Titel [1]

[622] Titel (v. lat. Titulus), 1) ein Punkt, ein kleiner Strich; 2) (röm. Ant.), sowohl ehrenvolle Inschrift (T. sepulcri, T. statuae), als auch entehrende, z.B. an verkäuflichen Sklaven, öffentlichen Dirnen etc.; 3) die Überschrift u. Aufschrift eines Buches, einer Schrift od. eines beträchtlichen Theils derselben; 4) bei Büchern das Blatt, auf welchem diese Aufschrift steht; bei größeren Werken sind oft zwei solche T. vorhanden, der eine (Haupttitel) enthält in der Hauptzeile, welche mit größeren Buchstaben gedruckt ist, das wichtigste Wort, den Namen des ganzen Werkes; der andere (Nebentitel) bezieht sich auf den Inhalt des einzelnen Theiles, od. gibt auch (so bei Journalen) den früheren T. desselben an. Bisweilen fügt man noch einen Schmutztitel hinzu, welcher den Namen des Buches nur mit wenigen Worten angibt u. welcher beim Binden des Buches herausgeschnitten wird; 5) der Name eines Buches, welcher von dem Buchbinder auf den Rücken des Einbandes in die zweite Abtheilung, Titelfeld, mit silbernen od. goldenen Buchstaben gedruckt wird; 6) die Rubrik, Capitelüberschrift eines Buches; 7) jede Benennung einer Sache, wenn sie auch keine Überschrift ist, z.B. Schimpfname; 8) jede Benennung eines Menschen, welche sich auf dessen Sinnesart od. Handlungsweise bezieht; 9) die besondere Bezeichnung, welche einer Person zu führen verstattet ist, um die Stellung u. den Rang zu bezeichnen, welche sie im Staate einnimmt. Der Gebrauch der T. hängt genau mit den Rangordnungen zusammen, nach welchen die im Staate irgend eine öffentliche Stellung bekleidenden Personen in gewisse Klassen abgetheilt werden, so daß dann jede Klasse für sich ihre besonderen Ehrenvorzüge hat. Derartige Rangordnungen waren schon dem Alterthum nicht fremd; eine besondere Ausbildung derselben findet sich in allen orientalischen Staaten. Auch im Abendlande haben ste, bes. im 17. u. 18. Jahrh., eine große Verbreitung gefunden, womit dann die Ausbreitung des Titelwesens gleichen Schritt gehalten hat. In der Regel setzt jeder T. eine besondere Verleihung durch den Landesherrn voraus; nur ausnahmsweise ist manchen Körperschaften, namentlich den Universitäten, die Ertheilung gewisser T. erlaubt. Im Einzelnen zerfallen die T. in: A) Standestitel, welche Jemand, ohne Beziehung auf ein gewisses Amt, als eine besondere adelige Auszeichnung verliehen werden, wie z.B. der Fürsten-, Grafen-, Freiherrntitel. Die Verleihung solcher Standestitel erfolgt gewöhnlich nicht blos für die Person, sondern so, daß der T. auch auf die Nachkommen übergeht. B) Amtstitel, welche von der Bekleidung eines Amtes hergenommen werden, ohne daß damit aber nothwendig die Innehabung des Amtes selbst verbunden zu sein braucht. Je nachdem dies der Fall ist od. nicht, theilen sich daher die Amtstitel noch in: a) Amtstitel im engeren Sinne, welche dem wirklich von der Person versehenen Amte entsprechen, wie z.B. Präsident, Regierungs-, Appellationsgerichts-, Finanz-, Consistorialrath, Kreisrichter, Secretär etc.; u. b) Ehrentitel, welche einem Beamten zur besonderen Auszeichnung verliehen werden, wie z.B. Geheimer Rath, Geheimer Oberregierungsrath, Kanzleirath etc. Znweilen kommen solche T. auch nur als Prädicate vor, welche statt des anredenden Fürwortes zu gebrauchen sind, wie z.B. das Prädicat Excellenz; c) Charaktere (daher charakterisirte Personen solche, welche dergleichen T. zu führen berechtigt sind), als solche Amtstitel, welche Privatpersonen wegen ihrer besonderen Verdienste ohne irgend ein Amt verliehen werden, wie z.B. der T. Commerzienrath od. Hoflieferant für einen bes. verdienten Kaufmann od. Fabrikanten, Hofrath bei Schriftstellern, Concertmeister bei Virtuosen etc. Der letzteren Art von T-n sind auch die akademischen T. (Licentiat, Baccalaureus, Doctor) beigezählt, da sie an sich, wenigstens nach den Gesetzen der meisten Staaten, ebenfalls mit keinen weiteren öffentlichen Amtsbefugnissen verbunden sind, wenn sie auch erst nach einem Examen ertheilt werden. Die Amtstitel werden den Beamten auch dann belassen, wenn sie in ehrenvollen Ruhestand treten; oft wird gerade bei dieser Gelegenheit der Amtstitel noch durch einen Ehrentitel erhöht. Auch die Ehefrauen führen die T. der Ehemänner in der Regel, wenigstens in Deutschland. Die Eitelkeit hat die T. oft zu einem Gegenstand des Ehrgeizes gemacht, u. die T. sind bei der Sucht in dieser Hinsicht zu glänzen (Titelsucht) oft zum Gegenstand der Satire geworden. Die Frankfurter Reichsverfassung vom Jahr 1849 hob zugleich mit dem Adel alle T. auf; indessen wurde diese Bestimmung schon[622] in der sogen. Dreikönigsverfassung in Wegfall gebracht; 10) in rechtlicher Beziehung das besondere Rechtsgeschäft, auf Grund dessen Jemand eine Sache erworben hat (Titulus acquirendi), z.B. der Kauf (T. pro emptore, T. emtionis), Erbschaft (T. pro herede), Schenkung (T. pro donato), die Bestellung der Sache zum Heirathsgut (T. pro dote) etc. Auf den Unterschied zwischen diesem Rechtsgeschäft des T. acquirendi im Unterschied zu der Erwerbsart als dem äußeren Factum, durch welchen die zur Erlangung des Eigenthums an einer Sache in der Regel erforderliche Erlangung des Besitzes vermittelt wird (dem sogenannten Modus acquirendi), gründete die ältere Rechtsdoctrin eine allgemeine Menge Folgesätze, welche die neueren Rechtslehrer indessen meist aufgegeben haben, weil die Unterscheidung sich keineswegs für alle Erwerbsarten von Rechten, ja nicht einmal für alle Erwerbsarten des Eigenthumes durchführen läßt. Von Wichtigkeit ist der T. nur für den Umfang der Besitzesrechte, für die Ersitzung (vgl. Stinzing, Das Wesen von Bona fides u. Titulus in der römischen Usucapionslehre, Heidelb. 1852) u. bei der Erbschaftsklage. In den beiden ersten Beziehungen unterscheidet man noch zwischen T. justus u. T. injustus, je nachdem dem Besitze ein äußerlich fehlerfreier Erwerb zu Grunde liegt od. nicht. Nur bei dem Vorhandensein des ersteren, welcher annehmen läßt, daß der Besitzende in gutem Glauben (bona fi de) besitze, wird der Besitz durch die erdenklichen Besitzesklagen (Interdicte etc.) geschützt u. kann bei ununterbrochener Fortdauer bis zum Ablauf der Verjährungsfrist (s.u. Verjährung) zur Ersitzung werden. Die Erbschaftsklage (Hereditatis petitio) hat die Eigenheit, daß sie nur gegen denjenigen erhoben werden kann, welcher mit dem T. pro herede, d.h. indem er sich selbst für den Erben od. als einen berechtigten Universalfideicommissar od. Käufer der Erbschaft hält, od. T. pro suo, d.h. ohne allen Rechtsgrund Erbschaftstheile besitzt, während gegen diejenigen, welche einzelne Erbschaftssachen auf Grund anderer T. in Händen haben, die Klagen zu richten sind, welche schon dem Erblasser zur Erlangung derselben zugestanden haben würden. T. universalis nennt man die Erwerbsart, mittelst welcher Jemand eine ganze Gesammtheit von Sachen erworben hat, z.B. durch Erbschaft; T. singularis, wenn das Rechtsgeschäft sich nur auf den Erwerb einzelner Sachen bezog, z.B. Kauf, Legat etc. 11) im Canonischen Recht a) der zum Erwerbe od. Besitze einer Pfründe od. zur Ausübung der Jurisdiction vorhandene Rechtsgrund, demnach: Titulus verus, ein wirklicher T., z.B. bischöfliche Ernennung; T. coloratus, ein scheinbarer, in sich mangelhafter; T. existimatus od. T. praesumtus, ein für einen wirklichen gehaltener, obgleich nicht nachweisbarer, aber wegen langjährigen Bestandes als rechtlich präsumirter; b) die Bedingung zur Aufnahme in den geistlichen Stand (Titulus ordinationis), u. zwar: T. beneficii, die dem Candidaten bestimmte Pfründe; T. patrimonii, ein hinreichendes, eigenes Vermögen; T. missionis, Verwendung in der Seelsorge; T. mensae, Unterhaltung od. Caution durch einen Dritten; T. paupertatis, Eintritt in einen Orden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 622-623.
Lizenz:
Faksimiles:
622 | 623
Kategorien: