Vollmacht

[671] Vollmacht, 1) im Allgemeinen so v.w. Mandat, s. Mandatum; 2) bes. die Urkunde, mittelst deren Jemand die Ermächtigung einen Andern (den Constituent) in seinen rechtlichen Angelegenheiten zu vertreten u. für denselben zu handeln ertheilt wird. Namentlich wird der Ausdruck V. von der Urkunde gebraucht, welche dem Anwalt die Ermächtigung verleiht die Partei im Processe zu vertreten (Proceßvollmacht, Machtbrief, Procuratorium). Je nach dem Umfange der ertheilten Ermächtigung heißen die V-en General- od. Specialvollmachten; doch hat diese Unterscheidung selbst einen wechselnden Grund, indem man den Gegensatz bald auf die Vertretung in allen Rechtssachen u. die Vertretung bei nur einem einzelnen Proceß, bald aber auch auf die Vertretung während des ganzen Processes u. bei einer einzelnen, in demselben vorkommenden Proceßhandlung bezieht. Eine B., welche nicht von der Partei selbst, sondern von dem gesetzlichen Vertreter der Partei, z.B. einem Vormund, ausgestellt ist, heißt gewöhnlich Actorium; rührt sie von einer Corporation od. deren Vorstehern her, so führt sie gewöhnlich den Namen Syndicat (Syndicatsinstrument, Instrumentum syndicatus). Jede ordentliche Proceßvollmacht muß enthalten: den Namen des Anwaltes u. die Unterschrift des Machtgebers, die Bezeichnung des ertheilten Auftrags, Ort u. Tag der Ausstellung, sowie beziehentlich die nachträgliche Genehmigung der vom Anwalt etwa bereits vor der Ausstellung vorgenommenen Proceßhandlungen (Clausula rati). Bei Specialvollmachten bedarf es noch außerdem der genauen Bezeichnung der Rechtssache od. Proceßhandlung auf welche sich der Auftrag bezieht, bei Actorien des Nachweises der Berechtigung des Ausstellers durch Beifügung des Tutorium, Curatorium etc. Untersiegelung der V. wird in der Regel nur bei Syndicatsinstrumenten erfordert. Nützliche Zufügungen sind überdies noch die eventuelle Ernennung eines Substituten für Behinderungsfälle des ursprünglich Beauftragten (C. substitutionis), die Ermächtigung des Beauftragten selbst sich einen solchen Substituten zu wählen (C. substituendi), die Bestimmung, daß die Bevollmächtigung auch für die Erben des Gewaltgebers gelten solle (C. heredum), für den Anwalt die Bestellung einer [671] Hypothek wegen der ihm bei der Proceßführung an den Constituenten entstehenden Ansprüche (C. hypothecae). Innerhalb der Grenzen des in der ertheilten Auftrags ist der Bevollmächtigte zur Vornahme aller, also auch solcher Proceßhandlungen berechtigt, welche in der V. nicht ausdrücklich ausgeführt sind. Nur solche außerordentliche Proceßhandlungen sind davon ausgenommen, an welche der Auftragsgeber muthmaßlich gar nicht gedacht hat u. welche bes. nachtheilige Folgen für ihn haben, wie Vergleiche, Verzichte, Zugeständnisse, Eidesantrage, Kompromisse auf Schiedsrichter u. dgl.; in Betreff derselben genügt eine an sich gültige V. nur dann, wenn sie ausdrücklich in der V. aufgeführt sind (Actus specialis mandati). Doch bedarf es der Aufzählung dieser Fälle alsdann nicht, wenn der Auftrag ein sogen. Mandatum cum libera (sc. potestate agendi) ist. Auch werden gültig Bevollmächtigte, obschon ihre V. hierzu nicht genügt, ingleichen Procuratoren öffentlicher Anstalten gerichtsgebräuchlich zur Vornahme solcher Handlungen dann zugelassen, wenn sie eine Cautio de rato, d.h. eine Kaution, daß der Auftraggeber die Handlung genehmigen werde, bestellen. Die Erlöschung der V. tritt mit ausdrücklicher od. stillschweigender Zurücknahme derselben, welche dem Auftraggeber jeder Zeit freisteht, durch Aufgabe derselben von Seiten des Bevollmächtigten, durch Beendigung des aufgetragenen Geschäftes, durch den Tod des Bevollmächtigten u. Vollmachtgebers, insofern in letzterem Falle die V. nicht die Clausula heredum (s.d.) enthält, ein.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 671-672.
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