Grenze [1]

[584] Grenze, 1) das Äußerste von Etwas, über dem hinaus dasselbe aufhört. 2) Die Linie, wo ein Land, District, Flur od. Grundstück aufhört od. ein anderes berührt. Der Ort, auf welchem sich die G. befindet, heißt Grenzscheide (Grenzscheidung). Die G. wird häufig durch natürliche Gegenstände gebildet, als Bergrücken, Flüsse od. Bäche (Grenzbach, Grenzfluß), Straßen od. Wege (Grenzwege), welche meist den Grenznachbarn gemeinschaftlich gehören. Natürliche Grenzen großer Staaten u. ganzer Völker sind nur Gebirgsrücken u. Landhöhen, selten blos Flüsse; so trennen die Pyrenäen Spanier u. Franzosen, die Alpen Italiener u. Deutsche, die Vogesen u. die Landhöhen zwischen Maas u. Rhein Deutsche u. Franzosen. Die künstlichen Grenzzeichen (Grenz, male) sind aufgeworfene Erd- od. Steinhaufen (Grenzhausen), od. Graben (Grenzgraben), od. starke Pfähle (Grenzpfähle, Grenzsäulen), od. Hecken (Grenzhecken), od. Steine (Grenzsteine). Man nimmt dazu lange, meist regelmäßig behauene Stücken Bruchstein, die man so zu setzen sucht, daß eine scharfe Kante auf den nächsten Grenzstein weist, od. behauene Sandsteine, auf welche Buchstaben od. die Nummer des Grenzsteins gehauen sind. Beim Setzen der Grenzsteine wird darunter das Geheimniß (die unverweslichen Stücke, welche unter einen Grenzstein gelegt werden) gelegt. In Waldungen nimmt man zu Grenzzeichen häufig große Bäume (Grenzbäume), haut ein Stück Schale ab, schneidet od. brennt Buchstaben auf dieser Stelle ein, macht auch ein bloßes Kreuz (daher Kreuzbaum), bohrt in die Mitte des Kreuzes auch wohl ein Loch (Lochbaum). Grenzverrückung (lat. Termini motio), ist Fälschung der Grenzen zwischen Grundstücken od. diesen gleichen Gerechtsamen, durch Veränderung, Verrückung od. Vernichtung der Grenzzeichen, letztere für minder strafbar, als die Grenzverrückung im eigentlichen Wortsinne geachtet, weil diese durch falsche Darstellung der G. die Sachlage verändert u. die Auffindung der richtigen G. erschwert. Der Thäter muß (sonst ist es blos Gewaltthätigkeit) die Zeichen als Grenzzeichen erkannt haben. Bei, von einem Staatsbürger verletzter, als solcher von ihm erkannter Landesgrenze ist die Handlung ein Vergehen gegen den Staat, wenn das Grenzzeichen ein wirkliches Landesgrenzzeichen, nicht zufällig bei einem Privatgrenzzeichen auch die Landesgrenze, beide Zeichen verschieden waren Hier kann sogar die Strafe des Hoch- u. Staatsverraths zur Anwendung kommen. Bei Verletzung von bloßen Privatgrenzzeichen in der Absicht, einen andern zu bevortheilen, verordnet die Peinliche Gerichtsordnung Karls V. willkürliche Strafe, in der Regel wird Geldbuße od. Gefängnißstrafe auf einige Wochen angewendet. Um die G. stets genau zu kennen, hält man Grenzbücher, Bücher, in denen dieselben ganz genau beschrieben sind, od. legt auch wohl eigene Grenzbeschreibungen an. In denselben sind bes. alle Grenzrecesse, die Verträge, welche Nachbarn über die verwirrten Grenzen ihrer Grundstücke abschließen, um künftige Streitigkeiten zu vermeiden, od. schon entstandene zu schlichten, zu berücksichtigen. Zu gleichem Zwecke finden die feierlichen Grenzumgänge (Flurzüge) statt, welche schon bei den Alten vorkommen (vgl. Ambarvale), u. noch jetzt dazu dienen sollen, jungen Gemeindegliedern die Grenzen einzuprägen, weshalb man den Schulkindern an solchen Stellen sonst Eßwaaren, auch eine Ohrfeige gab. Ohne besondere Feierlichkeit heißt ein solcher Umgang Grenzbesichtigung. Die Grenzstreitigkeiten sind entweder von der Art, daß einer die, von einem Andern besessene G. streitig macht, od. von der, daß die G. selbst streitig ist, ohne daß man weiß, wie der Besitz für einen der Grenznachbarn spricht. Im ersteren Falle treten die gewöhnlichen Eigenthums- u. Besitzesklagen ein. Im andern Falle, der Grenzirrung im engern u. eigentlichen Sinne, muß die Aufgabe des Richters die sein, die G. in der Weise wieder herzustellen, wie sie nachweisbar früher bestanden hat. Zu diesem Zwecke ist vor allem die streitige G. in Augenschein zu nehmen man vergleicht die Grenzbücher od. Grenzbeschreibung mit den Grenzzeichen u. läßt die Grenzsteine durch Kunstverständige (Grenzmeister) od. Verpflichtete besichtigen u. heben, um aus den unter ihnen liegenden Zeichen die G. auszumitteln. Kann auf diese Weise der Streit nicht geschlichtet werden, so ist alsdann zum Zwecke der Besitzregulirung von einer Seite der Beweis zu führen, u. inzwischen muß allen Weiterungen durch ein Provisorium abgeholfen werden. Ist der streitige Platz unbedeutend, so kann für die Interessenten gemeinschaftlicher Genuß angeordnet werden; ist er aber von Bedeutung u. ein gemeinschaftlicher Genuß unräthlich, so werden entweder, unter Vorbehalt jeder Rechte, einstweilen Theile gemacht od. ein Sequester bestellt, der vom künftigen Eigenthümer jeglichen Schaden abzuwenden suchen muß. Die definitive Regulirung erfolgt, wenn sich gar keine Anhaltepunkte für das größere od. geringere Recht des einen Theils ergeben, in der Weise, daß zwischen beide Nachbarn das streitige Stück getheilt wird. Die im Römischen Rechte dem Eigenthümer eines verwirrten Grundstücks gestattete [584] Klage hieß: Actio finium regundorum. Die Grenzsteine fanden schon in den ältesten Zeiten, z.B. bei den Hebräern (1. Mos. 49,14), die sorgfältigste Beachtung; ja die Griechen verehrten sogar einen eigenen Beschützer der G., Zeus Horios, u. die Römer den Terminus u. feierten ihm Feste (Terminalia). Auf die Grenzverrückung ohne Wissen u. Willen der Betheiligten setzte Numa in Rom die Todesstrafe; nach dem Mosaischen Recht wird ein solcher Frevler verflucht; nach den ältesten Deutschen Rechten wurde er lebendig begraben u. ihm mit einer Pflugschaar der Kopf abgeschnitten, u. noch jetzt straft man diese Verbrechen härter als andere Fälschung (s. oben). 3) (Math.), an Figuren u. Körpern die Punkte od. Linien, an denen die Linien od. Flächen aufhören. 4) G. der Planeten, die Punkte ihrer Bahnen, in welchen sie die größte südliche u. nördliche Breite haben, wo mithin die Planeten selbst am weitesten sind u. nordwärts von der Ekliptik stehen. Jetzt die größten südlichen u. nördlichen Declinationen der Planeten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 584-585.
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