Spanien [1]

[331] Spanien (a. Geogr. u. Antiq.). Dieses Land, welches im Alterthum auch Portugal begriff, war bis zur Invasion der Römer sehr wenig bekannt, führte auch keinen gemeinschaftlichen Namen, sondern die Ostküste hieß Iberia, die Westküste Tartessis u. das Binnenland Celtice; letzter Name wurde erst später bei den griechischen Geographen für das ganze Land gewöhnlich, während die Römer es Hispania (Spania) nannten; Hesperia war nur ein dichterischer Name, welcher das nach Westen von Italien liegende Land bezeichnete. S., eine Halbinsel, hing mit dem europäischen Continent blos in Nordosten zusammen, wo die Pyrenäen die Grenze gegen Gallien bildeten, im Osten u. Süden wurde es von dem Mare Internum, dessen Theile an S-s Küsten Mare Balearicum u. Mare Ibericum hießen, im Westen u. Norden von dem Oceanus Atlanticus, im Norden namentlich von dem Mare Cantabricum bespült; beide Meere wurden durch das von der Südspitze S-s u. der Nordspitze Afrikas, den Säulen des Hercules, gebildete Fretum Gaditanum (Meerenge von Gibraltar) verbunden. Die Einen gaben ihm die Gestalt eines Dreiecks, Andere die eines Vierecks; Strabo vergleicht sie mit der einer ausgebreiteten Stierhaut, deren Halstheile nach Osten gekehrt sind. Die Größe wurde verschieden angegeben; nach Strabo betrug die größte Länge 6000, die Breite zwischen 5000 u. 3000 Stadien; nach Plinius die Länge zwischen 1200 u. 1500, die Breite zwischen 900 u. 1100, der ganze Umfang 2600–3000 römische Millien; Ptolemäos setzt es zwischen 3–19° Länge u. 36–46° Breite. Der natürlichen Beschaffenheit des Landes nach war das Klima im Ganzen gemäßigt, namentlich schön in Süden, während es in Norden kalt u. rauh u. selbst in den mittleren Theilen der Winter streng war. Das Hauptgebirg waren die Pyrenaei montes (Pyrenäen, s.d.), welche auf der spanischen Seite sanft abgedacht waren, dichte Bewaldung hatten u. von reizenden Thälern durchschnitten waren; von ihnen lief westlich der Saltus Vasconum (Sierra de Orcamo, S. de Angana u. S. Sejos) u. der Mons Vindius; ins Innere zogen sich hinab der Idubeda (Sierra de Oca u. S. de Lorenzo) mit den Zweigen Saltus Manlianus (S. de Molina) u. M. Cannus (S. de Moncayo), u. der Orospeda (S. del Mundo bis über die S. de Alcarez) mit dem M. Argentarius u. dem südwestlichen Ausläufer M. Solorius (S. Nevada); andere Gebirge: M. Marianus (S. Morena), Saltus Castulonensis (S. de Cazorle), M. Herminius (S. de la Estrella) auf der Westseite, Ilipula (las Alpujarras) auf der Südseite; einzelne Berge: M. Jovis, M. ferreus, M. sacer, M. Veneris, Edulius, Medullus, Tagrus (s.d. a.). Vorgebirge am Mittelmeer von Norden nach Süden u. von Osten nach Westen: Promontorium Veneris (Cabo Creuz), P. Lunarium (C. Tordera), P. Dianium od. Tenebrium (C. S. Martin), P. Saturni od. Scombrasia (C. de Palos), P. Charidemi (C. de Gata), Calpe, eine der Säulen des Hercules (Gibraltar); am Atlantischen Meere längs[331] der Westküste von Süden nach Norden: P. Junonis (C. Trafalgar), P. sacrum (C. de S. Vincente), P. magnum od. barbarium (C. Espichel), P. Lunae (C. de la Roca), P. Nerium od. Celticum od. Artabrum, die Nordwestspitze S-s (C. de Finisterre), Arae Sestianae (C. Villano); längs der Nordküste: P. Cocu od. Trilcucum (C. Ortegal) u. Öasso (C. de la Higueiere). S. hatte viele u. zum Theil große Flüsse, doch waren selbst diese nur seicht u. die kleineren trockneten im Sommer fast ganz aus; die sechs Hauptströme waren auf der Ostseite der Iberus (Ebro), auf der Südseite der Bätis (Guadalquivir) u. Anas (Guadiana); auf der Westseite der Tagus (Tajo), Durius (Duero) u. Minius od. Bänis (Minho); die andern, zum Theil nicht unbedeutenden Flüsse waren: auf der Ostseite die in das Mittelmeer mündenden zwischen den Pyrenäen u. Iberus: Tichis, Clodianus, Alba, Larnum, Bätulo (Besos), Rubricatus (Llobregat), Tulcis, Subis; zwischen dem Iberus u. Fretum Gaditanum: Uduba, Sätabis, Pallantias (Palancia), Turia od. Turium (Guadalaviar), Sucro (Xucar), Sätabis, Tader (Segura), Menoba (Velez), Malaca, Salduba, Barbesula (Guadiaro); in den Atlantischen Ocean mündete auf der Südseite: Belon (Barbate), Urium, Luxia; auf der Westseite: Callipus (Sadao), Munda (Mondego), Vacua, Avus, Celadus, Limius, Läron, Ulla, Tamaris, Florius, Nelus, Virus, Mearus, Jaia, Navilubló, Melsus, Salia, Sanda, Saunium, Nanasa, Nerva, Deba, Aturia, Magrada (s.d. a.). Meerbusen des Mittelmeeres waren: Sinus Sucronensis (Meerbusen von Valencia), S. Illicitanus (Meerbusen von Alicante), S. Massienus, S. Urcitanus (Meerbusen von Almeria); des Atlantischen Meeres: S. Artabrorum. Bedeutende Seen gab es in S. nicht, aber merkwürdige Quellen, namentlich Mineralquellen, welche die Römer benutzten, z.B. bei Bilbilis. Von Inseln gehörten zu S. die zwei auf der Ostseite liegenden Gruppen der Balearen u. Pityusen, u. im Atlantischen Ocean Londobris, Insula Herculis, I. Junonis. Schon im Alterthum war S. namentlich im südlichen Theile wegen des Reichthums an Producten aus allen Naturreichen berühmt, u. die Einwohner trieben mit denselben schon früh, bes. nach Rom, einen schwunghaften Handel. Das Mineralreich bot: Gold in großer Menge in Gebirgen, Flüssen u. u. im Flachlande, Silber, Kupfer, Eisen, Zinn, Blei, Quecksilber, Mennige, Marmor, Frauenglas, Stein-, Quell- u. Seesalz; das Pflanzenreich: Getreide, Wein, Oliven, Feigen u.a. Südfrüchte, eßbare Eicheln, Flachs, Spartum, Scharlachbeeren u.a., Farbepflanzen, Holz bes. zum Schiffsbau; das Thierreich: Schafe, wegen der Wolle berühmt, Schweine, Pferde, Esel, Maulesel, bes. auf den Balearen, viel Kaninchen (woher das Land den Namen erhalten haben soll, s. unten S. 352), Biber, Wasservögel, Bienen, Kermesschildläuse, Fische, zu deren Einpökelung es großartige Anstalten gab, Muscheln, Austern etc.

Die Bewohner S-s theilten die Alten in ureinwohnende Iberer, eingewanderte Celten u. aus beiden gemischte Celtiberer, von denen die Iberer wesentlich in den Pyrenäen, die Celten im Südwesten u. Nordwesten u. die Celtiberer im Mittellande wohnten. In der späteren Zeit hatten sich an den Küsten Phönicier u. Carthager, dann Griechen aus Rhodos, Samos, Zakynthos, Massilia angesiedelt u. endlich Römer über das ganze gand verbreitet u. ihre Sitten, Gebräuche u. Sprache einheimisch gemacht. Bei dieser aus so verschiedenen Elementen bestehenden Einwohnerschaft waren natürlich Charakter, Sitten u. Bildung sehr verschieden; während als die rohesten die Cantabrer u. überhaupt die nördlichen Bergvölker galten, warnt die Turdetaner in S. selbst in den Wissenschaften bewandert u. hatten schriftlich aufgezeichnete Gesetze. Von den beiden Hauptstämmen waren die Iberes stolz, schlau, kühn, wild, freiheitsliebend, streitsüchtig u. lebten in fortwährenden Fehden unter einander, welcher Umstand sie nachmals zu einer leichten Beute der Römer machte; um nicht in Gefangenschaft u. Sklaverei zu fallen, trugen sie stets Gift bei sich, um sich im Falle der Noth selbst zu tödten; sie schlossen zur Genossenschaft im Kriege Freundschaften u. Einer opferte sich für den Andern od. starb freiwillig wenn der Andere gefallen war. Ihre Waffen waren Wurfspieße, Schwerter, Schleudern u. leichte, aus Thiersehnen geflochtene Schilde; die Reiter hatten gewöhnlich noch Einen mit aufsitzen, welcher auf der Wahlstatt herabsprang u. zu Fuße kämpfte. Im Frieden durchstreiften sie die Gebirgsgegenden u. trieben das Räuberhandwerk. Ihre Wohnungen waren Lehm- u. Strohhütten; ihre Lebensweise mäßig u. enthaltsam; ihre Kleider aus Linnen mit bunten Streifen besetzt, ihr Kriegskleid (Sagum) nahmen die Römer an; sie waren übrigens im Besitz der Schreibkunst. Die Celtiberi hielten sich sauber u. ordentlich in ihrem Äußeren; das Haar hing lang hinab, die Männer trugen dunkle Mäntel, welche zur Nachtzeit zugleich ihre Decken bildeten, die Weiber bunte Kleider u. Schleier, welche an Reisen u. mit denselben an die metallenen Halsbänder befestigt waren. Im Kriege führten sie Wurfspieße, zweischneidige Schwerter, Dolche, kleine runde Schilde, linnene Panzer, lederne Helme mit rothen Büschen; in den Kampf zogen sie geordnet unter Gesang u. in keilförmiger Stellung. Gefangene Feinde behandelten sie grausam, übrigens waren sie gegen Fremde gastfrei. Ihre Nahrung bestand in Eichelbrod u. Fleisch, bes. Ziegenfleisch, u. beim Essen saßen sie auf Bänken, welche an den Wänden befestigt waren; ihr Getränk war eine Art Bier u. Meth; Wein wurde im Lande nicht gekeltert, sondern erst später eingeführt; ihre Belustigungen waren Kampfspiele im Ringen, Fechten, Fahren, Laufen, Spießwerfen, bes. Tanzen zur Flöte od. zum Horn. Verbrecher wurden hart gestraft, namentlich von Felsenherabgestürzt u. Vatermörder außerhalb der Markgesteinigt. Münzen kannten sie nicht, den Handel trieben sie durch Tausch od. mit Stückchen edlen Metalles. Ihre Fahrzeuge waren aus Lederod. ausgehöhlten Baumstämmen. Übrigens bestanden Ehen unter ihnen u. die Weiber bestellten den Acker u. zogen auch mit in den Krieg. Ursprünglich keusch u. sittsam, wurden die Spanierinnen nachmals durch die Römer verdorben. Von dem Religionswesen der Hispanier erfährt man wenig; dem Kriegsgotte opferten sie Pferde, Ziegen u. selbst gefangene Feinde, einem namenlosen Gotte zu Ehren tanzten sie zur Zeit des Vollmondes vor ihren Hütten. Geweissagt wurde aus dem Vogelflug u. der Eingeweideschau der Opferthiere. Wie im Allgemeinen die sichgber S. verbreitende Macht der Römer in S. die alten Sitten verdrängte, so begann seit. 80 v. Chr. durch Sertorius sogar römische Wissenschaft dort einheimisch[332] zu werden u. seit der Kaiserzeit kommen viele römische Dichter, Historiker, Geographen, Philosophen u. Rhetoren aus S. vor, wie Lucanus, Martialis, Silius Italicus, Avienus, Juvencus, Prudentius, Herennius Senecio, Florus, Mela, M. u. L. Annäus Seneca, Quintilianus, Columella, Isidorus etc.

Eingetheilt war S. von den Römern, nachdem sie die Carthager daraus vertrieben hatten, in: Hispania citerior u. Hispania ulterior, vormals jenes das Land nördlich vom Iberus, dieses das südlich von diesem Flusse; später aber war H. citerior die kleinere nordöstliche, H. ulterior die größere südwestliche Hälfte des Landes. Augustus theilte das Land in drei Provinzen: a) Lusitania, der westlichste Theil zwischen dem Durius, dem Atlantischen Meere, dem Anas u. Tarraconensis, also das jetzige Portugal (ohne Minho, Tras os Montes u. den südöstlichen Theil von Alemtejo), Estremadura, Salamanca u. der westliche Theil von Toledo; der südlichste Theil an der Küste hieß Cuneus; b) Bätica, der südlichste Theil, begrenzt im Westen u. Norden vom Anas, im Süden vom Mittelmeer u. Atlantischen Ocean u. im Osten von Tarraconensis, also das jetzige südwestliche Alemtejo, ganz Andalusien, Granada u. ein Theil von Estremadura, die reichste u. bevölkertste Provinz S-s; c) Hispania tarraconensis, nach der Hauptstadt Tarraco genannt, der übrige Theil von S., von größerem Umfange als beide vorige zusammengenommen. Bei der neuen Eintheilung des Römischen Reiches unter Constantin dem Großen zerfiel S. in sieben Provinzen: in Bätica, Lusitania (beide ohne Veränderung der Grenzen), Galläcia (alle Convente u. Völkerschaften nördlich vom Durius, östlich bis an die Vasconen), Tarraconensis (der Tarraconensische Convent mit dem Cäsaraugustinischen vereinigt), Carthaginiensis (zwischen dem Mittelmeer, Tarraconensis, Galläcia, Lusitanien u. Bätica, also das jetzige Murcia, ein Theil von Neu-Castilien u. das südliche Valencia), Baleares (die Balearischen Inseln) u. Mauritania Tingitana (in Afrika).

