Tours

[732] Tours (spr. Tuhr), 1) Arrondissement östlich im französischen Departement Indre-Loire; 51 QM., 157,600 Ew.; 2) Hauptstadt des Arrondissements u. Departements, am Einflusse des Cher in die Loire u. nahe bei dem Einfluß der Lisse in letztere (über welche eine 1335 Fuß lange, 42 Fuß breite steinerne Brücke führt) u. an der französischen Südbahn, welche, von Paris u. Orleans kommend, sich hier nach Nantes u. Bordeaux abzweigt; Sitz des Präfecten u. der Departementalbehörden, des 5. Militärobercommandos u. der 18. Militärdivision u. eines Erzbischofs; hat Handelskammer, Handelsgericht, zum Theil an Felsen gebaute Häuser, schöne Plätze (Markt), Straßen (Königsstraße, die ganze Stadt durchschneidend), Spaziergänge auf den Wällen u. Mail 8000 Fuß lang), 15 Kirchen, darunter der Dom (mit merkwürdigem Uhrwerk u. Bibliothek), die Martinskirche, festes Schloß, erzbischöflichen Palast, Präfecturhotel, Rathhaus, Theater, Gymnasium, Seminar, Gesellschaft des Ackerbaues, der Wissenschaften u. Künste, Medicinische Gesellschaft, Bibliothek, Museum mit Gemälden; Industrie in Eisen, Leder, Papier, Wollen-, Baumwollen- u. Leinenwaaren, Seidenzeugen (Gros de Tours), Fayence, Draht, gedrehte Metallwaaren, Tapeten. Wachslichter, seines Backwerk, Branntwein, baut Wein u. Obst, treibt Handel mit diesen Producten; 32,000 Ew. Geburtsort von Destouches u. Grecourt. Dabei das feste Schloß Plessis les Tours (s.d.). – T. hieß zur Römerzeit Cäsarodunum u. später Turoni u. war die Hauptstadt der Turones; sie lag auf einer Anhöhe, aber damals wohl am rechten Ufer der Loire; sie kam dann unter die Westgothen u. später an die Franken, wo sie zu Neustrien gerechnet wurde. T. hatte damals eigene Grafen, deren erster, Theobald, zugleich Graf von Blois war; dessen Nachkommen besaßen T. bis in das 11. Jahrh., wo der letzte Graf Theobald von Gottfried von Anjou vertrieben wurde. Zwischen Poitiers u. T. 732 Sieg Karl Martells über die Sarazenen. 853 wurde T. von den Normannen geplündert u. verbrannt. Unter Johann ohne Land nahm König Philipp August von Frankreich die Stadt, u. erst König Heinrich VII. von England trat T. u. die Touraine 1259 ganz an Ludwig IX. von Frankreich ab. Seit 1360 wurde T. als Herzogthum an nachgeborene französische Prinzen gegeben, s. Touraine. Von der dortigen Abtei waren die Könige selbst Äbte. 1583 verlegte Heinrich III. das Parlament u. die andern hohen Gerichte von Paris hierher; es wuchs dadurch außerordentlich, sank aber wieder, als die Parlamente von Heinrich IV. zurückgerufen wurden. Hier versammelten sich sonst oft die französischen Stände, so unter Ludwig XI. 1470, Karl VIII. 1484, Ludwig XII. 1506 u. Ludwig XIII. 1516. Ludwig XI. hielt sich großentheils zu T. in Plessis les Tours auf u. starb auch hier 1481. 1621 entstand hier ein Aufruhr der Reformirten gegen die Katholiken, welchen Ludwig XIII. durch Vertreibung aller Reformirten beendigte. Hier wurden mehre Concilien gehalten, so 461, 567, 813, 1060, welche sich meist mit der Kirchendisciplin beschäftigten; 1096, wo der beschlossene Kreuzzug bestätigt u. König Philipp vom Bann befreit wurde; 1163, vom Papst Alexander III. persönlich gehalten, welcher selbst, unter Excommunication des Gegenpapstes Victor IV., als rechtmäßiger Papst anerkannt u. die Maßregeln gegen die Katharer erneuert wurden; 1236 u. 1282, welche wieder bes. in Sachen der Kirchendisciplin verhandelten; 1510 zur Beilegung der Streitigkeiten des Papstes Julius II. mit dem König Ludwig XII. von Frankreich (s. Frankreich S. 541).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 732.
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