen u. Unruhen dauerten, trotz des einzigen erfolglosen Pacisicationsreichstages 1736, fort, u. als die Russen in dem Türkenkriege 1738 u. 1739 durch die Ukraine u. Podolien u. im Siebenjährigen Kriege gegen Preußen durch ganz P. zogen, hielten sie es nicht für nöthig der polnischen Regierung davon eine Anzeige zu machen. Auch Friedrich II. von Preußen überschritt mehrmals die polnische Grenze u. ließ ohne Weiteres die polnischen Unterthanen, welche ihn beleidigt hatten, aufheben u. fortführen. Der König August kam selten nach P., nur als sich im Siebenjährigen Kriege seine Truppen im Lager bei Pirna 14. Oct. 1756 den Preußen ergeben mußten, u. diese Sachsen besetzten, nahm er seine Zuflucht nach P., wo indeß sein Ansehen sehr gesunken war, u. kehrte erst nach dem Hubertusburger Frieden 1763 in sein Erbland zurück, starb aber bereits 5. Oct. desselben Jahres.

Mehre Bewerber um die Krone traten nun auf, aber die Kaiserin Katharina II. von Rußland, welche den größten Einfluß auf P. übte, hatte erklärt, daß nur ein geborner Pole König werden solle. Viele Polen waren ihr beigetreten, u. allgemein bezeichnete man Stanislaw Poniatowski, einen Neffen Czartoryiskis u. mit den Branickis verschwägert u. Günstling der Kaiserin Katharina, als den zu Erhebenden; Mitbewerber waren Michael Oginski, der Kronfeldherr Branicki u. Fürst Radziwill. Österreich, Frankreich u. die westlichen Provinzen P-s wollten auch Fremde zur Königswahl zugelassen wissen. dem jungen Kurfürsten von Sachsen, Friedrich Christian, die Krone verschaffen, u. schon fing diese Partei an der russischen Vortheile abzugewinnen, als der Kurfürst den 17. December 1763 starb, sein Sohn Friedrich August war aber zu jung, als daß man ihm die Krone antragen konnte, u. Intriguen verhinderten, daß man einen andern sächsischen Prinzen wählbar erklärte. Da ließ Rußland ein Truppencorps unter Repnin, angeblich um die polnische Wahlfreiheit zu erhalten, in P. einrücken u. Warschau besetzen, u. eine russische Compagnie begleitete Poniatowski als Leibwache bei Eröffnung des Reichstags am 7. Mai 1764 bis an den Sitzungssaal. Zwar war Branicki u. Radziwill auch mit starken Bedeckungen in Warschau erschienen, allein ihre Partei war weit schwächer als die der Gegner. Doch mußten vor Eröffnung des Reichstag die russischen Truppen u. die bewaffneten Polen die Stadt verlassen. Der Reichstag selbst hatte für die sächsische Partei kein günstiges Resultat; er entsetzte Branicki seiner Kronfeldherrnwürde, welche an August Czartoryiski gegeben ward, u. trat der Conföderation von Wilna vom 8. April bei, welche die Radziwills ihrer Güter beraubte. Der Bürgerkrieg brach nun aus; Branicki, welcher sich auf Poniatowskis Seite gewendet hatte, wurde aber bei Sandomir gedrängt, dagegen schlug Mokronowski die Russen. Karl Radziwill hatte bei Biala 3000 Mann versammelt, um sich der Confiscation seiner Güter zu widersetzen, u. schlug seine Gegner bei Slonin, mußte aber dann auf türkisches Gebiet flüchten. Vergebens reiste Mokronowski nach Berlin, um Friedrich II. für Polen zu gewinnen, der König verweigerte seinen Beistand gegen Rußland u. erfüllte auch ihre Bitte, ihnen seinen Bruder, den Prinzen Heinrich, zum König zu geben, nicht. Auf dem Wahlreichstage wurde nun Stanislaw II. August Poniatowski am 7. September 1764 zum König erwählt. Im Anfang beherrschten ihn seine Oheime, die Czartoryiskis, ganz. Sie wollten Rußland u. Preußen durch Zuvorkommenheit hintergehen, deshalb den Dissidenten auf dem Reichstage von 1764 zu ihren von beiden Staaten geforderten Rechten verhelfen, die Anarchie unterdrücken, die Constitution befestigen u. verbessern. Aber Friedrich II. u. Katharina II. sahen mit Mißfallen diese Fortschritte u. bes. Letztere benutzte die wieder beginnende Verfolgung der Dissidenten, welche auch auf dem Reichstage von 1766 keine Erleichterung erhalten konnten, durch den Bischof von Krakau, Soltyk, u. nahm sich derselben entschiedener als früher an u. widersetzte sich zugleich der Abschaffung des Liberum veto, sowie überhaupt den Maßregeln der offen ihr Haupt erhebenden Partei der Czartoryiskis. Friedrich II., verletzt durch den. Plan des Königs, sich mit einer Erzherzogin von Österreich zu vermählen, drohte 12,000 Mann in Polen einrücken zu lassen. Allerhand demüthigende Maßregeln folgten, u. der Reichstag endigte mit halben Maßregeln u. befriedigte keine Partei. Katharina ließ daher neue 40,000 Mann Russen in Polen einrücken u. unter ihrem Schutz eine Lithauische Conföderation, Fürst Karl Radziwill an der Spitze, am 15. Mai zu Radom bilden. Eine andere protestantische Conföderation unter dem Starosten Golz entstand, geschützt von 2000 M. Russen, zu Thorn; beide beabsichtigten, den König mit Hülfe der Russen zu entthronen, Gleiches der Kronreferendär Potocki, des Königs Feind, später nach Lubinskis Tode Primas von Polen. Da beschloß der schwache König, sich dem Willen Katharinens hinsichtlich der Dissidenten zu fügen. Er schloß sich daher den 5. October 1767 der Lithauischen Conföderation an u. erhob dieselbe so zu einer Generalconföderation, wohnte dem von ihr. berufenen Reichstage bei u. benachrichtigte den russischen Commandanten Repnin von Allem, was die Patrioten gegen ihn gesprochen, u. Repnin ließ die Güter der Widerspenstigen einziehen u. sie selbst nach Sibirien bringen. Der Reichstag wurde in einen Ausschuß von 16 Deputirten verwandelt u. den 5. Mai 1768 wieder geschlossen; die Dissidenten hatten ihre frühern Rechte durch die Toleranzacte vom 19. Nov. 1767 größtentheils wieder erhalten, das abgeschaffte Liberum veto war wieder hergestellt u. P. ward durch den sogen. Freundschaftstractat vom 28. Februar 1768, worin Rußland als Bürge für die polnische Verfassung anerkannt wurde, völlig unter dessen Vormundschaft gestellt. Dagegen bildeten nun sogleich Franz Potocki u. dessen politische Freunde die Conföderation von Bar, u. ähnliche Conföderationen wurden zu Lublin, Halicz u. Krakau geschlossen, sämmtlich gegen den russischen Einfluß auf den König. Schnell wuchs die Conföderation zu Bar auf 800 M. u. erhielt von der Pforte Unterstützung zugesagt; dagegen ließ Repnin 12,000 Russen in die Ukraine einrücken,[258] welche die Conföderirten überraschten u. Benjowski mit mehrern Offizieren singen u. nach Sibirien schickten. Obgleich überall neue Konföderationen entstanden, so konnten sich die Polen im Felde nicht halten; Potocki, welchem Pulawski, der bisherige Feldherr der Conföderation, den Oberbefehl abgetreten hatte, wurde von den Russen geschlagen, u. mit Mühe hielt sich Branicki in Podolien; Bar, Berdyczew, u. 19. August 1768 Krakau, gingen verloren. Da erfolgte wegen Verletzung der türkischen Grenze im Juni 1768 durch die Russen den 4. Oct. 1768 eine Kriegserklärung der Türken an Rußland u. gab den Conföderirten, so wie die geheime Unterstützung durch Österreich u. Frankreich, neue Hoffnung. Indessen gewährte. der Türkenkrieg den Conföderirten nicht genug Hülfe, denn der Großvezier wollte sich nicht auf unmittelbare Hülfsleistung einlassen; die Russen, welche jetzt nach Abberufung Repnins unter dem Oberbefehl Wolkowskis standen, drangen immer weiter in der Moldau vor u. nahmen in P. nach u. nach fast alle Festungen. Dagegen durchzogen die Conföderirten als Parteigänger das ganze platte Land u. überrumpelten fast Warschau in der Nacht vom 12. auf den 13. Februar 1770, Kasimir Pulawski eilte nach dem Verlust Czenstochau's nach Lithauen, um dort das Land zu insurgiren. Die Conföderation erklärte, als alle Mittel, den König zu sich herüberzuziehen, vergebens waren, den 9. April 1770 den Thron für erledigt. Mittlerweile dauerte der Parteigängerkrieg in Lithauen, am Fuße der Karpathen u. in Kurland fort, u. Rußlands Angelegenheiten kamen nicht weiter, deshalb wurde Wolkowski durch Saldern im Oberbefehl ersetzt. Es hatte sich aus den Gemäßigten jeder Partei in Warschau unter Oginski ein patriotischer Verein gebildet, welcher die Parteien zu versöhnen strebte. Diesen zerstörte Saldern, verfuhr mit Übermuth gegen den König, mit Strenge gegen die Polen u. versuchte ihren Conföderationsrath zu Biala bei Krakau aufheben zu lassen. Letzteres bewog Einige unter ihnen es zu versuchen, den König Stanislaw August mitten aus Warschau, welches die Russen einstweilen verlassen hatten, zu entführen u. in die Hände Kasimir Pulawskis zu liefern. Am Abend des 3. Nov. 1771 wurde der Plan auch glücklich ausgeführt, der König aber von Kosinski wieder in den Palast zurückgebracht. Dieser Entführungsversuch wurde als ein Attentat auf das Lebendes Königs betrachtet, in dem royalistischen Europa allgemein gemißbilligt u. schadete den Conföderirten sehr, obgleich die Theilnehmer größtentheils geächtet u. unter ihnen Lukaski hingerichtet wurde. Das Jahr 1771 u. die Hälfte des Jahrs 1772 verstrichen, ohne daß etwas Bedeutendes in P. vorfiel, nur Krakau wurde den Russen entrissen, jedoch bald wieder von ihnen genommen, worauf sich die Conföderirten, nachdem sie auch noch Czenstochau, Landskron u. Tyrmel verloren hatten, zerstreuten.

Schon seit 1764 hatte sich das Gerücht verbreitet, daß die drei Nachbarn P-s, Rußland, Preußen u. Österreich, die geheime Absicht hätten, Stücken von P. loszureißen u. mit ihren Staaten zu vereinigen. Nachdem diese drei Staaten sich darüber verständigt hatten, begann Österreich die 1412 von Ungarn verpfändeten Zipser Städte als zu diesem Lande gehörig, im Juli 1770 wieder zu beanspruchen, worauf Preußen u. Rußland, unter dem Vorgeben, daß ansteckende Krankheiten in P. herrschten, Truppengrenzcordons an den Grenzen ziehen ließ. Preußen brachte zugleich sein Recht auf das Gebiet von Marienwerder zur Sprache u. besetzte dasselbe noch 1770, Danzig wurde mit Artillerie bedroht u. andere Eingriffe in die polnischen Rechte gethan, bis endlich am 3. Aug. 1772 der Tractat zu Petersburg die erste Theilung P-s unterzeichnete. General Stackelberg, welcher zugleich Saldern ersetzte, wurde von Rußland, Reviczky von Österreich u. Benoit von Preußen nach Warschau geschickt, um der Republik die geforderten Abtretungen anzukündigen, u. am 13. Jan. 1773 wurde die Theilung durch ein Manifest bekannt gemacht. Rußland erhielt die Wojwodschaften Witepsk u. Miecislaw, einige Landschaften längs des Dnieprs, etwa 2200 QM. mit 11/2 Mill. Ew.; Österreich das eigentliche Rothrußland, Stücke von Podolien u. von Kleinpolen mit den Salzwerken von Bochnia, 15–1600 QM. mit 21/2 Mill. Ew.; Preußen die Wojwodschaften Marienburg, Pomerellen, Kulm u. Ermeland, 700 QM. mit 900,000 Ew. Im Ganzen verlor P. über 4000 QM., u. nur 10,000 QM. mit 8 Mill. Ew. blieben ihm. Ein am 19. April 1773 zusammengerufener Reichstag wurde erst gezwungen, sich zu einer Conföderation zu gestalten u. sodann seine Rechte einem Ausschusse zu übertragen, welcher endlich im August, durch allerlei Bedrückungen genöthigt, den Theilungsvertrag annahm, worin ihm dann der wiederversammelte Reichstag am 18. Sept. nachfolgte. Jetzt da der Zweck erreicht war, gedachten weder Rußland noch Preußen der Dissidenten mehr, u. der Reichstag schaltete nach Willkür mit ihnen. Zugleich wurde die Kronarmee auf 16,000 Mann u. das königliche Einkommen auf 1,266,000 Thlr. festgesetzt u. ein beständiger Reichsrath, aus 40 Personen bestehend, errichtet u. in vier Geschäftskreise getheilt.

P. war nun nur noch ein Staat zweiten Ranges, u. Einigkeit, Energie u. Anschließen an irgend eine, seiner fernern Integrität sich annehmende Macht konnte es wohl erhalten. Die polnischen Großen, namentlich die Czartoryiskis, begriffen dies wohl, u. bes. schien Preußen jenen Schutz übernehmen zu wollen. Bei Gelegenheit einer, P. von Rußland u. Österreich 1788 gebotnen Allianz behufs eines Kriegs gegen die Türkei, bot der König Friedrich Wilhelm von Preußen, welcher sich vor Kurzem mit England u. Holland zur Erhaltung der Unabhängigkeit P-s verbunden hatte u. jetzt die Pläne Katharinens II. auf jede Weise zu vereiteln suchte, seine Allianz der Republik an, welche bereits die Allianz mit Rußland abgelehnt hatte, u. ließ 30,000 Mann an die polnische Grenze rücken, verlangte aber fortwährend Danzig u. Thorn. Begierig ergriffen die Polen die Aussicht auf Hülfe. Am 3. Nov. 1788 wurde durch den Reichstag die Vermehrung der Kronarmee auf 100,600 Mann beschlossen (Finanzrücksichten ließen diese Zahl später auf 65,000 Mann feststellen) u. die bisherige anarchische Regierungsform für aufgehoben erklärt. Sogleich erklärte aber Rußland daß es die Abänderung der Verfassung als einen Bruch der frühern Verträge ansehe, Preußen aber verhieß seine Unterstützung. Hierdurch ermuthigt, verfolgte der Reichstag seine Pläne. Eine neue Constitution sollte entworfen werden, der Reichstag sich dem Gesetz entgegen, welches die Dauer desselben über zwei Jahre hinaus verbot, für so lange dauernd erklären, bis die Arbeiten hierzu beendigt wären, u. später die Zahl der Mitglieder bis auf 600[259] vermehrt werden, die Bürger der Städte erhielten das Staatsbürgerrecht u. eine neue Verfassung u. die Kreistage wurden neu organisirt. Ein Offensiv- u. Defensivbündniß mit der Pforte am 30. März 1790, ein Handels- u. Defensivtractat mit Preußen wurden geschlossen u. Alles war im guten Gange: da trat plötzlich König Stanislaw Poniatowski in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1791 in dem Reichstage auf die Partei der Patrioten über, genehmigte die vom Reichstage entworfene liberale Constitution, u. den 3. Mai wurde diese proclamirt u. beschworen. So kam die Constitution vom 3. Mai 1791 zu Stande, welche eine regelmäßige Regierungsform feststellte. Das Liberum veto wurde, sowie die Conföderationen, auf immer abgeschafft, der Thron für erblich erklärt u. dem Kurhause Sachsen bestimmt. Die Gesetzgebende Gewalt kam durch diese Constitution den Landboten u. dem Senat, letzterm unter Vorsitz des Königs, zugleich zu, der König hatte die Executivgewalt u. den Oberbefehl über die Armee, ihm waren sieben verantwortliche Minister beigegeben; die Deputirten wurden auf zwei Jahr gewählt; der Bürgerstand erhielt wesentliche Rechte, die Bauern namhafte Erleichterungen; die Katholische Religion war die herrschende, doch war den Dissidenten freie Religionsübung gestattet. Diese Constitution erhielt die Billigung von fast ganz P., u. auch der Kurfürst Friedrich August von Sachsen willigte darnach in die Annahme der Krone unter der Bedingung, daß einige Punkte der Constitution geändert u. dieselbe von allen Großmächten anerkannt würde. Gegen Rußland waren die letzten Vorgänge so gut als eine Kriegserklärung. Die russische Partei, bes. der Adel der südlichen Provinzen, Felix Potocki, Branicki u. Rzewucki an der Spitze, verließ den Reichstag u. vereinigte sich 14. Mai 1792, trotz dem Verbote, zur Conföderation zu Targowice u. machte bekannt, daß sie die Constitution, bes. die Erblichkeit des Throns, den verlängerten Reichstag u. die beschränkten Adelsrechte, so wie die Einführung neuer Gesetze über Religionssachen nicht anerkenne. Gegen diese Partei u. gegen die Kaiserin Katharina II., welche sich für dieselbe erklärte u. eine Kriegsmacht gegen P. sandte, gingen nun die Patrioten den König von Preußen um Hülfe an, allein zu Berlin hatte die Weigerung der Polen, Danzig abzutreten, Kälte erregt, u. die Französische Revolution hatte die Aufmerksamkeit nach einer anderen Seite hin. gewendet. Daher antwortete Preußen, wie auch Österreich, daß, da sich P. ohne ihr Wissen u. Mitwirkung eine Constitution gegeben habe, sie sich nicht verbunden glaubten, P. zu unterstützen, u. auch die Pforte ließ P. im Stich. An der preußischen u. österreichischen Grenze aber wurden Cordons aufgestellt. P. stand nun verlassen; zwar erscholl ein Aufruf zur allgemeinen Erhebung durchs Land, auch der König entwickelte Anfangs große Thätigkeit, fiel aber bald in seine Trägheit zurück u. befahl seinem Neffen, Joseph Poniatowski, welcher in der Ukraine befehligte, sich vor den Russen von Stellung zu Stellung zurückzuziehn.

Der Krieg Rußlands gegen P. begann. Der russische General Kachowski fiel am 19. Mai 1792 mit 40,000 Mann u. ein anderes Corps unter Kossakowski in Lithauen ein. Fast nirgends hielten die Polen gegen Kachowski Stand, zeigten aber, wo dies geschah, die alte Tapferkeit: Das wichtigste Gefecht war zwischen Zaslaw u. Szegetowka am 17. Juni, wo General Wilohorski u. Lubomirski geschlagen wurden. Am Bug hatte sich den 17. Juli Kosciuszko mit 4000 Mann bei Dubienka, dicht an der galizischen Grenze, aufgestellt u. wehrte sich gegen 16,000 Russen, wurde aber endlich zum Rückzug gezwungen. Auch in Lithauen wurden die Polen 10. Juni bei Nyswicz geschlagen u. Wilna u. Grodno von den Russen genommen. Unter solchen Umständen wendete sich der König am 22. Juni an Katharina II. wegen des Friedens u. erhielt denselben unter der Bedingung, daß er sich von der Constitution vom 3. Mai lossagte u. der Targowicer Conföderation beiträte. Der König fügte sich am 23. Juli in den Willen der Kaiserin u. er, sein Bruder, der Primas Polens u. A. unterzeichneten die Reconföderation. Ein Waffenstillstand mit den Russen wurde geschlossen. Fürst Joseph Poniatowski übergab 29. Juli den Oberbefehl über das ukrainische Heer an Branicki. Ein großer Theil des Adels erkannte die Targowicer Conföderation an, u. am 4. August besetzten die Russen unter Kossakowski Praga u. im November Warschau selbst, der Reichstag aber löste sich auf. Die vollständigste Contrerevolution trat nun ein, Alles wurde auf den Fuß wie vor 1788 gesetzt, Alles was der Reichstag seitdem beschlossen hatte, widerrufen, die Targowicer Conföderirten begünstigt, die Polizei geschärft, die politischen Clubs untersagt, die Preßfreiheit sehr eingeschränkt, der französische Gesandte aus Warschau verwiesen etc. Am 8. Sept. 1792 vereinigten sich die Targowizer u. die Lithauische gegen die Constitution vom 3. Mai gerichtete Conföderation zu einer Generalconföderation zu Brzees Litewski, man fügte sich in dem Willen Katharinens, einen neuen Reichstag in Grodno im Novbr. zusammenzuberufen. Derselbe bestand blos aus den Targowicer Conföderirten u. deren Anhängern, erst später wurden Deputirte der Städte zugelassen. Der Reichstag beschäftigte sich vornehmlich mit dem Entwurf einer Constitution. Während dieses Reichstags nun übergab der preußische Gesandte am 16. Jan. eine Erklärung seines Hofs, worin dieser die Nothwendigkeit erklärte, wegen der herrschenden jacobinistischen Stimmung P. während des Kampfs mit Frankreich zur Sicherung des Rückens zu besetzen, u. 15,000 M. Preußen unter Möllendorf rückten am 24. Jan. wirklich ein, besetzten Thorn, Czenstochau u. am 27. März das seit 1773 schon mit preußischem Gebiet umschlossene Danzig u. rückten langsam gegen Warschau vor. Bald belehrten die Maßregeln, welche von dem russischen Commandanten Igelström in Warschau u. dem russischen Gesandten Sievers gegen jede Abwehr dieses Einfalls getroffen wurden, daß eine zweite Theilung P-s bevorstehe. Vergebens eilte Felix Potocki nach Petersburg, vergebens wendete die Republik sich an England u. Holland; Preußen nahm durch Erklärung vom 25. März 1793 die Wojwodschaften Posen, Gnesen, Kalisch, Sieradien, Stadt u. Kloster Czenstochau, die Länder Wielun u. Dobrzyn, die Wojwodschaften Lenczyc, Rawa u. Plock, Kujavien u. die Städte Danzig u. Thorn (1061 QM. u. 3,011,700 Ew.) in Besitz, welche es außer der zu Westpreußen geschlagenen Provinz zu einer neuen in Südpreußen verband. Am 7. u. 9. April nahm Rußland alles Land östlich einer von der Colonie Drui am linken Ufer der Düna in dem äußersten südöstlichen Winkel von Semgallen, über Noracz, Dubrowa, längs den Grenzen der Wojwodschaft Wilna über Stolpce[260] bis Njeswiez u. Pinsk, von da weiter über Kamen, zwischen Wyszogrod u. Nowa-Grobla u. längs diesen bis zum Dniester, u. an diesem fort bis Joorlick (4553 QM., 3,011,688 Ew.) gezogenen Linie in Besitz. P. behielt nur 4016 QM. u. 3,153,600 Ew. Wie sehr auch der Reichstag dagegen protestirte, mußte er doch die neue Theilung anerkennen u. dies am 22. Juli in einem Frieden mit Preußen zuletzt, nachdem der Versammlungssaal mit Kanonen umstellt worden war, aussprechen. Österreich ging für diesmal ohne Ländergewinn aus, wahrscheinlich aber sicherten ihm geheime Verträge mit Rußland u. Preußen für die Zukunft Entschädigungen zu. Allen Franzosen wurde nun der Eintritt in P. versagt, von allen in P. anwesenden Franzosen der polnische Unterthaneneid verlangt, die polnische Armee auf 16,000 Mann herabgesetzt u. alle übrigen Truppen entlassen, die verabschiedeten 20,000 M. wurden aber sogleich durch die russische u. preußische Armee angeworben. So gedemüthigt, beschloß der Reichstag am 24. Nov. seine Sitzungen, u. der König kehrte nach Warschau zurück, wo der russische Gesandte Sievers durch General Igelström ersetzt wurde.

Die Patrioten gaben indessen ihre Hoffnungen noch keineswegs auf; sie machten geheime Verbindungen, deren Centralpunkt Warschau wurde u. deren Hauptführer Ignaz Potocki, Kolontay, Wodzicki u. A. waren. Das Tragen rother Mützen u. polnischer Cocarden, so wie häufige Brandstiftungen gaben schon die zunehmende Unruhe kund. Endlich veranlaßte der auf Igelstroms Drängen an den Brigadier Madalinski erlassene Befehl, seine Brigade wegen der versprochenen Verminderung der Armee zu entlassen, den Ausbruch der Insurrection. Mitte März 1794 verließ nämlich Madalinski mit seiner Brigade Cavallerie von 1800 Mann u. durch mehre Abtheilungen Infanterie u. durch Unzufriedene verstärkt, Pultusk u. drang gegen Krakau vor. Kosciuszko, welcher zum Haupte der Verschwörung gewählt worden, aber um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, nach Italien gegangen war, eilte von dort nach Krakau, welches die russische Garnison so eben, um Madalinski entgegenzurücken, größtentheils verlassen hatte; Bürger u. polnische Besatzung erhoben sich, vertrieben die wenigen Zurückgebliebenen u. riefen Kosciuszkoam 27. März zum Dictator aus. Auch Madalinski, dessen Schaar auf 3000 Mann gewachsen war, kam nach Krakau. Diese Nachricht fand die meisten Polen bei den Kreislandtagen, um den künftigen Reichstag vorzubereiten. Allgemein fand der Aufstand Anklang. u. Igelström concentrirte daher die russische Macht bei Warschau. Kosciuszko organisirte indessen die polnische Insurrection von Krakau aus.

Der Aufstand verbreitete sich schnell über ganz P., die Russen zählten in P. nicht viel über 20,000 Mann, 6–8000 Mann brauchte Igelström, nm Warschau zu bewachen, andere Städte bedurften auch Besatzung, u. kaum 7000 Mann unter Denisow konnten daher dem an der Weichsel rasch manoeuvrirenden Madalinski folgen u. strebten, vom General Tormassow u. 2000 Mann der Garnison von Lublin verstärkt, den Aufruhr zu unterdrücken. Auch die Preußen rückten nach Polen ein, u. ein Corps kam bis wenige Stunden von Warschau, ein anderes ging unter General Schwerin gegen Krakau u. Sandomir. Rasch rückte nun Kosciuszko den Anssen unter Denisow u. Tormassow entgegen u. schlug dieselben 4. April 1794 bei Raclawice. Diese Schlacht elektrisirte ganz Polen, bes. aber Warschau, u. Igelström ließ den 16. April viele Verdächtige verhaften. In der Nacht vom 16. auf den 17. April brach der Aufstand in Warschau aus; das Militär gab das Signal, die Trommeln wirbelten u. die Sturmglocken tönten; Stabsoffiziere der polnischen Regimenter wurden verhaftet, die Russen aber, welche sich sammeln wollten, einzeln niedergemacht. Die polnische Garde zu Pferde griff die hinter dem sächsischen Palais aufgestellten Russen an u. warf diese u. überall wurden die Russen zurückgedrängt, das Zeughaus, wo man 213 Kanonen fand, erstürmt, das Volk bewaffnet, Fürst Gagarin mit 800 Mann niedergemacht, eben so viele russische Offiziere, das von einem Bataillon vertheidigte Igelströmische Palais, welches sich zwei Tage hielt u. wo der Rest der Besatzung durch Hinterthüren nach der Stadtmauer u. von da ins Freie entkam, wurde angegriffen, die Besatzung des sächsischen Palais aber, als dies in Brand gerieth, niedergemacht. Igelström selbst war während des Gefechtes aus seinem Palast nach dem Krasinskischen Palais u. von da zu den Preußen geflohen. General Novicki hatte sich mit 2000 Mann gleich beim Beginnen des Aufstandes aus Warschau gezogen u. bei Mágnászew aufgestellt; 2000 Preußen rückten zwar, um die Russen zu unterstützen, bis an die Warschauer Barrieren vor, zogen sich aber, als sie diese besetzt fanden u. die Allgemeinheit des Aufstandes sahen, wieder zurück Am 18. April Abends war der Kampf beendet, vier Generale u. 2263 Russen, viele erst den 19., bei Durchsuchung der Häuser, waren getödtet, 2000 Mann gefangen, 400 verwundet. Der preußische Gesandte Buchholz war verhaftet u. wurde erst später freigelassen. Gleich nach der Vertreibung der Russen aus Warschau wurde die Constitution von 1791 von Neuem unterzeichnet u. ein Revolutionstribunal errichtet, welches auch sogleich den Bischof Kossakowski, den Großfeldherrn Ozarowski, den Unterfeldherrn Zabiello u. den Grafen Ankwicz einziehen u. am 9. Mai hängen ließ. Warschau wurde befestigt. Auch in Wilna war am 19. April der Aufruhr losgebrochen u. die russische Besatzung unter Arseniew niedergemacht od. gefangen worden, das errichtete Revolutionsgericht ließ hier den lithauischen Feldherrn Kossakowski am 21. hängen. In Grodno entging der General Fürst Sicjanow diesem Schicksal, indem er sich aus der Stadt zog. Kosciuszko wurde nun als Oberfeldherr u. Dictator anerkannt u. ihm die Ausübung der höchsten Gewalt übertragen. Der König wurde gar nicht beachtet. Ein Aufruf Kosciuszkos an alle Polen von 15–50 Jahren, sich zu waffnen u. zum Heere zu stoßen, mehrte dasselbe, welches schon vor der Warschauer Revolution 8000 Mann Linientruppen, welche übergetreten waren, 5000 berittene Edelleute u. 14,000 Sensenträger zählte, bis 70,000 Mann. Ernstlich widerstrebte Kosciuszko dabei allem Jacobinismus u. den Clubs, ein provisorisches oberstes Nationalconseil wurde errichtet, welches aus acht Mitgliedern bestand.

Aber allenthalben rückten nun die Feinde gegen P. heran. 60,000 Russen unter Repnin standen in Südpolen u. anderen Grenzen bereit dort einzufallen u. Suwarow zog mit der Armee, welche gegen die Türken gefochten hatte, heran; 15–20,000 Mann Österreicher bedrohten an der galizischen [261] Grenze P.; vom Westen her zogen 54,000 Mann Preußen, 11,000 Preußen standen außerdem zur Deckung der Grenzen bereit. Kosciuszko stand mit seinem Hauptcorps zwischen Polanize u. Opatow im Sandomirschen, rückte gegen die vereinte preußisch-russische Armee, wurde aber den 6. Juni bei Sezekoeln geschlagen u. zog sich nach Radom; Krakau ergab sich nach der ersten Aufforderung. Kosciuszko zog nun von Radom nach Warschau, dahin folgten die Preußen, sowie auch von der Südseite die Russen unter General Derfelden u. Fürst Repnin aus Lithauen gegen die Hauptstadt vorrückten. In der Stadt aber brach unterdessen ein furchtbarer Aufstand gegen das Revolutionstribunal aus. Am 27. Juni Abends regte ein Demagog, Kanoska, das Volk durch stürmische Reden auf, das Volk errichtete Galgen, brach die Gefängnisse auf, hängte acht Personen, worunter der Geheime Rath von Boskamp, der Fürst Czetwertinski u. der Bischof von Wilna, Fürst Massalski waren, auf u. ließ sich nur mit Mühe von weiteren Gräueln abhalten. Kosciuszko ließ dagegen 1500 der Schuldigsten zur Armee abgehen, ja sieben der Rädelsführer hängen.

Nun begann die Belagerung von Warschau. Die Preußen hatten den linken Flügel u. das Centrum, die Russen unter Fersen den rechten gedeckt. Am 26. Juli wurde das preußische Lager bis gegen Wola vorgeschoben, am 27. die wichtige Kreuzschanze bei Wola genommen u. die erste Parallele beim Dorfe Wola in einer Entfernung von 1500–2000 Schritten angelegt. Aber durch Krankheit, üble Witterung, Mangel u. Desertion schmolz das preußische Heer auf 25,000 Mann herab. Nun bemächtigten sich die Polen einiger Höhen, welche die preußischen Parallelen flankirten, u. beschossen diese; aber am 26. Aug. nahmen die Preußen diese Höhen wieder, weshalb Joseph Poniatowski, welcher dort befehligte, sein Commando an Dombrowski abtreten mußte. Am 28. August erfolgte ein allgemeiner Sturm, wobei die Polen ihre Stellung behaupteten, u. da den Belagerern die Munition zu mangeln begann u. sich in ihrem Rücken Aufstände zeigten u. der Castellan von Kujavien einen großen Theil Munitionstransport bei Wroclawek nahm, wurde die Belagerung in eine Blockade verwandelt, u. am 6. Sept. begann der Rückzug. War Warschau nun auch von den Preußen befreit, so nahten doch von Süd u. Ost neue Feinde. Österreich hatte nämlich die Einnahme von Krakau durch die Preußen mit eifersüchtigen Blicken gesehen, u. um bei der Theilung nicht zu kurz zu kommen, ließ es 17,000 Mann über Lublin u. Brody in Polen einrücken u. Sandomir, Krakau, Lublin u. Chelm besetzen; später zogen sie sich mehr gegen die galizische Grenze. Die Russen hatten bisher ernstlich vorzudringen gezögert, da sie im Nordost die Unruhen in Lithauen zu bekämpfen hatten u. im Süden Suwarow von der türkischen Grenze her erwarteten. Indessen hielt sich hier der Aufstand kaum noch u. die polnischen Generale wagten nichts zu thun. Wilna wurde besetzt u. Lithauen u. Kurland durch eine unter Branicki u. Poninski organisirte Gegenconföderation allmälig gereinigt. Währenddem stand auf dem Hauptkriegsschauplatz der russische General Derfelden mit 12,000 Mann bei Slonim, General Fersen hatte aber mit 8000 Mann den Weichselübergang bewirkt u. suchte sich mit General Derfelden in Verbindung zu setzen. Beide erwarteten den General Suwarow, welcher mit 20,000 Mann aus der Moldau heranzog; sein Vortrab war den 3. Sept. in Dubno u. drängte die Polen vor sich her. Letztere sammelten sich bei Krepzycze, unweit Brzesc am Bug, wo Sierakowski mit 20,000 Polen Stand hielt. Suwarow traf den 17. Sept. in Brzesc ein, warf den 18. die Polen über den Bug zurück, folgte ihnen den 19. über den Fluß u. schlug Sierakowski nochmals. Fersen stand im Begriff sich mit Suwarow zu vereinigen, welcher gerade auf Warschau losging, u. traf Kosciuszko; in der Schlacht erhielt dieser am 10, Octbr. bei Maciejowice, 12 Meilen von Warschau, einen Hieb in den Nacken u. noch zwei Wunden u. mit dem Ruf: Finis Poloniae (Ende Polens)! sank er vom Pferde. Kosacken fanden ihn nach der Schlacht, u. unter der Bedeckung von 3000 Mann wurde er nach Petersburg geführt. Mit ihm wurden die Generale Sierakowski, Kniaziewicz, Kaminski, Senezewicz u. mehre 1000 Mann gefangen, der Rest der Polen floh gegen Warschau. Hier drang die Kriegspartei u. der Pöbel auf Gegenwehr, die Gemäßigteren riethen zu unterhandeln, die Königlichen zur Unterwerfung. Es wurde aber Gegenwehr beschlossen u. General Wawrzewski zum Oberfeldherrn an Kosciuszkos Stelle am 12. Oct. gewählt. Zajonczek unternahm indessen die Befestigung Pragas als Brückenkopf; Fürst Poniatowski, Dombrowski u. Madalinski eilten zur Rettung Warschaus herbei. Doch drangen die Russen überall vor. Mokronowski zog sich von Lithauen nach Praga zurück u. vereinigte sich dort mit Zajonczek; die Russen unter Repnin drängten nach, von Süden rückte aber Fersen an. Am 29. Octbr. war das russische Heer vor Praga versammelt u. forderte vergebens den König u. das polnische Heer zur Ergebung auf. 104 Kanonen u. eine Reihe Erdwerke deckten Praga. Am 2. Nov. rückten drei russische Colonnen gegen Praga u. errichteten drei Batterien, worauf Suwarow den 4. Nov. Morgens 3 Uhr mit 22,000 Mann in sieben Colonnen Praga erstürmte; 13,000 Polen waren niedergehauen, 2000 in der Weichsel ertrunken, 14,680 gefangen, nur 800 unter Zajonczek über die Brücke entkommen. Von den Russen blieben 600 Mann u. 900 wurden verwundet. Ein Theil von Praga brannte ab. Der Widerstand der Patrioten in Warschau war gebrochen, die Bürger drangen in die Mitglieder des Regentschaftsrathes zu unterhandeln. Allein auf Unterhandlungen ließ sich Suwarow nicht ein, u. am 5. Nov. kam die Capitulation von Warschau zu Stande, der zu Folge die Stadt am 8 übergeben ward. Suwarow benahm sich großmüthig. u. entließ einen Theil des Heeres aus der Gefangenschaft. Die alte Ordnung wurde nun unter Suwarows Leitung wieder in Polen eingeführt.

Die Trümmer des polnischen Heeres unter dem Oberfeldherrn Wawrzewski u. alle, welche durch die Revolution compromittirt waren, waren vor dem Einrücken Suwarows aus der Stadt gegangen u. dem Heere zugezogen, welches gegen die Preußen stand, die kaum vier Städte, worunter Posen u. Thorn, in Südpreußen hatten halten können. Madalinski, Dombrowski u. Poniatowski hatten hierzu nicht wenig beigetragen. Als bei Suwarows Anrücken die Polen aus Südpreußen abzogen, wurde der Aufstand allmälig gestillt, Bromberg von Hinrichs, Szekulis Nachfolger, besetzt, der ganze Netzdistrict von den Insurgenten gereinigt, am 26. Oct. der[262] polnische General Karnowski in Magniczewo überwältigt, am 28. Oct Ilinski an der Narew von Schwerin, welcher nach der Heimkehr des Königs Friedrich Wilhelm II. das Obercommando erhalten hatte, geschlagen u. am 1. Nov. 2000 Polen zwischen Wisna u. Sboyne vom Herzog von Holstein-Beck gefangen worden. Im November wurde Schwerin durch General Favrat ersetzt, u. dieser rückte bei Wyczgorod über die Weichsel. Ein anderes preußisches Corps unter Klinkowström griff das Corps Poniatowskis bei Kapimos an u. zersprengte es den 10. Nov., den 12. Nov. aber ein anderes bei Blonie; 7000 Mann ergaben sich den 15. Nov. freiwillig. Ein drittes preußisches Corps unter Kleist folgte aber zugleich mit dem russischen General Denisow der polnischen Armee, welche sich aus Warschau gerettet hatte u. nach dem Sandomirschen zurückzog, u. beide drängten sie so lebhaft, daß schon die Infanterie bei. Opoczno entlassen wurde; mit 6000 Mann Reiter setzte Wawrczewski u. mit ihm Zajonczek, Dombrowski, Miaskowski, Gendrowicz, der Präsident Zakrzewski den Rückzug weiter fort; allein da sie dem preußischen Cordon an der Nidda in die Hände liefen, mußten auch sie sich am 18. Nov. bei Radaczyn ergeben; alle wurden nach Warschau gebracht; Madalinski u. Kolontay entkamen nach Galizien.

Nun war ganz P. überwältigt. Am 9. Januar 1795 verließ der König Stanislaw August die Hauptstadt u. ging nach Grodno, wo er 25. Novbr. d. J. die Krone niederlegte u. dafür einen Jahresgehalt von 200,000 Ducaten erhielt (welche er in Petersburg verzehren mußte, wo er 12. Febr. 1798 starb). Es erfolgte nun die dritte Theilung Polens. Die Russen hatten schon Anfangs 1795 ganz Lithauen an sich genommen, 26. April besetzten sie ganz Kurland; am 5. April besetzten die Österreicher Krakau u. am 9. April die Preußen Warschau. Bei dieser dritten, erst im Oct. 1796 beendigten Theilung erhielt Rußland 2085 QM. mit 1,176,000 Ew., Preußen 997 QM. mit 940,000 Ew. u. Österreich 834 QM. mit 1,038,000 Ew. In den drei Theilungen P-s hatte Preußen Westpreußen, einen Theil von Großpolen, Pomerellen, Ermeland, Samogitien u. einen Theil von Lithauen, Masovien mit der Hauptstadt Warschau (an 2700 QM. mit 21/2 Mill. Ew.) erhalten u. bildete die Provinzen West- u. Südpreußen aus denselben; Österreich hatte Rothrußland, Stücke von Podlachien u. Kleinpolen, nebst Krakau, Lublin, Brzecz u. Chelm (über 2100 QM. mit 5 Mill. Ew.) bekommen u. die Königreiche Galizien u. Ludomerlen errichtet; Rußland aber bekam die Wojwodschaften längs des Dniepers, Livland, Kurland, den größten Theil von Großpolen u. Lithauen, ferner die Ukraine, den größten Theil von Samogitien u. ganz Volhynien (über 8500 QM. mit 41/2 Mill. Ew.) u. theilte seinen Besitz in mehre Gouvernements.

Viele Polen wanderten nach der Zertrümmerung ihres Vaterlandes aus, um für Frankreich zu fechten, in der Hoffnung, mit Frankreichs Hülfe ihr Vaterland herzustellen (s. Polnische Legion). Napoleon schmeichelte ihnen mit dieser Aussicht, um sich ihre Ergebenheit zu erhalten, u. begann die Verwirklichung dieser Hoffnung, als der Krieg von 1806 u. 1807 gegen Preußen ausbrach. Er bediente sich hierzu der im französischen Solde stehenden Polen. Nach dem Siege bei Jena u. Auerstädt 14. Oct. 1806 schickte er Davoust voran nach P., welcher von den Polen freudig empfangen ward, worauf Dombrowski u. Wybicki durch Proclamationen vom 1. Nov. zum Aufstande aufforderten, denen auch reichlich Folge geleistet wurde Die Franzosen waren glücklich in ihren Operationen gegen die Preußen, welche Czenstochau, Lenczyse, Kalisch u. m. Städte verloren. Inzwischen hatte sich in Posen, wo Napoleon am 27. Nov. persönlich angelangt war, eine Conföderation unter Dombrowski gebildet, u. in Kurzem stand ein polnisches Heer von 25,000 M. zu Diensten Napoleons, welcher nun durch Proclamationen, im Namen Kosziuszko's, fortwährend die Wiederherstellung P-s versichern ließ, während er selbst nie ein dahin zielendes Versprechen in seinem Namen gab. Am 28. Nov. wurde Warschau u. am 6. Dec. Thorn von den Franzosen besetzt, worauf der Krieg gegen Preußen u. Rußland bis zum Frieden von Tilsit 7./9. Juli 1807 geführt wurde, s. u. Preußisch-Russischer Krieg gegen Frankreich 1806–1807. In diesem Frieden wurde aber P. nicht wiederhergestellt, sondern aus den Abtretungen polnischer Länder von Preußen das Herzogthum Warschau gebildet u. der König von Sachsen zu dessen erblichem Oberhaupt ernannt, Danzig aber zur Republik erklärt. Das neue Herzogthum begriff ganz Südpreußen, einen Theil von Ostpreußen u. von Westpreußen in sich, wurde in sechs Departements eingetheilt, erhielt eine repräsentative Verfassung mit zwei Kammern, die französische Gerichtsordnung u. Gesetzgebung; die Leibeigenschaft wurde aufgehoben. Der neue Staat mußte 20 Millionen Franken (54 Mill. Thlr.) Nationalgüter zu Schenkungen an Napoleons Feldherrn abtreten, die Conscription wurde eingeführt, die Continentalsperre erstreckte sich auf das Herzogthum u. das Land wurde in Allem wie eine französische Provinz behandelt, namentlich mußte es mehre Regimenter mit nach Spanien senden. Im Kriege 1809 gegen Österreich fiel der Erzherzog Ferdinand mit zwei Armeecorps in das Herzogthum Warschau ein, überwältigte die Polen unter dem Fürsten Poniatowski, zog in Warschau ein u. drang bis gegen Thorn vor. Jedoch die Niederlage der Österreicher in Süddeutschland u. das Anrücken der Russen nöthigte den Erzherzog zum Rückzuge, u. die Polen drangen in Galizien ein u. besetzten selbst Lemberg auf kurze Zeit. Im Frieden zu Schönbrunn 14. Oct. 1809 erhielt das Herzogthum Warschau von Österreich Westgalizien, in Ostgalizien den Zamosker Kreis u. einen Bezirk um Krakau, zusammen 900 QM., so daß es nun 2700 QM. u. 4 Mill. Ew. hatte; s. u. Österreichisch-Französischer Krieg von 1809 Als der Russisch-Französische Krieg von 1812 ausbrach, hofften alle Polen die Wiederherstellung des Königreichs P. Napoleon sandte de Pradt, Erzbischof von Mecheln, nach P., welcher eine Generalconföderation zu Warschau errichtete. Aber der Plan, die russisch-polnischen Provinzen gegen ihre Regierung aufzuwiegeln, gelang nur in einem geringen Grade; dagegen erhob sich das Herzogthum Warschau u. bot alle Kräfte auf, um Napoleon gegen Rußland beizustehen. Da aber dessen Macht in Rußland zertrümmert worden war, überzogen die Russen das Land, welches durch den Rückzug der Franzosen u. ihrer Verbündeten u. durch die Durchzüge der Russen unermeßlich litt.

Auf dem Congreß zu Wien wurde endlich 1815 die Wiederherstellung eines Königreichs[263] P. ausgesprochen, welches aber noch kleiner wurde, als das Herzogthum Warschau, denn dieses mußte von seinem Gebiet den innegehabten Theil von Westpreußen, das Departement Posen großentheils u. einen Theil des Departements Kalisch, zusammen mit 800,000 Einwohnern als Großherzogthum Posen an Preußen, den Tarnopoler Kreis u. die Salzwerke von Wieliczka an Österreich abtreten, auch Krakau mit 234 QM. als einen Freistaat unter Rußlands, Österreichs u. Preußens Schutz anerkennen. Dafür erhielt es den Namen eines Königreichs P., dessen Erbkönig der Kaiser von Rußland ist, u. die Constitution vom 27. Novbr. 1815. Diese Constitution war nach der Constitution von 1791 ausgearbeitet u. gewährte Verantwortlichkeit der Minister, Unabhängigkeit der Justiz, Freiheit der Presse, Repräsentation des Landes durch zwei Kammern, die erste von lebenslang gewählten Senatoren gebildet, die zweite aus 77 Landboten der Provinzen u. 51 städtischen Deputirten. Die Conscription wurde beibehalten, das Heer auf 50,000 Mann festgesetzt u. vom Großfürsten Constantin befehligt, der erste Statthalter wurde General Zajonczek. Am 27. März 1818 begann der erste Reichstag, war jedoch ohne bedeutende Resultate. In den Jahren 1818 u. 1819 wendeten mehre Vorfälle die Gesinnungen des Kaisers dem constitutionellen Princip ab, u. es zeigten sich schon deutliche Zeichen der Mißstimmung der Behörden gegen dieselbe u. den Reichstag, der Druck der Reichstagsprotokolle wurde verweigert, 1819 die Preßfreiheit beschränkt u. die Censur wieder eingeführt, mehre Oppositionsblätter unterdrückt etc. Mehrfache Äußerungen ultraliberaler Richtungen in Westeuropa bewirkten, daß die russische Regierung Ähnliches für Polen fürchtete u. deshalb 1820 eine geheime Polizei organisiren ließ. Dies verstimmte vollends die patriotische Partei gegen die russische Regierung. Schon zeigten sich Spuren von Verschwörungen; unter dem General Uminski bildete sich ein patriotischer Verein, welcher die Wiederherstellung Polens beabsichtigte, unter Lukasinski 1819 ein ähnlicher; beide verbanden sich 1821 in dem Wäldchen bei Bielany unweit Warschau mit einander. Auch die Studenten polnischer Nation in Berlin u. Breslau stifteten eine den deutschen Studentenverbindungen nicht unähnliche Verbindung, welche den General Uminski als ihr Haupt betrachtete, u. in Wilna bildete sich eine akademische Verbindung, die Strahlenden (Promienisei), welche unter dem Schein patriotisch-wissenschaftlicher Ausbildung u. Unterstützung armer Studenten, von dem Studenten Zan u. dem Professor Lelewel geleitet, die Vertreibung der Russen zum wahren Zweck hatte. Ihnen gegenüber bildeten sich die Gegenstrahlenden (Antipromienisci), welche die Strahlenden denuncirten. Jene mußten sich auflösen, constituirten sich aber als Philareten, deren Ausschuß 20 Philomathen bildeten, wieder, u. diese, wie die patriotischen Vereine, setzten sich mit Provinzialvereinen u. mit den Templern in Volhynien, von Majewski gestiftet, in Verbindung. 1822 wurden sie aber wieder denuncirt u. in Folge der bei der Untersuchung gefundenen Thatsachen gab die Regierung ein strenges Verbot gegen alle geheime Gesellschaften, auch die Freimaurerlogen wurden verboten, die Schulen erhielten eine militärische Organisation, Nowosilzow wurde statt des Fürsten Adam Czartoryiski Curator der Universität Wilna, u. dieser veranstaltete eine Untersuchung gegen die Philareten, in Folge deren 20 Akademiker, unter ihnen Zan, ins Innere Rußlands verwiesen, 500 andere in russische Regimenter gesteckt u. vier Professoren, unter ihnen Lelewel, entlassen wurden. Zugleich wurden alle russisch-polnischen Provinzen in den Kriegsstand u. Großfürst Constantin zum Kriegsgouverneur erklärt; der Reichstag von 1825 wurde verschoben u. mehren Mitgliedern der Zutritt zu demselben verweigert. Dies Alles mehrte die Unzufriedenheit; bes. war es der Adel, welcher sich getroffen fühlte u. neue geheime Vereine bildete, während die anderen Stände ein weit besseres Loos als früher hatten.

Als Kaiser Alexander Anfangs December 1825 starb, erregten die russischen Verschwornen zu Petersburg u. in Südrußland Aufstände, die Polen blieben zwar unthätig, aber durch Aussagen der Verhafteten kam die Verbindung mit Polen an den Tag, u. die Untersuchungscommission fällte ein strenges Urtheil, welches aber der Kaiser Nikolaus zur Revision an den Senat überwies, welcher fast alle Angeklagte freisprach. 1829 ließ sich der Kaiser in Warschau krönen. Der Reichstag, welcher im Mai 1830 begann, dauerte nur fünf Wochen, indem er am 28. Juni geschlossen wurde, weil die Verantwortlichkeit der Minister zur Sprache gekommen war. Die Julirevolution in Paris erregte die Polen auf das Heftigste. Anfangs hinderte zwar die geheime Polizei jede Erhebung; allein auf Akademien, in den Regimentern, unter den Landboten gährte es, u. der den Polen geneigte Großfürst Constantin hörte die Mahnungen der geheimen Polizei nicht, u. der Statthalter Nowosilzow, welcher gerade in Wilna war, fehlte ihm. Die Aussicht auf einen Krieg mit den wahlverwandten Franzosen vermehrte noch die üble Stimmung im Heere, u. die Verschwörung der Unterfähnriche der Militärschule unter Peter Wysocki gewann an Zahl; mehre Generale, Stanislaw Potocki, Chlopicki, Oberst Rybinski waren bereits durch Verschworne von derselben unterrichtet, u. Lelewel, welcher verborgen in Warschau lebte, setzte den Ausbruch derselben auf die nächsten 8 Tage fest. Die Besatzung von Warschau bestand damals aus etwa 5000 M. Infanterie, 690 M. Cavallerie, 150 M. Artillerie, alles Polen, u. aus der russisch-lithauischen Gardebrigade. Am 29. Novbr. Abends versammelten sich 10 Fähnriche u. 8 Akademiker im Lasinkigehölz, unweit dem Belvedere, zündeten zum Zeichen des Ausbruchs der Revolution ein Brauhaus an u. stürmten, mit Gewehren bewaffnet, nach dem Belvedere, der Wohnung Constantins, wo sie aber den Großfürsten nicht fanden. Unterdessen zogen 16 Fähnriche unter den Lieutenants Wysocki u. Nyko nach der nahen Lithauer-Uhlanencaserne u. zerstreuten die Uhlanen durch einen Bajonnetangriff. Der Großfürst dagegen ging mit 6 Infanteriecolonnen nach Belvedere, wo er die russische Gardecavalleriebrigade schon versammelt fand. Inzwischen fand der Aufstand in der Stadt keinen Anklang, u. nur mit Mühe konnte Nyko einen Haufen Gesindel zusammenbringen, welcher die Wache am Carmeliterkloster, dem Staatsgefängniß, entwaffnete u. die Staatsgefangenen befreite. Nach diesem Erfolg nach 7 Uhr erhob sich das vierte Regiment, das Gardesappeurbataillon u. einige Artillerie unter Lieutenant Fürst Czetwertynski für den Aufstand u. letzter eilte nach Praga, um Munition[264] zu holen. Indem das russische lithauisch-vothynische Regiment nach dem Arsenal rückte, um dies zu besetzen, wurde es von dem vierten Regiment zurückgetrieben, dann das Arsenal genommen u. 30,000 Gewehre unter das Volk vertheilt. Nachdem die von dem Großfürsten von Belvedere nach der Stadt gesendete Cavallerie vergebens die Ordnung wieder herzustellen versucht hatte, zog er sich aus der Stadt u. stellte sich bei dem Dorfe Królikarnia vor der Mokotower Barriere auf. Der Rest der Nacht verstrich ziemlich ruhig. Um fernere Ausschweifungen zu verhüten u. die Aussöhnung mit der russischen Regierung u. dem Großfürsten möglich zu machen, berief der Finanzminister, Fürst Lubecki, die Mitglieder des Administrationsraths, den Grafen Sobolewski, die Minister Grabowski, Fedrow, die Generale Rautenstrauch u. Kossecki, zog die Fürsten Czartoryiski u. Radziwill u. den Grafen Kochanowski, später Niemcewicz u. den Grafen Paz, welchem er das Commando der Armee übertrug, zur Berathung u. erließ am Morgen eine Proclamation, welche von dem Vorgefallenen mit Bedauern sprach u. die Aussöhnung als möglich zeigte. Zwei Angriffe des russischen Gardejägerregiments zu Pferd mißlangen noch am Morgen, u. der Großfürst zog nun die noch übrigen russischen Truppen aus der Stadt. Am Morgen des 30. Nov. durchzog der Administrationsrath die nun ganz von den Russen verlassene Stadt in feierlichem Zuge, General Chlopicki übernahm den Oberbefehl der Armee u. Lelewel constituirte den bisher geheimen patriotischen Club zu einem officiell-politischen, um sich über das Vaterland zu berathen. Mehre Mitglieder des Administrationsrathes waren aber nicht sehr beliebt beim Volke, um denselben daher populärer zu machen, zog man Lelewel hinzu u. ernannte einen executiven Ausschuß, bestehend aus den Fürsten Czartoryiski, Radziwill, Lubecki, ferner aus Kochanowski, Dembowski, Chlopicki, Lelewel, Ostrowski u. Malachowski, welcher sogleich die Regimenter in der Provinz an sich zu ziehen, den Aufstand durch ganz Polen zu verbreiten u. eine Sicherheitsgarde in Warschau zu organisiren suchte u. General Szembek zum Gouverneur von Warschau, Wenglerski zum Polizeipräsidenten einsetzte. Nun gingen auch die beim Großfürsten zurückgebliebenen polnischen Truppen zu den Insurgenten über. Die Lage des Großfürsten war schwierig; mit 5–6000 Mann ohne Gepäck u. hinlängliche Munition stand er durch die Weichsel von Rußland getrennt, mitten in einem revolutionären Lande. Er sendete daher am 2. Dec. Parlamentäre nach Warschau, aber der Administrationsrath entgegnete, daß man nur unter der Bedingung: Erfüllung der Constitution u. der Vereinigung der von Polen 1772–1796 abgerissenen Provinzen, sich beruhigen wolle. Dagegen verlangte Lelewels patriotischer Club, welcher schon bis auf 1000 Mitglieder angewachsen war, daß man den Großfürsten. als Geißel zurückhalten u. zugleich Lithauen angreifen solle. Der Ausschuß beruhigte den Club durch die Antwort des Großfürsten, welcher sich u. die Russen auf seinem Rückzuge nach Lithauen unter den Schutz der polnischen Nation stellte u. sein Fürwort bei seinem Bruder Nikolaus verhieß.

Am Abend des 3. December wurde aufs Neue die Regierungsgewalt geändert u. in die Hände der provisorischen Regierung Czartoryiskis, Niemewiczs, Lelewels u. Wladislaw Ostrowskis gelegt, auch beschlossen, einen Aufruf zu den Waffen ergehen zu lassen u. den Reichstag auf den 18. Decbr. zu berufen. Chlopicki sollte Feldherr sein, dieser proclamirte sich aber am 5. Dec. bis zum Zusammentritt des Reichstags zum Dictator. Die Regierungsbehörden ließ der Dictator bestehen, u. Alex. Krysinski wurde Generalsecretär der Dictatur. Lelewels Club dagegen war schon den 4. mit Waffengewalt aufgelöst, nichts destoweniger traten die engagirten Mitglieder desselben in den Reichstag u. andere Versammlungen ein, u. unter Lelewel organisirte sich alsbald ein neuer geheimer patriotischer Club. Unterdessen hatte sich die Nachricht von der geglückten Revolution in die Provinzen verbreitet, u. zu Radom, Kielce, Kalisch, Lublin waren die russischen Adler abgenommen u. die polnischen aufgesteckt, die Grenzkosacken verjagt, die Staatsgefangenen befreit u. überhaupt alles Russische entfernt worden. Am 5. Dec. wurde Modlin, wo der ganze Pulvervorrath verwahrt lag, u. später auch Zamosc übergeben u. die dort stehenden Russen entwaffnet. Chlopicki, welcher nur in einem ehrenvollen Frieden mit Rußland das wahre Heil Polens sah, mußte gleichwohl der kriegerischen Stimmung im Lande nachgeben u. berief alle verabschiedeten Soldaten zu ihren Fahnen, bildete aus ihnen die dritten u. vierten Bataillone u. die fünften u. sechsten Escadrons, befahl die Einführung von Sicherheitsgarden u. traf Anstalten zur Landesbewaffnung, zu der alle Männer vom 18._– 45. Jahre verpflichtet waren. Der Großfürst, welcher am 4. Decbr., noch 5._– 6000 Mann stark, das Lager bei Krolikarnia verlassen hatte, trat seinen Rückzug nach Pulawy an, überschritt am 7. Dec. bei Pulawy die Weichsel u. erreichte am 11. Brzesk Litewski u. das russische Gebiet.

In Petersburg war die Nachricht von der Warschauer Revolution bereits am 6. December angekommen, aber erst, als man am 15. December die Nachricht von Constantins Ankunft in Lithauen erhalten hatte, erfolgte am 17. ein Manifest an die Polen, welches denselben gebot dem Administrationsrath zu gehorchen u. der Armee sich bei Plock zu sammeln u. dort weitere Befehle zu erwarten. Am 10. Decbr. reiste eine Gesandtschaft, bestehend aus dem Finanzminister Lubecki u. dem Landboten Jezierski von Warschau nach Petersburg ab. Fast gleichzeitig erhielt Wielopolski den Auftrag als Geschäftsträger der Polen nach London u. Wolicki nach Paris zu gehen, während Czartoryiski in Wien wenigstens indirecte Verbindungen mit dem österreichischen Cabinet anzuknüpfen suchte. Den 18. Decbr. sollte der Reichstag zusammentreten, aber als die Landboten u. Senatoren sich an diesem Tage in den Sitzungssaal begaben, fanden sie dort nichts vorbereitet, erklärten aber dennoch den Reichstag für eröffnet, u. übergaben dem ältesten Landboten, Walichnowski, interistimistisch das Präsidium. Hierauf wurde der Aufstand für national erklärt u. Chlopicki am 20. December zum Dictator mit unbeschränkter Gewalt ernannt. Der Reichstag löste sich hierauf, nachdem er ein Manifest zur Durchführung der Gerechtigkeit seiner Ansprüche erlassen hatte, auf, ließ aber den Senatspräsidenten Czartoryski mit einer aus beiden Kammern gewählten Aufsichtscommission neben dem Dictator zurück. Sogleich schritt nun der Dictator zur Organisation der Behörden. An die Stelle der Provisorischen Regierung trat ein Nationalrath, welcher aus Czartoryiski, Radziwill,[265] Wladisl. Ostrowski, Dembowski u. Barzykowski bestand. Eben so wurde die Errichtung einer regulären Nationalgarde angeordnet. Die nach Petersburg entsendete Deputation hatte inzwischen nicht die Aufnahme gefunden, welche sie erwartet hatte, der Kaiser wollte von nichts hören als von unbedingter Unterwerfung, weshalb die Constitution u. Vereinigung der russisch-polnischen Provinzen mit dem Königreich Polen gar nicht zur Sprache kommen konnte. Lubecki blieb in Petersburg zurück, Jezierski aber kehrte nach Warschau zurück; Grabowski, der polnische Minister in Petersburg verordnete, daß Chlopicki die Armee sogleich nach Plock führen, Sobolewski aber die Administration wieder übernehmen sollte. Es fragte sich nun, ob man die Unterhandlungen mit Petersburg weiter fortsetzen od. die Waffen entscheiden lassen wolle. Chlopicki war für erstere u. legte, da fast der ganze Nationalrath für die Entscheidung mit den Waffen war, am 16. Januar seine Dictatur u. Oberbefehlshaberstelle in die Hände der Aufsichtscommission nieder. Am 19. Januar wurde der Reichstag durch Czartoryiski aufs Neue eröffnet, u. am 21. Januar Fürst Michael Radziwill zum Oberbefehlshaber des Heeres gewählt, die Civilgewalt aber am 29. Januar einer Regierung von 5 Mitgliedern, Czartoryiski als Präsident, Vinc. Niemojowski, Morawski, Barzykowski u. Lelewel anvertraut. Diese ernannten Bonaventura Niemojowski zum Minister des Innern, Biernacki zu dem der Finanzen, Krasinski zu dem des Kriegs, Rembielinski zu dem der Justiz, Gustav Malachowski zu dem des Äußern, Bninski zu dem des Cultus. Während dieses Organisationswerkes hatte Roman Soltyk den 21. Januar beim Reichstage die Ausschließung des Hauses Romanow von dem Throne Polens vorgeschlagen, u., da gleichzeitig zwei scharfe Proclamationen des Feldmarschalls Diebitsch an die polnische Nation u. die Armee bekannt wurden, in welchen der Kaiser unbedingte Unterwerfung verlangte, so ging jener Vorschlag am 25. Januar mit Stimmenmehrzahl durch. Hierdurch war auch die letzte Aussicht zu einer Ausgleichung mit Rußland genommen u. der Krieg entschieden. Von diesem Kriege, welcher im Febr. 1831 mit dem Einrücken der Russen unter Diebitsch in P. begann u. seit Juni von Paskewitsch weiter geführt ward u. mit der Übergabe Warschau's an die Russen 8. Sept. endigte, so wie von den Vorgängen während dieser Zeit in Warschau u. im Reichstage s. Polnischer Insurrectionskrieg von 1831.

Paskewitsch, für die Unterdrückung der Insurrection vom Kaiser mit dem Titel eines Fürsten von Warschau belohnt, nahm als Statthalter seines Souveräns von dem Königreich P. Besitz u. begann sogleich den Bau einer Citadelle in Warschau, welche diese Stadt künftig im Zaum halten sollte. Am 20. Oct. (1. Nov.) 1831 erschien ein Amnestieukas, aber mit vielen Ausnahmen (s. u. Polnischer Insurrectionskrieg); durch einen Ukas vom 26. Febr. 1832 wurde die Verfassung vom 27. Nov. 1815 aufgehoben u. an deren Stelle trat das Organische Statut vom 14. (26.) Febr. 1832. Dieses erklärte P. als russische Provinz, hob das polnische Nationalheer auf u. vertheilte die polnischen Recruten an russische Divisionen; an die Stelle des Reichstags trat ein Staatsrath, dessen Mitglieder keine Polen zu sein brauchten u. vom Kaiser ernannt wurden; die Steuern wurden nach russischer Weise erhoben u. nicht mehr bes. für P. verwendet, sondern zu den Einnahmen des gesammten Reichs geschlagen; an die Spitze der inneren Verwaltung des Königreichs trat für die ehemaligen, dem Reichstag verantwortlichen Minister ein Administrationsrath unter dem Präsidium des Statthalters; verbürgt wurde Freiheit der Religion u. der Person, sowie Sicherheit des Eigenthums nach altpolnischen Gesetzen, nur wurde gegen Staatsverbrecher durch ein besonderes Gesetz die polnische Habeascorpusacte (das Gesetz: neminem captivabimus nisi jure convictum, gegeben 1442, ausgedehnt auf den Bürgerstand 1791, auf den Bauernstand 1807 u. bestätigt 1815) aufgehoben u. in solchen Fällen nach den in Rußland geltenden Verordnungen gerichtet. Eine Deputation der Vornehmsten, den Fürsten Valentin Radziwill an der Spitze, ging nach Petersburg, um dem Kaiser für dies Statut zu danken, dagegen erließ der Nationalausschuß der geflüchteten Polen eine von Lelewel verfaßte Protestation gegen dasselbe. Es wurde eine strenge Polizei in P. geübt, der Verkehr mit dem Auslande erschwert, die Universität Warschau blieb aufgehoben Im Sept. 1833 wurden, ausgenommen die Universität Warschau, alle Bildungsanstalten wieder hergestellt, zugleich aber die Censur sehr geschärft. Obschon dreifache Kosackenlinien das Königreich umgaben, um das Einschleichen der Flüchtlinge zu verhindern, gelang es doch Einigen zurückzukommen, welche dann Verschwörungen anzettelten u. Aufstände hervorriefen, so im April 1833 der Lieutenant Dzwitwicki u. Zawicas, welche beide hingerichtet wurden. Im Sept. 1833 besuchte der Kaiser P. u. besichtigte die Festung Modlin, welche unter dem Namen Nowo Georgiewsk zu einer Festung ersten Ranges umgestaltet wurde, aber er ging nicht nach Warschau u. nahm auch die Deputation dieser Stadt nicht an; bei seinem Besuch in Warschau 1834, sah er nur die russischen Behörden u. erst im Oct. 1835, als er von der Revue bei Kalisch zurückkam, empfing er eine Deputation des warschauer Stadtraths, seine Rede war aber noch immer streng. Indeß ließ er viele Söhne polnischer Edelleute, welche, gegen ihn kämpfend, gefallen waren, auf seine Kosten im kaiserlichen Cadettenhaus erziehen u. gab auch bei anderen Gelegenheiten Zeichen eines mildern Sinns, so wurde die Todesstrafe, die über die 256 von der Amnestie Ausgenommenen verhängt war, in lebenswierige Verbannung umgewandelt, aber freilich blieben die Güter derselben für ewige Zeit confiscirt u. wurden im Oct. 1835 an russische Generale u. Große als Majorate mit der Bedingung vertheilt, daß der jedesmalige Besitzer Griechischer Confession sein müsse. So wurden Russen in P. ansässig u. die Griechische Confession faßte im Lande Terrain. Seit 1837 wurde die Russische Sprache ein Haupterforderniß zur Zulassung auf russische Universitäten u. zum Eintritt in das Militär u. endlich seit 1840 zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes. 1840 wurden die Wojewodschaften in Gouvernements umgewandelt. 1841 wurde durch kaiserlichen Ukas der polnische Staatsrath u. das Obertribunal in Warschau aufgehoben u. dafür zwei neue Departements im dirigirenden Senat in Petersburg errichtet. Obgleich das Gouvernement, zu Folge des Organischen Statuts, die Katholiken nicht drückte, so mußten sich doch die Bischöfe zu Gunsten des Staats aller kirchlichen Gewalt entschlagen u.[266] die widerspenstigen Bischöfe von Augustowo u. Podlachien wurden von ihren Sitzen entfernt. Den Bischöfen, welche der Kaiser 1842 nach Petersburg rufen ließ, eröffnete er am 1. September d. J., daß er ihre Religion schützen wolle, aber keine Jesuiten dulden werde u. eine völlige Unterordnung unter den Staat verlange. 1842 wurde durch einen Ukas das polnische Münzwesen auf russischen Fuß umgesetzt, u. überhaupt bis auf den Namen die Umwandlung der polnischen Verhältnisse ins Russische mit äußerster Consequenz durchgeführt. Dagegen that das russische Gouvernement, namentlich Fürst Paskewitsch als Statthalter, für das materielle Wohl P-s sehr viel.

Inzwischen arbeiteten die Emigranten, bes. in Frankreich u. England, an neuen Erhebungsversuchen in P.; um die Insurrection zu organisiren war P. in die fünf Bezirke Posen, Krakau, Galizien, Königreich P. u. Lithauen eingetheilt u. jedem District ein Oberleiter der Sache gegeben, namentlich suchte man auch die Bürger u. Bauern für die Revolution zu gewinnen. Zum Ausbruch war die Zeit vom 17.–21. Febr. 1846 bestimmt. Der Chef des Ganzen sollte L. Mieroslawski sein. Indeß die Erhebung in Posen mißlang (s. u. Preußen Gesch.) u. an den Vorgängen in Siedlce im Königreich P. betheiligten sich nur wenige. Mit einer schwachen Freischaar waren Graf Potocki u. der Gutsbesitzer Dombrowski von Posen aus nach P. eingefallen u. hatten die Nähe Warschaus erreicht, ohne den gehofften Anhang zu finden; die Gemeindevorsteher machten vielmehr den russischen Behörden Anzeige; die im Lande vertheilten Emissäre wurden ergriffen u. hart gestraft, Potocki u. Dombrowski nach Sibirien abgeführt. Am bedeutendsten war der Aufstand in Krakau, wo Tyssowski an der Spitze stand; doch wurde er auch hier niedergeworfen, u. der Untergang des Freistaats Krakau war die Folge jenes Unternehmens (s. Krakau). Am unglücklichsten für die Leiter des Aufstandes gestalteten sich die Dinge in Galizien, indem die Bauern sich hier gegen den rebellischen Adel wendeten u. der Regierung die Niederwerfung des Aufstandes erleichterten (s. u. Österreich S. 450). Lebhafter wurden die Polen durch die Ereignisse des Jahres 1848 bewegt, doch warf Rußland sogleich so große Truppenmassen nach P., daß einer gewaltsamen Erhebung jede Aussicht auf Erfolg entzogen wurde. Als der Aufstand sich in Posen entwickelte, wendeten sich eine Anzahl angesehener Polen an den Statthalter Fürsten Paskewisch, um die Herstellung der Verfassung u. der Einrichtungen, wie solche vor 1830 bestanden, zu erlangen; ja man machte sogar Anspruch, P. in allen seinen alten Grenzen unter Herrschaft der russischen Krone wieder vereinigt zu sehen. Der Fürst verwies die Antragsteller an den Thron, u. vier Magnaten, den Grafen Krasinski an der Spitze, reisten als Abgeordnete nach Petersburg, ohne jedoch mit ihren Wünschen zu reüssiren; im Gegentheil brachten die Erschütterungen des Jahres 1848 die russische Regierung zu dem Entschlusse, P. beständig mit einer starken Militärmacht besetzt zu halten, um jede Ruhestörung unmöglich zu machen. Die Empörung in Posen u. der Hülferuf der Magyaren im Jahre 1849 fanden unter solchen Umständen wieder nur Einzelne in P., welche thätigen Beistand leisteten u. dann im Exil dafür büßten. Um die Vereinigung mit Rußland mehr u. mehr zur Wahrheit zu machen, wurden die bisherigen Zollschranken zwischen P. u. Rußland am 1. Januar 1851 aufgehoben u. der Bau einer Eisenbahn von Petersburg über Wilna nach Warschau beschlossen, welche die Regierung sofort in Angriff nehmen ließ u. möglichst förderte, da auch militärische Rücksichten dabei maßgebend waren. Zu Gunsten der Industrie trat eine Ermäßigung der Eingangszölle auf Rohproducte u. Fabrikatstoffe ein. Das Tabaksmonopol ließ man in P. fortbestehen, während es Rußland nicht kannte. Die russische Regierung erkannte den durchgreifenden Einfluß des Erbrechtes auf die politischen Verhältnisse der Staaten u. beschloß daher den bisher im Königreich P. gültigen Code Napoléon abzuschaffen u. ein mit dem russischen übereinstimmendes bürgerliches Recht in P. einzuführen. Dies geschah durch eine in Warschau durch Kaiser Nikolaus eingesetzte Commission der berühmtesten Rechtsgelehrten. Denselben Zweck gegenseitiger Verschmelzung hatte das schon 1850 gegebene Gesetz, wonach die Handelstreibenden die in Rußland bestehende Gildenverfassung annehmen mußten. Der Polizei wurde die Überwachung der Handelstreibenden eingeschärft, damit dieselben in der Ausübung ihres Geschäftes u. der Zahl der Artikel, welche sie führen dürfen, u. sonst die Befugnisse nicht überschreiten, welche das Gildenpatent jeder Klasse einräumt. Die Juden wurden fortwährend drückenden Maßregeln unterworfen u. unter strenger Hut gehalten. Deutsche Handwerksburschen durften nicht einwandern. Die Productionsstatistik lieferte die Beweise von blühendem Zustande des Ackerbaues u. der Gewerbe, weniger des Handels. Die Zahl der Fabriken war fortwährend im Zunehmen begriffen u. die Getreideausfuhr nach Danzig u. Galizien sehr stark. In der Industrie nahmen die Baumwollenspinnereien u. Wollenmanufacturen den ersten Rang ein. Die Werthsumme aller landwirthschaftlichen Producte u. aller Fabrikate von Fabriken, Brauereien u. Brennereien betrug 184917,720,000 Silberrubel, im Jahr 1850 die der Wollen-, Baumwollen- u. Seidenfabrikate allein 5 Millionen Silberrubel. Die Poststraßen des Königreichs betrugen 309 Meilen, die Posteinnahme belief sich auf 521,433 Silberrubel. Bei alledem beharrte der polnische Adel u. die Geistlichkeit auf ihrem Systeme der Zurückhaltung, letztere wegen mannigfacher Eingriffe der russischen Regierung in das Römisch-Katholische Kirchenrecht, der erstere in Erinnerung nationaler Selbständigkeit u. weil der Adel gesetzlich von der Kriegsdienstpflicht befreit war. Durch Ukas vom Mai 1852 wurde dies anders, indem der Kaiser anordnete, daß die Söhne des begüterten Adels in den ehemals polnischen Provinzen verpflichtet seien mit dem 18. Jahre in das Heer einzutreten, entweder als Fähnriche, wenn sie die erforderliche Prüfung beständen, od. als Gemeine, jedoch mit den Vorrechten des Adels; wer vorher vom 16. bis 18. Jahre freiwillig Soldat würde, sollte die freie Wahl der Waffe haben, u. diejenigen, welche sich zum Civildienste meldeten, vom Kriegsdienste befreit sein. Schon im Sommer 1852 machten über sechzig junge Leute aus den ersten Familien davon Gebrauch u. wurden vom Kaiser theils zu Gardeoffizieren ernannt, theils unter die in P. liegenden Regimenter vertheilt. Vom Dienste ausgeschlossen wurden die Söhne Adeliger, deren Namen wegen des Aufstandes 1831 od. sonst nicht in die Bücher der Wappenkammer eingetragen waren.[267] Schon zu Ende des Jahres 1852 traten die Wirkungen der Zollvereinigung mit Rußland hervor. Je hermetischer die Grenzsperre das Land von Preußen u. Österreich abschloß, desto mehr stillten sich auch die Märkte in P. mit chinesischen u. persischen Waaren, Thee, mancherlei Arten von Geweben, Damenkleiderstoffe, seidene Tücher etc. Als im Jahre 1853 die französische Politik die Verwickelungen im Orient herbeiführte, wurde Warschau im Herbste zum Orte der Zusammenkunft der Kaiser von Rußland u. Österreich u. des Königs von Preußen, während sich russische Streitkräfte in P. versammelten. Daß die französische Regierung Neigung zeigte, die Polen wieder zu ihren Zwecken zu benutzen, ging aus dem Umstande hervor, daß der französische Kaiser die Schulen der polnischen Ausgewanderten in Paris unterstützte u. die französische Regierung in fortwährendem Verkehr mit den Häuptern der polnischen Emigration stand. Die russische Regierung ergriff dagegen Vorsichtsmaßregeln u. verbot namentlich den Jesuiten den Eintritt, da in P. der Römische Katholicismus im Gegensatze zum Griechischen zu politischen Zwecken ausgebeutet wurde. Alle Flüchtlinge, welche dem politischen Demokratenverein beigetreten waren, wurden 1854 nach dem Gesetz vom 14. April 1835 zur Strafe der Vermögensconfiscation verurtheilt. Es war dazu um so mehr Veranlassung, als sich ein Polencorps bildete, um an dem Kriege gegen Rußland Theil zu nehmen. Das Königreich wurde in kriegsfähigen Zustand gesetzt, nachdem seit 1831 die vorhandenen Festungen verstärkt u. fortwährend neue gebaut wurden.

Als am 2. März 1855 Kaiser Nikolaus gestorben war, gab sein Nachfolger Alexander II. sofort sehr wohlwollende Gesinnungen gegen P. zu erkennen, ohne jedoch im Wesentlichen der Politik seines Vorgängers untreu zu werden. Viel trug dazu bei, daß die Polen im russischen Heere mit Auszeichnung gegen die Westmächte u. die Türkei dienten. Von den fünf Bischofssitzen war nur der in Lublin besetzt; Kaiser Alexander knüpfte Unterhandlungen mit dem Heiligen Stuhle an wegen Wiederbesetzung der vier erledigten Stellen, welche den gewünschten Erfolg hatten; die unter Kaiser Nikolaus eingeführte Bestimmung blieb aber in Kraft, daß zwar der Übertritt zur Griechisch-Katholischen Kirche erlaubt, jedoch aus der Griechisch-Katholischen zu einer anderen Confession strafbar sei. In Warschau wurde auf Befehl des Kaisers eine Medicinische Facultät errichtet, nachdem eine Theologische schon lange bestanden hatte; aber die Wiederherstellung der Universität stand nicht in Aussicht. Das bisherige Privilegium, daß jeder Vater das Recht hatte von mehrern Söhnen einen zu bezeichnen, welcher kriegsdienstfrei blieb, wurde nur den Bauern gelassen, dagegen dem Adel u. Bürgerstande genommen. Die Umwandlung der Frohndienste der Bauern, deren Leibeigenschaft schon lange aufgehoben war, in eine Geldleistung wurde von der Regierung betrieben, ging aber nur langsam vorwärts, weil sie nicht gesetzlich anbefohlen war. Auf der einen Seite sollte der Adel fühlen, daß er von den Russen milder als in Preußen u. Österreich behandelt werde, u. auf der anderen Seite wollte man doch auch dem Bauernstande gegen den nationalgesinnten Adel für sich gewinnen.

Am 1. Febr. 1856 starb der bisherige Statthalter Fürst Paskewitsch u. an seine Stelle wurde vom Kaiser Fürst Michael Gortschakow ernannt. Nach Abschluß des Pariser Friedens kam der Kaiser am 22. Mai selbst nach Warschau u. erklärte in einer Rede an die Adelsmarschälle, er habe die Vergangenheit vergessen u. die besten Absichten; die von seinem Vater eingeführte Ordnung wolle er aufrecht halten u. vor allen Dingen verlange er von den Polen sich keinerlei Träumereien hinzugeben. Hierauf erschien am 27. Mai zu Gunsten der polnischen Flüchtlinge ein Amnestiedecret, welches denselben freie unverkümmerte Rückkehr u. nach der Rückkehr Wiedereinsetzung in ihre bürgerlichen Rechte, sowie nach Ablauf von drei Jahren die Füglichkeit in den Staatsdienst zu treten zusicherte. Am 23. Juli wurde dieser Gnadenact noch auf die in Folge der Ereignisse von 1830 u. 1831 Ausgewanderten ausgedehnt, jedoch machten nur wenige von der Amnestie Gebrauch. Im Jahre 1857 trat eine neue, der russischen sehr ähnliche Gerichtsorganisation ins Leben, welche die frühere der französischen nachgebildete beseitigte; zugleich wurde vorzugsweise an jedem Gymnasium ein juristischer Cursus eingeführt für solche, welche sich dem Studium der Rechte widmen wollen, aber nicht die Mittel od. die Absicht haben eine Universität zu besuchen. Am 21. Septbr. erschien das kaiserliche Manifest wegen Ablösung der bäuerlichen Frohnen, wonach die Gutsbesitzer aufgefordert wurden sich mit den Bauern in Zeit von fünf Jahren auseinander zu setzen, nach Ablauf dieser Zeit aber die Regierung sich verpflichtete, die Ablösung durchzuführen. In Warschau fand eine Industrieausstellung statt. Im Herbst 1857 genehmigte der Kaiser den Bau einer Eisenbahn zwischen Warschau u. Wien, nachdem schon früher der Plan der Petersburg-Warschauer Bahn durch eine Zweigbahn von Wilna nach Danzig erweitert worden war. Der Beginn des Baues einer Eisenbahn von Warschau nach Bromberg wurde auf 1858 verschoben u. der Bau einer Eisenbahn von Warschau nach Thorn bewilligt. Die von Seite des Kaisers erfolgte Bestätigung der Statuten einer Landwirthschaftlichen Gesellschaft in Warschau erregte ebensoviel Befriedigung, wie die Beseitigung der aus pensionirten Militärs genommenen Unterrichtsinspectoren, welche die Aufsicht über die Lehranstalten zu führen hatten. Diese Landwirthschaftliche Gesellschaft wurde bald sehr bedeutend, da aus allen Theilen des Landes wirkliche od. correspondirende Mitglieder aufgenommen wurden. Auch im Jahre 1858 erhielt P. mannigfache Beweise von der milden Gesinnung des Kaisers; die Russische Sprache mußte auch bei der Postverwaltung u. der sogenannten Grenzkammer, wo sie unter Nikolaus eingeführt worden war, wieder der Polnischen weichen, das polnische Wappen wurde in der Weise wiederhergestellt, wie es unter Alexander I. in P. gebräuchlich gewesen war, der durch vielfache Mißbräuche verdorbenen Städteverwaltung wurde dadurch aufzuhelfen gesucht, daß der Kaiser anordnete, die bisherigen Stadträthe, zu denen gewöhnlich Russen ernannt worden waren, aufzuheben u. eine aus freien Gemeindewahlen hervorgehende Gemeindebehörde an deren Stelle zu setzen, welche alle drei Jahre einer Neuwahl unterliegt. Bei Gelegenheit der Anwesenheit des Kaisers im Herbste 1858 in Warschau machte auch der Prinz Napoleon (Jerome) einen Besuch in Warschau, wobei sich eine Stimmung kund gab, welche erkennen ließ, daß der Gedanke[268] eines selbständigen Polenreiches immer noch Jung u. Alt durchdringt. Indeß der Jedermann gestattete Eintritt in die Citadelle von Warschau, die Festungen Modlin, Krakau u. Posen lassen seine Verwirklichungen unmöglich erscheinen. Im Febr. 1859 wurde ein neues Gesetz veröffentlicht, wonach der Frohndienst der Bauern, nach freiwilligem Übereinkommen zwischen Grundbesitzern u. Bauern, in ein ewiges, unablösbares Erbpachtverhältniß verwandelt werden sollte. Gegen die Mäßigkeitsvereine, in denen man politische Vereine zur Beeinflussung der niederen Klassen erblickte, ergingen strenge Erlasse u. gegen die katholischen Geistlichen, welche denen, die sich nicht anschließen wollten, Beichte u. Communion verweigerten, wurde auf's strengste verfahren. Aus politischen Gründen traten auch neue Judenverfolgungen ein. Ein neues Staatsdienergesetz verlangte hinfür als Hauptgrundsatz alleinige Rücksichtsnahme auf Fähigkeit, Bildung u. persönliches Verdienst eines jeden Bürgers, zugleich sollte die Zahl der Beamten möglichst verringert, ihr Gehalt vermehrt u. der Geschäftsgang vereinfacht u. beschleunigt werden.