Die einzelnen Völkerschaften mit ihren bedeutendsten Städten waren: in Lusitanien die Lusitani, Turduli, Vettones, Celtici, Turdetani mit 46 Städten darunter fünf römische Colonien, wie Balsa, Myrtilis, Pax Julia, Salacia, Ebora, Augusta Emerita, Metellinum, Olisipo, Norba Cäsarea, Scalabis, Salmantica u. v. a; in Bätica noch Turdetani, Turduli u. Celtici, ferner die Bastetani u. Bastuli mit nahe an 200 Städten, darunter neun römische Colonien, z.B. Asta, Gades, Asido, Belon, Carteia, Hispalis, Astigi, Corduba, Sisapon, Italica, Illiturgis, Munda, Malaca etc.; in Tarraconensis zahlreiche Völkerschaften u. Städte, darunter jedoch blos 12 Colonien, z.B. an den Küsten: die Contestani mit Carthago Nova u. Setabis; die Edetani mit Valentia, Saguntum u. Cä[araugusta; die Ilercaones mit Dertosa, die Cosetani mit Tarraco, die Läeiani mit Barcino, die Indicetä (Indigetes) mit Emporium, die Cerretani, Lacetane, Castellani, Ausetani, Jaccetani mit nur kleinen Ortschaften, Vascones mit Pampelon, Calaguris, Öaso, die Varduli, Caristi, Autrigones, Cantabri mit Juliobriga, die Astures mit Lancia u. Asturica Augusta, die Calläci u. Artabri mit Bracara Augusta, Lucus Augusti, Brigantium; im Innern die Vaccäi mit Pallantia u. Intercatia, die Carpetani mit Toletum, Oretani mit Castulo u. Laminium, die Celtiberi mit Segobriga, Bilbilis u. Contrebia, die Arevacä mit Numantia u. Clunia, die Pelendones, Berrones, Murbogi, Lobetani, Ilergetes mit Ilerda, Osca, Celsa, Athanagia (s.d. a.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 331-333.
Lizenz:
Faksimiles:
331 | 332 | 333
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Klein Zaches

Klein Zaches

Nachdem im Reich die Aufklärung eingeführt wurde ist die Poesie verboten und die Feen sind des Landes verwiesen. Darum versteckt sich die Fee Rosabelverde in einem Damenstift. Als sie dem häßlichen, mißgestalteten Bauernkind Zaches über das Haar streicht verleiht sie ihm damit die Eigenschaft, stets für einen hübschen und klugen Menschen gehalten zu werden, dem die Taten, die seine Zeitgenossen in seiner Gegenwart vollbringen, als seine eigenen angerechnet werden.

88 Seiten, 4.20 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon