Martin [1]

[927] Martin (Martinus), Name, bedeutet angeblich der streitbare Held, der Tapfere. I. F ürsten. A) König von Aragonien: 1) M. der Ältere, Sohn Peters IV. u. der Eleonore von Sicilien; vermählt 1372 mit Maria de Luna, welche ihm die Herrschaft Luna u. Segorbe zubrachte, war erst Graf von Exerica u. Connetable des Reichs, später Herzog von Montblanc; folgte 1395 seinem Bruder Johann I. als König von Aragon u. 1409 als König von Sicilien; er st. 1410; s. Spanien (Gesch.). In zweiter Ehe war er seit 1407 mit Margarethe von Prades vermählt. B) König von Sicilien: 2) M. der Jüngere, Sohn des Vor., heirathete 1391 die Königin Marie von Sicilien u. erhielt selbst den Titel als König von Sicilien; regierte nach dem Tode seiner Gemahlin 1402 fort u. starb 1409 auf Sardinien; er hatte sich 1403 in zweiter Ehe mit Blanca von Neapel vermählt; da er keine legitimen Nachkommen hatte, so folgte ihm sein Vater; s. Sicilien (Gesch.).

II. Päpste. 3) St. M. I., geb. in Todi, war erst Apocrisiarius in Constantinopel u. wurde 649 Papst; er hielt das erste Lateranconcil gegen die Monotheleten, der griechische Kaiser aber ließ ihn deshalb 653 gefangen nehmen u. nach Naxos transportiren, von da wurde er 654 nach Constantinopel gebracht u. hier im März 655 zur Verbannung nach Cherson verurtheilt, wo er am 16. Septbr. d. J. starb; sein Leib wurde später nach Rom übergeführt u. sein Fest am 12. Novbr. gefeiert. 4) M. II. (Marinus I.), aus Montefiascone, folgte 23. Decbr. 882 auf Johann VIII. u. st. 14. Febr. 884. 5) M. III. (Marinus II.), aus Rom, Nachfolger Stephans VIII., saß seit Ende 942 bis 4. Aug. 946 auf dem Päpstlichen Stuhle. 6) M. IV., geb. in Brie, wurde unter Urban IV. Cardinal, war dann Legat des Papstes Nikolaus III. u. wurde nach diesem 1281 zum Papst gewählt; er war ganz den französischen Interessen ergeben u. verlor daher alles Ansehen in Italien; er st. 1285 in Perugia. 7) M. V., eigentlich Otto Colonna, war erst päpstlicher Referendar,[927] wurde 1405 durch Innocenz V. Cardinaldiakon u., nachdem Benedikt XIII. abgesetzt worden war u. Gregor XII. abdicirt hatte, 1417 von der Kirchenversammlung zu Basel zum Papst gewählt; die Reformation der Kirche, welche er vor seiner Erwählung zugesagt hatte, wußte er klüglich zu umgehen, schaffte einige unbedeutende Mißbräuche ab, machte mit Deutschland, Frankreich u. England Separatverträge, deren Punkte nachher aber nicht zur Ausführung kamen, u. löste das Concil auf; er hielt 1423 in Pavia u. Siena ein zweites Concil, auf welchem wieder nichts ausgemacht wurde, u. st. 20. Febr. 1431.

III. Heilige, außer dem Papst Martin I. bes.: 8) St. M. von Tours (Martinus Turonensis), geb. um 319 zu Sabaria in Pannonien, wurde Christ; sein Vater bestimmte ihn zum Krieger, doch gab er den Soldatenstand bald auf; von Arianern in seiner Heimath verfolgt, ging er nach Frankreich u. lebte in der Einsamkeit mit Hliarius; wegen seiner großen Wunderthaten, bes. Todtenerweckungen, wurde er 375 zum Bischof von Tours gewählt. Aus Bescheidenheit versteckte er sich bei der Wahl, aber Gänse verriethen ihn. Als Bischof baute er nicht weit von der Stadt ein Kloster, worin unter seiner Leitung an 80 Mönche gelebt haben sollen. Er war der Begründer des Mönchsthums in Frankreich u. st. 400 in Candes. Tag: 11. Novbr., welcher als Martin Bischof bezeichnet wird. St. M. ist der Schutzpatron Frankreichs u. der Heilige von Mainz u. Würzburg. Das Martinsfest (Martinalia) trat an die Stelle des dritten germanischen Jahresfestes, welches im Herbste dem Wuotan als Dankfest für die Ernte gefeiert wurde. Am Abend vor dem Martinstag kommt noch in mehreren Gegenden Norddeutschlands das Martinsmännchen, wie anderwärts der Knecht Ruprecht am Weihnachtsabend, in die Häuser, läßt die Kinder beten u. beschenkt dieselben mit Nüssen u. Äpfeln. Am Martinstage (Martini) wird am Rhein u. in Belgien noch das Martinsfeuer angebrannt, um welches die Kinder tanzen. Die Festgenüsse sind in Sachsen, Hannover u. Schlesien das Martinshorn, ein Gebäck; die Martinsgans (die nach der Sage geschlachtet wird, dafür, daß sie den M. einst verrathen hat) u. der Martinswein (der neue Wein des Jahres wird da angezapft), als Erinnerung an die Festspeisen bei dem Wuotansfeste. Auch ist Martini ein Termin, wo Naturalien u. Geldzinseln geleistet werden, wie die Martinsgans, das Martinshuhn, Martinslehn, Martinsschoß, Martinspfennig etc. Lebensbeschreibungen von Sulpicius Severus, Paulinus von Nola (in Versen), Gregor von Tour (Miracula St. Martini); Dupuy, Die Geschichte des St. M., Schaffh. 1855; Fromman, De ansere Martiniano, Lpz. 1720.

IV. Staatsmann. 9) M., Sohn Chlodulfs des Jüngeren, wurde nebst seinem Better Pipin von Heristal nach dem Tode des Königs Dagobert II. u. seines Sohnes Sigbert 680 Major Domus in Austrasien, erlitt von den Neustriern bei Lusao eine Niederlage u. schloß sich in Laon ein; Ebroin lockte ihn heraus u. ließ ihn ermorden.

V. Gelehrte. 10) M., geb. in Pannonien, besuchte in seiner Jugend Palästina, ging dann nach Spanien, belehrte viele Sueven vom Arianismus zum Katholicismus u. gründete mehre Klöster, in deren einem er Abt war; um 560 wurde er Erzbischof in Bracara u. st. um 583. Er schr.: Formula honestae vitae, in der Bibliotheca patrum u. ö.; Sententiae aegyptiorum Patrum u. lateinische Gedichte; auch veranstaltete er die Collectio orientalium canonum (Auszug aus den Acten der griechischen Synoden), in Aguirre's, Mansi's u. Florez' Sammlungen, 11) Martinus Gallus, ältester Geschichtsschreiber Polens, lebte zu Anfang des 12. Jahrh., soll nach Einigen ein geborener Franzose (daher sein Beiname) gewesen sein u. in Kujavien gewohnt haben. Er schr. eine Chronik in lateinischer Sprache, herausgeg. von Lengrich 1749. u. A. von Vincenz Bandle, Warsch. 1824, ins Polnische übersetzt von Kownacki. 12) Martinus Polonus (Marcie Polak), geb. in dem damals zu Polen gehörigen Troppau, trat in Prag in den Dominicanerorden, lebte seit 1243 in Rom, wurde 1278 Erzbischof von Gnesen u. starb bald darauf in Bologna, wo ihm ein Denkmal errichtet wurde; er schr. mehre kirchengeschichtliche Werte, namentlich Biographien von Päpsten in lateinischer Sprache.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 927-928.
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