Trotz alledem blieben die großen Umwälzungen in Italien u. die ungarische Bewegung in den Jahren 1859 u. 1860 nicht ohne Rückwirkung auf die lebhafte Einbildung der Polen, die noch erregter wurde durch die Aufmunterung, welche die Nationalitätsidee von Paris aus erhielt. Die Aufregung drang in immer weitere Kreise der polnischen Nation, u. tagtäglich fand ein schrofferes Auftreten gegen Russen, Deutsche u. Juden statt. Es half nichts, daß im October 1860 die Monarchen von Österreich, Preußen u. Rußland in Warschau zusammentraten u. daß verlautete, ein Hauptergebniß dieser Zusammenkunft sei die Verständigung über die Maßregeln zur Unterdrückung jeder polnischen Bewegung in ihrem Keime. An dem Jahrestage des Ausbruchs der Revolution von 1830/31 fand eine nationale Kundgebung statt, an welcher höhere u. niedere Personen theilnahmen. Die Regierung machte sich schon im December 1860 bereit durch Heranziehung neuer Truppen dem Widerstand zu begegnen. Nachdem in Warschau im Januar 1860 fast keine Nacht ohne Katzenmusiken, Fenstereinwerfen u. andere Kundgebungen vorübergegangen war, wurden unvermerkt zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Die Aufregung stieg fortwährend u. wurde geschickt geleitet. Der Landwirthschaftliche Centralverein stand an der Spitze. Man sprach von Wiederherstellung eines großen Polenreichs mit Galizien, Posen u. Danzig mit einem Bonaparte als König an der Spitze. Die bekannt werdende Bestrafung früherer Ruhestörungen wurde nur benutzt, um die feindliche Stimmung gegen Rußland zu steigern. Endlich im Februar 1861 schien der Augenblick zur Ausführung eines entscheidenden Schlages gekommen. Der Landwirthschaftliche Verein war zu einer Generalversammlung nach Warschau auf den 21. Februar zusammen berufen worden, u. es hatten sich gegen 1000 Mitglieder eingefunden. Man faßte Beschlüsse zu Gunsten der Ablösung bäuerlicher Lasten, um die Verwandlung der Erbzinsgüter in freies Eigenthum zu erleichtern u. zu befördern u. dadurch den Bauernstand für die nationale Erhebung zu gewinnen, was 1831 verabsäumt worden war. Zugleich hoffte man auf einen Aufstand in Ungarn u. einen Krieg am Rhein, wodurch Österreich u. Preußen beschäftigt worden wären. Die Erhebung sollte mit der Feier des Jahrestages der Schlacht bei Grochow am 25. Febr. beginnen. Gedruckte Aufforderungen, daran Theil zu nehmen, waren schon am Tage vorher vertheilt u. angeschlagen worden. Es erschien eine große Menge Neugieriger auf dem angegebenen Platze. Gegen sechs Uhr Abends erschien aus einer Kirche kommend ein Zug meist junger Leute unter Absingung religiöser u. vaterländischer Gesänge mit Fackeln, Fähnchen u. einer großen Fahne mit dem polnischen Wappen. Als das Volk des weißen Adlers ansichtig wurde, erscholl ein tausendstimmiger Jubelruf u. in diesem Augenblicke drang die Gendarmerie mit blosem Säbel auf die Menge ein, um sie zu zerstreuen, wobei mehre gefährliche Verletzungen vorkamen u. Verhaftungen erfolgten. Am 26. erschien eine Verordnung der Regierung, welche alle öffentliche Umzüge verbot, die polnische Bevölkerung trug aber fast allgemein Trauerzeichen. Am 26. Abends wurde ein neuer Versuch gemacht die am Tage vorher unterbrochene Procession fortzusetzen, allein die russischen Truppen schritten dagegen ein u. gaben, als sie von Seiten der Polen mit Steinen geworfen wurden, Feuer, wobei Viele verwundet u. fünf Personen getödtet wurden. Noch an demselben Abend fand eine Versammlung von Bürgern statt, welche Abgeordnete an den Statthalter sandte, um gegen das rasche Einschreiten der Truppen zu protestiren, die Absetzung des Polizeidirectors u. die Ermächtigung zu verlangen, daß von Seiten der Bürger eine Bürgerwehr ins Leben gerufen u. durch eine Commission von Bürgern die öffentliche Ruhe erhalten u. die feierliche Beerdigung der Gefallenen besorgt werden solle. Der Statthalter bewilligte diese Forderungen; es trat eine Bürgerwache von ungefähr 1200 Mann zusammen, u. eine Bürgercommission von 21 Mitgliedern, welche der Statthalter ernannte, ermahnte zur Ruhe u. bestimmte durch öffentliche Bekanntmachung den Tag der Beerdigung. Am 28. Febr. beschloß eine Bürgerversammlung eine Adresse an den Kaiser zu richten, worin gesagt war, daß die vorgefallenen Ereignisse nicht der Ausbruch vorübergehender Leidenschaften einer einzelnen Volksklasse, sondern die heiße u. einmüthige Offenbarung unterdrückter Gefühle u. unbefriedigter Bedürfnisse sei, u. daß ein Volk, welches sich Jahrhunderte lang mit freien Einrichtungen regiert habe, die Durchführung der aus dem Volksgeiste, seiner Überlieferung u. Geschichte sich ergebenden Grundsätze in Kirche, Gesetzgebung u. öffentlicher Erziehung, kurz einen ganzen gesellschaftlichen Organismus nöthig habe. Am 2. März fand unter Zulauf einer zahllosen Menschenmenge, unter Mitwirkung der Geistlichkeit u. der Schuljugend, der Zünfte u. verschiedener Corporationen sowie der Bürgercommission die Beerdigung der am 26. Febr. Gefallenen statt. Am 13. März langte die Antwort des Kaisers auf die Bürgeradresse des Inhalts an, daß er dieselbe eigentlich als nicht vorhanden anzusehen habe, indeß wolle er sie als eine Übereilung betrachten, werde seine Sorge allen durch die Zeit gebotenen Reformen widmen, ohne übertriebene Forderungen anzuerkennen, Unordnungen aber nicht dulden. Zugleich kündigte der Statthalter im Namen des Kaisers bald verschiedene Reformen an. Die Bürgercommission löste sich auf, jedoch wurde acht Bürgern gestattet an den Sitzungen des Stadtrathes Theil zu nehmen. Endlich erschienen am 27. März die lange ersehnten Reformen, indem der Kaiser[269] anordnete: an die Stelle des Warschauer Lehrbezirkes u. der geistlichen Abtheilung in der Regierungscommission des Innern u. der geistlichen Angelegenheiten wird eine selbständige Regierungscommission der religiösen Culte u. der öffentlichen Aufklärung gebildet; zum vorsitzenden Generaldirector dieser Commission ist der polnische Graf Alexander Wielopolski ernannt u. ihm ein Sitz im Administrationsrathe des Königreiches angewiesen; eine allgemeine Neugestaltung der Schulen ist angeordnet; höhere Lehranstalten werden begründet, darunter eine Rechtsschule; es wird ein polnischer Staatsrath errichtet, in welchen geistliche u. weltliche Notabilitäten eintreten u. zu dessen Wirkungskreis außer den gewöhnlichen Geschäften auch die Prüfung von Petitionen u. Beschwerden gehört; in den Regierungskreisen werden Kreisräthe durch Wahl gebildet; ebenso in den Bezirken; für die größeren Städte werden aus freier Wahl hervorgegangene Stadträthe eingesetzt. Der bisherige präsidirende Generaldirector in der Regierungscommission des Innern zu Warschau (eine Stellung, welche der eines Ministers des Innern entspricht), nahm seine Entlassung, u. an seine Stelle trat ein Generalmajor aus dem Gefolge des Kaisers, Dziecewicz. Zum Director des öffentlichen Unterrichts unter Wielopolski wurde der Pole Kasimir Kaszewski ernannt.

Allein diese Maßregeln genügten nicht, sondern die Aufregung stieg, da zu gleicher Zeit auf Befehl des Kaisers die Bürgerwehr aufgelöst, die Landesbanner u. die polnischen Mützen mit drei Farben verboten u. angedroht wurde, Unordnungen auf's allerschärfste im Zaum zu halten u. zu ahnden. Man trug sich von Neuem mit dem Gedanken eines selbständigen Polenreiches, an dessen Spitze angeblich der Herzog von Leuchtenberg gestellt werden sollte; die nationalen Kundgebungen steigerten sich durch Absingung von Polenliedern in den Kirchen u. neue Aufläufe, auch vor dem Schlosse des Statthalters, so daß die Regierung sich endlich am 6. April genöthigt sah, die Landwirthschaftliche Gesellschaft als den Mittelpunkt, von wo aus alle Fäden dieser Bewegung zusammenliefen, aufzuheben, jedoch sollten einzelne landwirthschaftliche Vereine in den Bezirken errichtet werden. Am Tage darauf versammelte sich vor dem Gebäude der aufgehobenen Landwirthschaftlichen Gesellschaft eine immer mehr anwachsende Volksmenge, welche Polenlieder sang, hierauf den Präsidenten der Gesellschaft feierte u. endlich vor das Schloß des Statthalters zog, wo sie erst den Platz räumte, nachdem der Befehl gegeben war, auch die Truppen zurückzuziehen. Dies wiederholte sich am 8. April, wo Abends eine ungeheure Masse Volks vor das Schloß des Statthalters zog. Alle Versuche, sie auf gütlichem Wege zu zerstreuen, waren fruchtlos. Die Aufruhracte wurde zweimal verlesen; das Volk, welchem von den geheimen Leitern der Glaube beigebracht worden war, die Truppen dürften nicht scharf schießen, antwortete mit Schreien, Pfeifen u. Steinwürfen. Zwei Stunden lang auf solche Weise auf die Probe gestellt, feuerten endlich die Truppen, jedoch zuerst in die Luft. Als hierauf Schüsse u. Steinwürfe aus den Häusern mehre Soldaten verwundeten u. zwei davon tödteten, wurde scharf unter die Menge geschossen, worauf etliche 30 Todte auf dem Platze blieben u. eine große Anzahl verwundet wurden. Nun erfolgte die vollständige militärische Besetzung der Stadt u. die Auflösung des Warschauer Gemeinderathes. Begräbnisse durften nur unter Begleitung der nächsten Verwandten stattfinden. Aber auch so hörten die nationalen Kundgebungen noch nicht auf; von den Straßen u. öffentlichen Plätzen flüchteten sie in Kirche u. Schule. Deshalb wurden von der Regierung Gymnasien geschlossen u. die Geistlichen verpflichtet, wenn in den Kirchen nationale Polenlieder angestimmt würden, Soldaten herbeizurufen. Da nebenbei die Regierung klug u. kräftig verfuhr, wurde die Ruhe wieder hergestellt. Wielopolski erhielt auch das Ministerium der Justiz in P. u. wirkte da bes. auf die endliche gründliche Lösung der bäuerlichen Frage hin. Am 22. Mai erschien auch wirklich das Gesetz über die Ablösung der Frohnen vom 1. Oct. 1861 an gültig. Die Ablösungssumme schwankt für einen Tag Handarbeit zwischen 12 u. 71/2 Kopeken, Spanndienst mit 2 Stück Vieh 30–20 Kopeken, mit 4 Stück 45–30 Kopeken. Zum ersten Male erschien dazu eine von Wielopolski unterzeichnete Erläuterung über die Gründe zu dem Gesetz über Frohnablösung. Überall, heißt es darin, wo die Bauernverhältnisse durch Aufhebung des Frohndienstes gegen eine angemessene Entschädigung geordnet u. dem Volke Freiheit der Arbeit verliehen wurde, wuchs in Folge dessen der allgemeine Wohlstand u. mit ihm der Werth der Grundstücke, die Creditinstitute blühten auf u. somit steigerte sich die Sicherheit der hypothecirten Capitalien, sowie die Leichtigkeit ihrer Realisirung. Die freiwillige Vereinbarung zwischen Berechtigten u. Verpflichteten hatte nur äußerst geringen Erfolg gehabt. Am 20. Mai 1861 starb der Statthalter Fürst Gortschakow.

Die einheimischen Geschichtsschreiber s. u. Polnische Literatur, außerdem J. Pistorius, Polonicae historiae corpus, Bas. 1582, 3 Bde., Fol.; Scriptores rerum Polonicarum, Danzig 1698, 3 Bde.; M. Dogiel, Codex diplomaticus regni Poloniae et Magni Ducatus Lithuaniae, Wilna 1758–64, 3 Bde., Fol.; Mizler v. Koloff, Historiarum Poloniae et Magni Ducatus Lithuaniae scriptorum collectio, Warsch. 1761–1769, 2 Bde., Fol.; G. Lengnich, Historia Poloniae, Lpz. 1740 (deutsch von A. Schott, ebd. 1741); de la Pimpie de Solignac, Histoire générale de Pologne, Amsterd. 1721, 5 Bde. (deutsch von Pauli, Halle 1763–65, 2 Bde.); D. E. Wagner, Geschichte von P., Lpz. 1775–77, 3 Bde.; Naruscewicz, Historia narodu Polskiego, Warsch. 1780, 2._– 7. Bd., 1. Bd. (die Urgeschichte Polens), ebd. 1826, n.A. Lpz. 1836, 10 Bde.; K. Hammerdörfer, Geschichte des Königreichs P., Dresd. 1790–94, 2 Bde.; Brohm, Geschichte von P. u. Lithauen, Posen 1810 f., 2 Bde.; J. U. Niemcewicz, Sammlung von Memoiren zur alten polnischen Geschichte, Warsch. 1822–27, 5 Bde. (polnisch); G. S. Bandtke, Begebenheiten der polnischen Nation, Bresl. 1826; Oginski, Mémoires sur la Pologne et les Polonais depuis 1788–1815, Par. 1826, 4 Bde.; Derselbe, Observations sur la Pologne et les Polonais pour servir d'introduction aux Mémoires etc., ebd. 1827; A. Bronikowski, Geschichte P-s, Dresd. 1827, 4 Bde.; J. E. v. Görz, Mémoires et actes authentiques rélatifs aux négociations qui ont précédé le partage de la Pologne, Weim. 1810; C. C. de Rulhière, Histoire de l'anarchie de Pologne et de démembrement de cette république, Par. 1807, 4 Bde.; A. de Ferand, Histoire des trois démembrements de la Pologne, ebd. 1820, 3 Bde.; v. [270] Schmitt, Frédéric II., Cathérine et le partage de la Pologne, Par. 1861, J. Lelewel, Geschichte Polens unter Stanislaus August, aus den polnischen Handschriften ins Deutsche übersetzt von A. Drake, Braunschw. 1831; die Schriften über die Revolution von 1830 f. u. Polnischer Insurrectionskrieg; Lubienici, Historia reformationis polon., Freist. 1685; Fischer, Geschichte der Reformation in P., Grätz 1855; J. Lelewel, Kritische Bücherschau über alle die polnische Geschichte der älteren u. neueren Zeit betreffende Werke, Warsch. 1824 (polnisch).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 251-271.
Lizenz:
Faksimiles:
251 | 252 | 253 | 254 | 255 | 256 | 257 | 258 | 259 | 260 | 261 | 262 | 263 | 264 | 265 | 266 | 267 | 268 | 269 | 270 | 271
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Die Mappe meines Urgroßvaters

Die Mappe meines Urgroßvaters

Der Erzähler findet das Tagebuch seines Urgroßvaters, der sich als Arzt im böhmischen Hinterland niedergelassen hatte und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch begann, dieses Tagebuch zu schreiben. Stifter arbeitete gut zwei Jahrzehnte an dieser Erzählung, die er sein »Lieblingskind« nannte.

156 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon